Herrgottskinder – Die Elternkolumne

"Ihr müsst in die Kirche!" – Warum wir es heute anders machen

Veröffentlicht am 17.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Stefanie Heinrichs – Lesedauer: 5 MINUTEN

Bonn ‐ In dieser Kolumne schreibt Redakteurin Stefanie Heinrichs normalerweise aus ihrer eigenen Elternperspektive. Heute geht es um ihre Mutter – und darum, wie sich der Glaube in ihrer Familie über Generationen verändert hat.

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Nach dem Tod meiner Oma vor wenigen Monaten erzählte mir meine Mutter viel aus ihrer Kindheit. Besonders blieb mir eines hängen: Der Glaube war Pflicht. Meine Großeltern verlangten, dass alle zehn Kinder jeden Sonntag zur Messe gingen, sich dort tadellos benahmen und mittwochs den Rosenkranz beteten. Wurde das nicht zur Zufriedenheit erfüllt, gab es Strafen. 

Das hatte Folgen. Meine Mutter und ihre Geschwister nahmen sich fest vor, es anders zu machen. "Ich wollte meine Kinder nicht so streng erziehen", sagte meine Mutter. "Darum war es für euch keine "Pflicht" in die Kirche zu gehen." Christliche Werte haben wir trotzdem vermittelt bekommen, wurden alle getauft. 

Glaube ohne Gehorsam: Wir entscheiden selbst

Viele von uns sind heute noch tief im Glauben verwurzelt. Mein Bruder geht mit Mitte vierzig jeden Sonntag in die Messe, engagiert sich im Pfarrgemeinderat. Ein Cousin organisiert Gemeindefeste und kümmert sich um den Pfarrsaal. Wir alle waren Messdienerinnen und Messdiener, bei den Sternsingern oder den Pfadfindern. Letztes Jahr ging mein jüngster Cousin zur Firmung.

Meine Mutter sagte dazu: "Durch euch Kinder und Nichten und Neffen haben wir Geschwister einen neuen, ungezwungenen Zugang zur Kirche gefunden." Nicht allen ging es so. Manche meiner Tanten und Onkel haben bis heute ein angespanntes Verhältnis zur Kirche – geprägt durch die Strenge ihrer Eltern. Schade, dass sie den Glauben nicht selbst entdecken durften. 

Kinder recken die Arme in die Höhe bei einem Lied in einem Gottesdienst.
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

Die Kinder im Gottesdienst heben die Arme, ihre Gesichter zeigen Freude und Konzentration.

Wie meine Großmutter selbst zu ihrem Glauben stand, kann ich nur schwer sagen. Ich weiß, dass sie jede Woche zur Messe ging, regelmäßig den Rosenkranz betete. Sie besuchte den Altennachmittag im Pfarrsaal, und unser Pfarrer war für sie "der Herr Pfarrer" – ein Respektstitel. Doch uns Enkel zwang sie nie zum Kirchgang. 

Vielleicht hat sie selbst irgendwann mit ihrem Glauben gehadert. Denn als sie starb, wünschte sie sich keine kirchliche Beisetzung.Warum? Das werde ich nie erfahren. 

Die nächste Generation geht ihren eigenen Weg

Und heute? Wieder eine Generation später besuchen wir mit unseren Kindern die Kirche – aber anders. Wir gehen zu Kindergottesdiensten, zünden Kerzen für Verstorbene an, setzen uns in die Bank, sehen uns um. Wir reden über Gott, über den Tod, über den Mann am Kreuz, der als Kind in der Krippe lag. In der Sprache unserer Kinder – altersgerecht, aber nicht verniedlicht. 

Denn eines habe ich mir seit dem Gespräch mit meiner Mutter vorgenommen: Der Glaube soll nicht abschrecken. Aber auch nicht verklärt werden. Damit diese Generation nicht – wie einst meine Mutter und ihre Geschwister – mit Strenge und Angst aufwächst, sondern mit Offenheit und Neugier. 

Von Stefanie Heinrichs