"Kulturwandel sieht definitiv anders aus!"

Missbrauchsbetroffene empört über Rückkehr von Abt ins Amt

Veröffentlicht am 14.03.2025 um 11:37 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Bern ‐ Der Abt des Schweizers Klosters Saint-Maurice behält das Vertrauen des Vatikans – obwohl Rom den Geistlichen nach Belästigungsvorwürfen gerügt hatte. Missbrauchsbetroffene sprechen von einem Rückschlag.

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Missbrauchsbetroffene in der Schweiz haben mit Empörung auf die Rückkehr des Abtes von Saint-Maurice, Jean Scarcella, in sein Amt reagiert. Scarcella war nach Belästigungsvorwürfen vom Vatikan gerügt worden, durfte am vergangenen Sonntag jedoch die Leitung des traditionsreichen Klosters wieder übernehmen. "Kulturwandel sieht definitiv anders aus! So kann kein Vertrauen geschaffen werden!", hieß es dazu am Donnerstag in einer gemeinsamen Erklärung der drei Betroffenenverbände IG-MikU (Deutschschweiz), SAPEC (Westschweiz) und GAVA (Tessin). Die Rückkehr Scarcellas sei für Missbrauchsbetroffene verletzend und ein Rückschlag für all diejenigen Kirchenmitglieder, die aufrichtig an einem solchen Kulturwandel im Umgang mit sexuellen Übergriffen arbeiteten.

Die Betroffenenverbände betonten, die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Wallis habe die Einstellung diverser Verfahren rund um die Abtei Saint-Maurice 2024 ausdrücklich infolge Verjährung verfügt, "nicht weil die Vorwürfe unbegründet wären". Es sei deshalb unerklärlich, dass Scarcella die Einstellung der Ermittlungen gegen ihn als Anerkennung seiner moralischen Unschuld interpretiert habe. "Abt Scarcella hätte es in der Hand gehabt, ein Vertrauen schaffendes Zeichen zu setzen, indem er das Amt nicht wieder aufnimmt."

Scarcella demonstriert Gelassenheit

Der 73-Jährige hatte sich nach Bekanntgabe der Entscheidung des vatikanischen Bischofsdikasteriums erleichtert gezeigt: "Ich nehme das Vertrauen des Heiligen Stuhls, mir die Erlaubnis zu erteilen, mein Amt als Abt wieder aufzunehmen, mit Gelassenheit entgegen", zitierte "Vatican News" in dieser Woche den Geistlichen.

Die Schweizer Bischofskonferenz, der Scarcella als Territorialabt nun wieder angehört, reagierte am Mittwoch mit einer knappen Mitteilung. Man habe die Entscheidung des Vatikans "zur Kenntnis genommen", hieß es.

Nachdem im September 2023 Vorwürfe gegen Scarcella wegen sexueller Belästigung bekannt geworden waren, trat dieser vorübergehend zurück. Im vergangenen Oktober rügte der Vatikan den Abt der Augustiner-Chorherren für unangemessenes Verhalten einem jungen Mann gegenüber. Gleichzeitig erklärte das zuständige Bischofsdikasterium aber, es gebe "keine Beweise für Missbrauch oder Belästigung im eigentlichen Sinn". Dem Ordensmann wurde vorgeworfen, sich einem Jugendlichen gegenüber übergriffig verhalten zu haben. (KNA)