Ein alter Brauch zum Marienfest
Vor allem in ländlichen Gemeinden ist das Brauchtum der Kräutersegnung zum Marienhochfest verwurzelt. Nicht umsonst wird die Gottesmutter manchmal als "Blume des Feldes" oder "Lilie der Täler" verehrt. Als Mensch, der sich ganz auf Gottes Wort eingelassen und sich diesem in seiner ganzen Existenz hingegeben hat, ist Maria das Vorbild für den von Gott geschaffenen Menschen schlechthin. Und auch die heilkräftigen Kräuter geben in besonderer Weise Ausdruck von Gottes guter Schöpfung.
Ob "Weih"- oder "Würzbüschel", "Marienwisch", "Würzwisch" oder "Sangen" - die Bezeichnungen des Kräuterbündels sind so vielfältig wie die verwendeten Heilpflanzen. Zu den bekanntesten und beliebtesten Kräutern zählen neben Johanniskraut, Wermut und Schafgarbe vor allem Kamille, Thymian, Baldrian, Beifuß, Rainfarn und Eisenkraut. Oft werden auch Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Gerste in die Sträuße geflochten. In manchem Würzbüschel findet sich sogar eine Königskerze oder eine Rose.
Zahlen mit Bedeutung
Sieben bis zu 72 Heilpflanzen werden zu Weihbüscheln gebündelt und am Festtag vom Priester gesegnet. Hinter jeder Zahl verbirgt sich eine besondere Bedeutung. So drücken sieben Kräuter die sieben Schöpfungs- und Wochentage aus, sind es neun, stehen sie für dreimal drei als Zeichen der göttlichen Dreifaltigkeit, zwölf weisen auf die Anzahl der Apostel hin. Bei einem größeren Strauß können 24 Pflanzen an die zwölf Stämme Israels aus dem Alten und die Apostel Jesu aus dem Neuen Testament erinnern. 72 Heilpflanzen ergäben sich dann aus der Rechnung sechsmal zwölf.
Nach altem kirchlichem Brauch wurde an Mariä Himmelfahrt jedem Gottesdienstbesucher ein gesegneter Kräuterstrauß überreicht. Dieser fand dann im Herrgottswinkel, einer gottgeweihten Ecke des Hauses, seinen Platz, wo er aufgehängt oder zum Kreuz gesteckt wurde.
Wirkung Gott und der Fürsprache Marias zugesprochen
Die Menschen erhofften sich von den Weihbüscheln einen Schutz vor Unwetter und Krankheit. Dafür wurden die Kräuter wahlweise auf dem Dachboden angebunden, im Herd verbrannt oder dem Essen oder Viehfutter beigemischt. In manchen Gegenden legte man in der Hoffnung auf Wohlergehen die Sträuße Kindern und jungen Paaren ins Bett oder Toten in den Sarg.
Schon die Ägypter, Griechen, Römer und Germanen kannten die Heilwirkung von vielen Gewächsen und sammelten diese. Im Mittelalter übernahmen die Christen den Brauch des Kräutersammelns. Die Wirkung der Heilpflanzen wurde nun Gott und der Fürsprache Marias zugesprochen.
Mit dem Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August beginnen dann die "Frauendreißiger". Dabei handelt es sich um eine Zeit, die gleich mehrere Feste zu Ehren der Gottesmutter beinhaltet: Am 22. August wird das Fest Mariä Königin gefeiert, am 8. September Mariä Geburt, am 12. September Mariä Namen und schließlich am 15. September Mariä Schmerzen. Dem Volksglauben nach verlieren die teils in den Kräutern vorhandenen Gifte während der Frauendreißiger ihre Schärfe. An vielen Wallfahrtsorten in Süddeutschland werden Mariä Himmelfahrt und die darauffolgenden Marienfeste besonders feierlich und traditionell begangen.