Theologin Käßmann: "Ich trauere um unsere kleiner werdende Kirche"
Die evangelische Theologin Margot Käßmann bedauert nach eigenem Bekunden den Verlust einer heimatspendenden Kraft der Kirche in Deutschland. In dem aktuell erschienenen Buch "Warum heute Christ*in sein?" schreibt die frühere Bischöfin: "Ich trauere darum, dass unsere Kirche kleiner wird, weil immer mehr Menschen im Land sich ihr nicht mehr verbunden fühlen, ja gar nichts mehr wissen von der Geborgenheit in einer Glaubensgemeinschaft."
Ihre eigene Lebenserfahrung habe ihr gezeigt: "Kirche kann dich beheimaten. Die Lieder, Geschichten und Rituale geben dir Halt in einer derart chaotischen Welt." Gottvertrauen bringe Vertrauen ins Leben. Sie habe das selbst erfahren und wolle es weitergeben.
Ferienfreizeiten waren "Höhepunkte des Sommers"
Käßmann berichtet, sie erinnere sich gern an kirchliche Ferienfreizeiten als Jugendliche. "Diese Freizeiten waren die Höhepunkte des Sommers, an die ich mich bis heute so gern erinnere. Mich schmerzt massiv, wie sehr diese großartige Kinder- und Jugendarbeit infrage gestellt wird durch die entsetzlichen Missbrauchstaten, die unsere Kirchen immens belasten." Da hätten Täter ein Vertrauen zerstört, das sich nur schwer wieder aufbauen lasse.
Die Kirche habe sich für sie auch dann als Heimat gezeigt, wenn sie weit weg von Deutschland unterwegs gewesen sei, so Käßmann. Sie habe auf Dienstreisen Kirchen in vielen Ländern der Welt kennengelernt: "Höre ich die Glocken läuten, weiß ich, wohin sie mich rufen. Wenn ich nicht selbst Gottesdienst halte, sondern einen besuche in meiner Gemeinde in Hannover, auf Usedom oder auch in Afrika, Asien, Nord- und Südamerika, spüre ich Geborgenheit." Die Texte seien ihr vertraut, der Ablauf der Liturgie und die Lieder. "Wenn ich in anderen Ländern zu Gast bin, verstehe ich meist die Sprache nicht, aber ich weiß: Das ist der Psalm, jetzt das Bekenntnis und nun das Vaterunser."
Im Sammelband "Warum heute Christ*in sein?" geben 21 evangelische und katholische Christinnen und Christen ihre persönlichen Antworten auf die Frage, was sie in ihrem Leben trägt. Politiker Wolfgang Thierse denkt zurück an das Katholisch-Sein in der DDR und wieso Glaube für ihn Hoffnung bedeutet. Journalist Heribert Prantl kommt zu Wort, ebenso wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann und weitere profilierte junge und ältere Christinnen und Christen. (KNA)