Eine blutige Nase erinnert: Umkehr ist immer möglich

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Es gibt eine Sache, für die ich mich wirklich schäme. Es passiert an einem Samstag. Mein Schulfreund Yannick und ich haben dicken Streit. Zusammen mit meinem jüngeren Cousin sind wir in unserem Garten. Und die beiden lachen mich aus. Ich fühle mich so unendlich einsam. Innerlich koche ich vor Wut. Und bevor ich mich bremsen kann, hole ich aus und packe all meine Wut in meine Faust. Ich treffe die Nase meines Cousins. Die Szene ist mehr als 15 Jahre her. Ich war vielleicht 13 Jahre alt. Weswegen wir uns gestritten hatten, daran kann ich mich nicht erinnern. Auch nicht mehr, was die beiden sagten, um mich zu ärgern. Aber ich erinnere mich an mein schlechtes Gewissen. Und daran, wie sehr ich mich schämte. Ich hatte meinen jüngeren Cousin geschlagen – er war sicher ein Kopf kleiner als ich. Eigentlich wollte ich meinen Schulfreund treffen, aber vor blinder Wut und im Gefühlschaos meiner Pubertät konnte oder wollte ich nichts mehr steuern.
Körperliche Gewalt ist etwas, was ich vollkommen verurteile und niemals dulde. Wenn ich Kinder heute ermahne, ihre Konflikte anders zu lösen, denke ich manchmal an die Szene an diesem Samstag zurück. Vielleicht fühlen sich die Leute, die Jesus im heutigen Sonntagevangelium begegnen, ähnlich ertappt. Sie verurteilen andere für deren Taten. Und er legt den Finger in die Wunde und spiegelt ihnen: Hey, seid ihr etwa besser? Doch Jesus bleibt nicht dabei, sie einfach nur zu ermahnen. Sondern er erzählt ihnen ein Gleichnis von einem Feigenbaum. Der Winzer plädiert dafür, den Baum nicht direkt umzuhauen, nur weil er jetzt noch keine Früchte trägt. Sondern er gibt dem Bäumchen nochmal eine Chance.
Mir macht dieses Gleichnis Hoffnung. Denn Jesus ist realistisch: Er weiß, dass wir Menschen Fehler machen. Doch er beweist Geduld. Dass der Feigenbaum, dass ich mich ändern kann.
Das schlechte Gewissen meinem Cousin gegenüber blieb erstmal und um ehrlich zu sein, ich schäme mich heute immer noch dafür. Ein paar Tage später zeigte er mir seine Nase. Eine kleine Wunde erinnerte daran, was ich getan hatte. Natürlich hat er mir längst verziehen. Er bewies wie der Winzer mit seinem Feigenbäumchen Geduld mit mir. Und heute können wir darüber lachen. In meinen Beziehungen als Erwachsene hat meine Faust nie mehr eine Nase berührt. Und doch gibt es auch heute Menschen, die ich verletzt habe oder Beziehungen, die mir nicht gelingen. Beziehungen zu Menschen oder zur Schöpfung. Das schmerzt nicht weniger. Und ganz ehrlich: Von meinem Ausrutscher als 13-Jährige zu schreiben ist viel leichter.
Vielleicht ist das Heilige Jahr, das der Papst ausgerufen hat, eine gute Möglichgeit sich daran zu erinnern. Dass es immer möglich ist, umzukehren. In all meinen Beziehungen kann ich aus meinen Fehlern lernen, kann ich Früchte tragen – so wie der kleine Feigenbaum.
Evangelium nach Lukas (Lk 13,1–9)
Zu jener Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.
Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer,
weil das mit ihnen geschehen ist? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schilóach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!
Die Autorin
Luisa Maurer arbeitet als Pastoralreferentin im Bistum Trier und ist Rundfunkbeauftragte des Bistums für den Saarländischen Rundfunk und das Deutschlandradio.
Ausgelegt!
Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.