Standpunkt

Missbrauchsaufarbeitung: Landeskirchen haben keine Zeit zu verlieren

Veröffentlicht am 27.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Annette Zoch – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Erst 2018 hat auch die evangelische Kirche erkannt, dass das Thema sexualisierte Gewalt sie genauso betrifft wie die katholische, schreibt Annette Zoch. Nun hätten die Landeskirchen keine Zeit mehr zu verlieren.

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Vergangene Woche hat der Rat der EKD einstimmig beschlossen, dass Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie künftig einheitliche Anerkennungsleistungen bekommen sollen. Damit soll die Ungerechtigkeit, dass Betroffene in der Vergangenheit je nach Landeskirche unterschiedlich behandelt wurden, endlich ein Ende haben.

Die Einigung kommt spät genug, immerhin hat die evangelische Kirche – so ein Befund der Forum-Studie – erst von 2018 an in der Breite erkannt, dass das Thema sexualisierte Gewalt sie genauso betrifft wie die katholische Kirche.

Über der Untätigkeit der Institution sind viele der Betroffenen alt geworden. Ihnen läuft die Zeit davon. Auf der EKD-Synode im vergangenen Herbst in Würzburg waren einige von ihnen anwesend. Ein betagter Mann sprach von seiner Angst, nach einer traumatischen Kindheit im Heim bald erneut in ein Heim zu müssen, dies werde er nicht überleben. Die Betroffenen haben ihr ganzes langes Leben getragen an dem Leid, das ihnen die Kirche oder die Diakonie zugefügt hat.

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch sagt, Ziel sei es, das Verfahren "nach Möglichkeit bereits zum 1. Januar 2026" zu starten – doch ob dies gelingt, ist mehr als fraglich. Denn die Richtlinie muss jetzt noch durch jede einzelne Landessynode und durch jeden diakonischen Landesverband. Für die bayerische Frühjahrssynode Ende März kommt sie schon zu spät, stellte Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel fest, Beschlüsse gibt es frühestens im Herbst. Und die nächste reguläre Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland beispielsweise ist Stand jetzt erst Anfang 2026. Parallel dazu müssen die Landeskirchen bereits Aufarbeitungskommissionen besetzen und installieren. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Die evangelischen Landeskirchen dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren.

Von Annette Zoch

Die Autorin

Annette Zoch ist Politikredakteurin der "Süddeutschen Zeitung" und schreibt dort über Religion und Kirche.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.