RWE-Chef wirbt für behutsame Energiewende
Es bringe nichts, alle konventionellen Kraftwerke "wegzusanieren", so Terium. Ziel müsse ein "evolutionärer Wandel zu überschaubaren Kosten" sein.
Der zweitgrößte deutsche Energieversorger RWE stemmt sich derzeit mit einem radikalen Konzernumbau gegen eine Krise. Der Aufsichtsrat billigte kürzlich einstimmig die Pläne von Terium, die Zahl von rund 100 Teilgesellschaften um etwa ein Drittel zu reduzieren, um Bürokratie abzubauen und Entscheidungen zu beschleunigen. Damit geht das Unternehmen nicht so weit wie Konkurrent Eon, der seine gesamten Kohle-, Atom-, Gas- und Wasserkraftwerke in eine neue Gesellschaft ausgliedert und sich selbst künftig allein auf Vertrieb, Netzbetrieb und Ökostrom konzentriert.
RWE leidet unter niedrigen Strompreisen
Terium schloss nicht aus, dass RWE auch diesen Weg gehen könne, wenn die Entwicklung der Strompreise oder politische Rahmenbedingungen dazu zwängen. Das Unternehmen leidet angesichts der Energiewende und des Booms erneuerbarer Energien unter einem heftigen Verfall der Strompreise im Großhandel. Das lässt die Gewinne des Konzerns dramatisch sinken. Wachsen will RWE künftig vor allem im Geschäft mit dem Stromnetz, das stärker auf viele dezentrale Erzeuger ausgerichtet wird, und bei den erneuerbaren Energien mit der Tochter RWE-Innogy.
Der Essener katholische Bischof Franz-Josef Overbeck forderte, in der Energiepolitik nicht nur an Europa zu denken. Ursache des gegenwärtigen Flüchtlingsproblems seien auch Energie- und Klimafragen, sagte er. Das westliche Wohlstandsmodell und der Fortschrittsbegriff müssten überdacht werden. Der Schutz der natürlichen Ressourcen sei auch wichtig für die künftige Energiegewinnung, betonte er mit Hinweis auf den Erhalt der Amazonaswälder.
Ist der westliche Wohlstand zukunftsfähig?
Auch der Chef des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Uwe Schneidewind, betonte, das herrschende Wohlstandsmodell des Westens sei angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung nicht zukunftsfähig. NRW-Energieminister Garrelt Duin (SPD) erklärte, die Unternehmen in Deutschland brauchten "verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen". Dabei komme dem Thema Energie eine entscheidende Rolle zu. Die Bezahlbarkeit der Energie müsse ebenso gewährleistet sein wie die Versorgungssicherheit und der Klimaschutz. "Ich freue mich, dass wir noch Aluminiumhütten in NRW haben", sagte er.
Kritik an "Laudato si"
Kritisch äußerten sich Terium und Duin zur Forderung der G-7-Staaten und Papstes nach einer vollständigen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft. Die Umweltenzyklika des Papstes sei zwar ein wichtiges Signal und beschreibe eine Vision, sagte Terium. Gerade ärmere Länder in Lateinamerika oder Afrika brauchten aber auch bezahlbare Energie und Versorgungssicherheit. Auch Duin betonte, weltweit und national müssten die Menschen bei der Energiewende mitgenommen und dürften nicht überfordert werden.
Schneidewind zeigte sich überzeugt, dass das Ziel, jeglichen Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid auf Null zu reduzieren, technisch und ökonomisch bis 2070 machbar sei. (KNA)