"Ich kann heute nicht unterschreiben. Das ist keine Attrappe!"

Mit Armschiene: Kardinal Marx präsentiert sein neues Buch

Veröffentlicht am 01.04.2025 um 11:22 Uhr – Von Barbara Just (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

München ‐ Seit Aschermittwoch hatte Kardinal Reinhard Marx krankheitsbedingt alle Termine absagen müssen. Nun trat er erstmals wieder öffentlich auf und stellte sein neues Buch "Kult" vor – in einem Schlagabtausch mit dem Soziologen Hartmut Rosa.

  • Teilen:

Der rechte Arm des Münchner Kardinals Reinhard Marx steckt noch immer in einer Schiene, die mittels Fixierungsbändern getragen werden muss. Das fiel am Montagabend sofort an ihm auf, auch wenn farblich alles auf das Schwarz des priesterlichen Gewandes abgestimmt war. Irgendwann rutschte dem auf der Bühne sitzenden Kirchenmann dann auch das Sakko erst über die eine und dann über die andere Schulter nach hinten weg. Denn wenn einer wie Marx in einer Diskussion so richtig ins Reden kommt, braucht er zum Gestikulieren einfach Bewegungsfreiheit.

Zum Beginn der Fastenzeit hatte sich der 71-Jährige verletzt. Das zog eine Operation, eine Reha und vier Wochen Zwangspause nach sich. Nun ist der Kardinal wieder im Einsatz. Der erste große Auftritt galt seinem neuen Buch "Kult". Der Kösel-Verlag hatte zur Vorstellung ins neue, hippe "Bergson Kunstkraftwerk" in den Münchner Westen geladen; der über 400 Personen fassende Saal war voll.

Katholik und Protestant diskutieren

Wer gekommen war, den erwartete eine lebendige, gut 90-minütige Diskussion. Als Sparringspartner hatte der nicht minder eloquente, in Jena lehrende Soziologe Hartmut Rosa (59) Platz genommen, auch ein Autor von Kösel. 2022 veröffentlichte Rosa das Werk "Demokratie braucht Religion". Da hatten sich also ein Katholik und ein Protestant eingefunden, die sich schätzen. Beide waren sich einig, dass der Mensch Sonn- und Feiertage als Ruhephasen und Unterbrechungen dringend benötigt. Bei aller Sorge angesichts der verheerenden Weltlage verharrte der Katholik jedoch nicht so sehr im pessimistischen Lager wie der evangelische Christ.

Rosa beklagte den rasenden Stillstand, in dem sich die Gesellschaft befinde. Alles müsse immer schneller und dynamischer vorangehen, in der Politik, der Wirtschaft und technologischen Entwicklung. Früher sei damit das Versprechen verbunden gewesen, dass es für die nächste Generationen besser werde. Heute dagegen entstehe der Eindruck, man müsse sich zwar weiter permanent steigern, ohne jedoch wirtschaftlich voranzukommen, so der Soziologe.

Kardinal Marx: Christentum ist kein Bollwerk gegen die Welt

2021 bot Kardinal Marx dem Papst seinen Rücktritt an, um Mitverantwortung für die "Katastrophe des sexuellen Missbrauchs" zu übernehmen. Franziskus lehnte ab. In der Folge entstand nun auch dieses Buch über Kirche und Welt.

Gerade wenn Christen Abendmahl oder Eucharistie feierten, biete dies die Möglichkeit, "wo du eine andere Form des In-der-Welt-sein spürbar machst", gab Rosa zu bedenken. Diese Erfahrung in die Gesellschaft hinauszutragen, um Veränderungen zu bewirken, erscheine ihm wichtig. "Ich glaube, da sind wir ganz eng beieinander", sagte der Soziologe zum Kardinal. Sieht dieser doch im Kult das Herzenselement des Christentums. "Eucharistie ist als sakramentale Feier Opfer und Mahl zugleich, und sie ist Sendung!", schreibt er in seinem Buch. Für Marx ist die tägliche Messe zentral. Im kleinen Kreis gefeiert, gebe sie ihm oft sogar mehr als ein Pontifikalamt.

Doch wenn davon so viel Kraft ausgeht, warum kommen immer weniger Menschen zu den Gottesdiensten? Für Marx handelt es sich auch um ein Problem der Qualität. Diese müsse einfach besser werden, so der Kardinal. Das klinge nach einer Firma wie BMW, erwiderte der Soziologe. Aber er verstehe, wie es gemeint sei.

"Ich kann heute nicht unterschreiben"

Der Kardinal hatte gleich ein Beispiel parat: den Trauergottesdienst nach dem jüngsten Anschlag in München. Da hatte Marx gesagt, der Dom sei seit über 500 Jahren ein christliches Gotteshaus, aber immer auch eines für alle Münchner, besonders für die Verängstigten, Bedrohten, Verletzten, Verzweifelten und Trostsuchenden. Niemand sei ausgeschlossen, hier einen Ort zu finden, wo er seine Angst, seine Fragen, aber auch Wut lassen könne.

Natürlich gab es zum Abschluss den Hinweis, dass die Bücher beider Autoren im Foyer zum Kauf angeboten werden. Eine handschriftliche Widmung des Kardinals war dieses Mal nicht möglich. Denn mit Links geht bei dem Rechtshänder gerade nichts. Der bekannte offen: "Ich kann heute nicht unterschreiben. Das ist keine Attrappe!"

Von Barbara Just (KNA)