DBK-Vorsitzender verteidigt Forderung nach Reformen

Bischof Bätzing: Kirche baut Hürden gerade für junge Menschen

Veröffentlicht am 19.04.2025 um 09:08 Uhr – Lesedauer: 6 MINUTEN

Köln ‐ Ihm sei lieber, wenn "Argumente zählen, als wenn ich als Lobbyvertreter einer möglichst großen und mächtigen Institution gelte", sagt Limburgs Bischof Bätzing. Dafür müssten aber noch viele Hürden weg.

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Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat Forderungen nach Reformen in der katholischen Kirche verteidigt. Derzeit baue die Kirche noch "Hürden gerade für junge Menschen", sagte der Limburger Bischof der "Kölnischen Rundschau" (Samstagsausgabe und online). So höre er von jungen Frauen, die katholische Kirche sei für sie keine Option, solange dort Frauen der Zugang zu sakramentalen Ämtern verschlossen ist.

Aber: "Unkenrufe, man führe die Leute [mit Reformversprechen] an der Nase herum", hätten sich nicht bewahrheitet, betonte Bätzing gleichzeitig. Die Frage des Zugangs von Frauen zum Diakonat sei ins Abschlussdokument der jüngsten Weltsynode aufgenommen worden und liege also "auf dem Tisch der gesamten Weltkirche".

Solche Reformen würden womöglich nicht gleich eine Trendumkehr bringen, räumte der Bischofskonferenz-Vorsitzende ein. "Aber wenn diese Hürden genommen sind, hilft uns das, mit Menschen überhaupt wieder über das Entscheidende des Glaubens zu reden."

"Unsere eigene Schuld"

Bätzing sagte, die Krisensituation der Kirche habe viel "mit eigenen Fehlern zu tun; mit Skandalen, vor allem mit den Verbrechen sexuellen Missbrauchs". Dieser Vertrauensverlust sei "unsere eigene Schuld". Es gebe aber auch "einen Faktor, den wir nicht beeinflussen können: das stark institutionenkritische Verhalten in einer liberalen Gesellschaft". Dass sich die Menschen frei entscheiden können, sei ein hoher Wert, so der Bischof. "Das heißt aber auch: Wir müssen für unsere gute Botschaft werben. Das müssen wir neu lernen."

Auch wenn man sicher "nicht zu einer massenhaften Kirchlichkeit zurückkehren" werde, könne man der Entwicklung etwas entgegensetzen, betonte Bätzing. Denn es sei spürbar, dass die Menschen nach Orientierung und Halt suchten.

Insgesamt sei ihm lieber, so der Limburger Bischof, "wenn meine Argumente zählen, als wenn ich als Lobbyvertreter einer möglichst großen und mächtigen Institution gelte". Die Kirchen würden kleiner und weniger wohlhabend. Das heiße aber nicht, dass ihre Argumente zu Lebensschutz, Sicherheit, Migration, Klima- und Schöpfungsverantwortung nicht Gehör fänden und aufgenommen würden.

Themenseite: Die Kirche und die AfD

Seit der Gründung der AfD im Jahr 2013 war das Verhältnis zwischen der Partei und der katholischen Kirche distanziert. Im Zuge der zunehmenden Radikalisierung der AfD ist die Kirche seither immer stärker auf Distanz gegangen. Im Februar 2024 hat sie die Partei schließlich als für Christen "nicht wählbar" bezeichnet.

Angesichts der Wahlerfolge der AfD sprach sich Bätzing entschieden gegen politische Schwarz-Weiß-Malerei aus. Die sei im Wahlkampf fast unerträglich gewesen und stärke "nur die radikalen Teile in unserer Bevölkerung". Ängste etwa um die wirtschaftliche Zukunft, das Auskommen der eigenen Kinder und die Rente würden mit dem Migrationsthema verbunden, so der Bischof; "und da ziehen Rattenfänger die Menschen an, wenn sie einfache Lösungen versprechen". Die Wirklichkeit sei viel komplizierter. "Aber diese Leute stehen ja nicht in Regierungsverantwortung", sagte Bätzing; "und wir müssen alles dafür tun, dass sie auch niemals dahinkommen."

Dass Deutschland aus Solidarität alle Flüchtlinge aufnehmen müsse, hätten die Kirchen nie gefordert, betonte der Bischofskonferenz-Vorsitzende. Sie verwiesen aber auf das Grundrecht auf Asyl und auf das Schutzbedürfnis von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen. "Menschen in Not muss geholfen werden", so Bätzing. Das sei "in gewisser Weise radikal – aber es ist kein Lippenbekenntnis". Kirchenmitglieder begleiteten Migranten schon lange, erinnerte der Bischof. Allein die katholische Kirche habe seit 2015 mehr als eine Milliarde Euro für die Flüchtlingsarbeit und für Fluchtprävention aufgebracht. Zugleich räumte er ein, viele AfD-Wähler kämen auch aus dem katholischen Spektrum; das mache ihm große Sorge.

Spätestens im Wahlkampf sei klar geworden, was für "rassistische, nationalistische, völkische und antieuropäische Positionen" AfD-Vertreter bezögen. "Ich kann mir nicht mehr vorstellen", so der Bischof, "dass jemand, der die AfD gewählt hat, nicht weiß, was er wählt." Das sei für ihn sehr schwer auszuhalten. Es gelte, wirklich alles zu tun, diese Menschen zurückzugewinnen. "Viele AfD-Wähler", sagte Bätzing, "haben lange anders gewählt und sind offensichtlich unzufrieden mit der Politik."

Für Familiennachzug

Der künftigen Bundesregierung "aus der Mitte unserer Bevölkerung und aus der Mitte des Parlaments" wünschte Bätzing Erfolg. Auf das Migrations-Kapitel im Koalitionsvertrag blicke er teils kritisch, teils zustimmend. Man erkenne daran, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei und Einwanderung brauche. Auch das Grundrecht auf Asyl bleibe gewahrt.

Für falsch hält der Bischofskonferenz-Vorsitzende den Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte. Die Familie sei ein hohes Gut, betonte Bätzing. Von der Familie getrennt zu sein, sei eine erhebliche Belastung und mache es schwerer, sich in der neuen Gesellschaft auf Integration einzulassen.

Bätzing bezeichnete zudem die christliche Osterbotschaft als eine Gegengeschichte zur Egomanie von US-Präsident Donald Trump oder zum "nationalistischen Größenwahn" des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Ostergeschichte sei "das Zeichen der Solidarität schlechthin". Der Limburger Bischof nannte es erschütternd, dass solche Politiker "ihr unchristliches Verhalten auch noch christlich hinterlegen wollen", etwa durch demonstrative Bibelstunden bei Trump oder Putin neben dem Moskauer Patriarchen in der Osternacht mit einer Kerze in der Hand. Ostern bedeute: "Nicht wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht - sondern wenn einer an alle denkt." Diese Person stehe in Jesus Christus vor uns, der freiwillig sein Leben für die anderen gegeben habe. (cph/KNA)