Bröckelmann-Simon: Flüchtlingszahlen sind kein Grund zur Klage

Misereor beklagt Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen

Veröffentlicht am 28.08.2015 um 11:34 Uhr – Lesedauer: 
Migranten auf einem Boot im sizilianischen Hafen von Pozzallo.
Bild: © KNA
Flüchtlinge

Aachen ‐ Das katholische Hilfswerk Misereorfordert von der Europäischen Union die Abkehr von einer "auf Abwehr ausgerichteten Haltung" gegenüber Flüchtlingen. Die Zivilgesellschaft sei in ihrer Willkommenshaltung weiter als die Politik.

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Niemand setze sich freiwillig den Gefahren von Flucht und Migration aus. Zudem kämen die wenigsten Flüchtlinge überhaupt in die Nähe europäischer Grenzen, sondern würden überwiegend in den unmittelbaren Nachbarregionen aufgenommen und versorgt. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass die EU "angstvoll und uneinig" auf die Katastrophen an ihren Außengrenzen reagiere, betonte Misereor-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon.

Gestiegene Flüchtlingszahlen sind "kein Grund zur Klage"

"Die angestiegenen Flüchtlingszahlen in Deutschland sind zwar derzeit gewiss eine große sozialpolitische Herausforderung, aber kein Grund zur Klage und schon gar nicht zur Angst", so Bröckelmann-Simon weiter. Vielmehr sei eine neue Kultur des Willkommens für die Fremden sowie des Teilens und des Mitgefühls erforderlich. "Das ist einerseits eine politische Herausforderung für die EU - aber ebenso auch eine Aufgabe für uns alle und ein Gebot der Menschlichkeit."

86 Prozent der weltweiten 60 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene leben nach Angaben von Misereor in Entwicklungsländern, zwei Drittel davon in ihrem eigenen Land. In den 28 EU-Staaten seien dagegen nur zwei Millionen Flüchtlinge registriert. Bröckelmann-Simon: "Wenn Deutschland hingegen der Libanon wäre, dann wären hier umgerechnet in den letzten drei Jahren rund 25 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen, mittlerweile wären die Hälfte der dadurch ebenfalls enorm angestiegenen Schülerzahlen Flüchtlingskinder." Übersehen würden in der aktuellen Debatte zudem die positiven Aspekte, die mit der Einreise von Flüchtlingen nach Deutschland verbunden seien.

Andere Haltung gegenüber afrikanischen Flüchtlingen gefordert

Bröckelmann-Simon forderte darüber hinaus auch eine andere Haltung gegenüber Flüchtlingen aus Afrika. Diese machten im ersten Halbjahr 2015 nur 19 Prozent aller EU-Asylbewerber aus. 2013 lebten 5,1 Millionen Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund legal in der EU. "Abgesehen davon, dass diese Menschen durch ihre Arbeit in den jeweiligen Gastländern Steuern und Sozialabgaben zahlen, leisten sie auch erhebliche Beiträge zur Entwicklung Afrikas." Nach Angaben der Weltbank überwiesen afrikanische Migranten 2013 auf dem Bankenweg 38 Milliarden US-Dollar in ihre Heimatländer.

Misereor unterstützt nach eigenen Angaben Projekte in den Herkunfts- und Zielländern der Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge im Nahen Osten, in Afrika, Asien und Lateinamerika. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen liege derzeit im Nahen Osten, vor allem in Syrien, Irak und dem Libanon. (stz)