Die sozialistische Utopie ist zurück
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Auch dem letzten ist wohl mittlerweile klargeworden, dass die Flüchtlings- und Migrationswelle, die derzeit über Europa schwappt, kein kurzfristiges Phänomen ist, sondern eine globale Entwicklung, die unseren Kontinent langfristig beschäftigen und verändern wird. Während wir uns erst langsam an diesen Gedanken gewöhnen, lassen Menschen jeden Tag ihr Leben auf dem gefährlichen Weg in eine bessere Zukunft. Sie fliehen vor Bürgerkrieg, Gewalt, Zerstörung, religiöser und politischer Verfolgung. Aber sie fliehen auch vor wirtschaftlicher Armut, Perspektivlosigkeit, Chaos, Mangel an Bildungschancen.
Da wir, selbst wenn wir wollten, nicht jedem ein besseres Leben ermöglichen können, müssen wir zuerst diejenigen aufnehmen, die in Bürgerkriegsregionen um Leib und Leben fürchten. Es ist unsere christliche Pflicht, unseren Wohlstand und Frieden mit ihnen zu teilen. Anders verhält es sich mit den vielen, die – nachvollziehbar – ein besseres Leben bei uns suchen.
Die unlängst vom Schweizer Netzwerk "KircheNordSüdUntenLinks" geforderte "freie Niederlassung für alle" ist ein Beitrag zur Debatte, der vielleicht gut gemeint ist, aber in der Sache falscher nicht sein könnte. Aus den Grundsätzen der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität leiten die Autoren ein Recht auf freie Niederlassung, Asyl, Existenzsicherung, Gesundheitsversorgung, Sozialleistungen, Bildung ab, und zwar für alle Menschen weltweit.
Migration muss auf Allgemeinwohl ausgerichtet sein
Man muss keinen Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen haben, um zu wissen, dass ein bedingungsloses Recht auf Zugang zu begrenzten Ressourcen und begrenztem Raum auf geradem Weg zur Herrschaft des Stärkeren führt. Schneller als wir denken, würden wir uns in einer Gesellschaft wiederfinden, in welcher der Mensch des Menschen Wolf wäre – die wehende Fahne in der Hand, auf der "Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität" steht. Und Hobbes würde die heimliche Genugtuung erfahren, dies bereits vor 400 Jahren erkannt zu haben.
Freie Niederlassung für alle ist eine utopische Idee, die der Welt in ihrer natürlichen Begrenztheit entrückt ist. Es geht allerdings nicht nur um begrenzte natürliche Ressourcen, sondern darum, dass Frieden und Wohlstand zivilisatorische Errungenschaften sind, die Heterogenität in Kultur, Weltanschauung, Arbeitsethik, Religion, Werten nur zu einem gewissen Maß verkraften.
Migration kann und muss deshalb vernünftigerweise an Kriterien gebunden sein, die auf das Allgemeinwohl ausgerichtet sind. Konkret heißt das, diejenigen aufzunehmen, die an einem freiheitlichen, friedlichen und produktiven Europa mitbauen wollen und können – vom einfachen Arbeiter bis zum Akademiker. Die Charta der Schweizer Theologen verurteilt es, Menschen nach Kriterien wie "wirtschaftlicher Nützlichkeit" oder "kultureller Nähe" zu unterscheiden. Auch von Nachhaltigkeit ist die Rede. Viele biblische Begründungen werden bemüht und es wäre interessant, sie im Einzelnen zu diskutieren. Noch interessanter wäre es allerdings, wenn die 120 Theologen auch erklären würden, wie bedingungslose Migration für alle verbunden mit dem Recht auf Sozialleistungen und Existenzsicherung nachhaltig finanziert und so die Voraussetzung erhalten werden können, die Europa zum gelobten Land für Millionen von Menschen machen.