Transparenz ist Trumpf
Schließlich fügt der Leiter der Statistik bei der Bischofskonferenz "nur" die Zahlen aus den Bistümern zusammen, die diese jedes Jahr aus den rund 12.000 Pfarreien über die Dekanate aus ganz Deutschland gemeldet bekommen. Die Diözesen tragen die Daten - Katholikenzahlen, Anzahl der Taufen, Trauungen und Begräbnisse sowie Zahlen zum Klerus - zusammen und übermitteln diese nach verschiedenen "Plausibilitätsprüfungen" an eine zentrale Datenbank der Bischofskonferenz. Meldet etwa eine Gemeinde mit 90 Einwohnern plötzlich 300 Taufen, wird nachgehakt.
Bis in die 1970er Jahre geschah die Erfassung analog auf Zählbögen aus Papier. Durch Übertragungsfehler an nachgelagerten Stellen seien dabei "wie bei der stillen Post" auch Fehler passiert, räumt Rogozinski ein. In den 1960er Jahren sei mitunter "wild rumgerechnet" worden, bis die Zahlen stimmten. So kommt es, dass aus dieser Zeit mehrere, mitunter mit Rotstift-Korrekturen gespickte Versionen von Erhebungsbögen vorliegen. Heute werden die Daten sorgfältig über ein Online-Formular erfasst und auf elektronischem Weg weitergeleitet.
Interessante Details
Trotz der vermeintlich drögen Materie kann sich der Statistiker durchaus für Details begeistern. "Besonders spannend ist es, die Daten in Bezug zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ereignissen zu betrachten." So hätten die Austrittszahlen 1992 mit der Einführung des Solidaritätszuschlages einen Höchstwert erreicht, später gab es deutliche Einbrüche nach dem Missbrauchsskandal 2010 und der Affäre um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Umgekehrt habe die Wahl des deutschen Papstes für deutlich weniger Austritte gesorgt.
Der Grund, warum die katholische Kirche in Deutschland seit 1915 überhaupt eine eigene Statistikstelle betreibt, ist simpel: fehlende Vergleichbarkeit zur evangelischen Kirche. Diese hatte bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Erhebung und Veröffentlichung eigener Daten begonnen. Doch wollte die katholische Kirche ihre Zahlen preisgeben? Bevor die Fuldaer Bischofskonferenz im Weltkriegssommer 1915 den Beschluss fasste, wurde rund zehn Jahre lang über diese Frage gerungen. Schließlich hätte es auch sein können, dass die Ergebnisse "nicht so gut aussehen", erklärt Rogozinski. "Zahlen sind auch ein Politikum".
Dabei fing man damals mit der Erhebung nicht bei Null an. In den Jahren zuvor habe es bereits in Breslau eine provisorische Erfassungsstelle gegeben, die schon erste Erhebungsbögen zusammentrug. Aufgrund der begrenzten personellen Ressourcen konnten diese aber noch nicht ausgewertet und veröffentlicht werden. Immerhin: Bereits hier wurde ein gemeinsames Schema entwickelt, nach dem in allen deutschen Diözesen in gleicher Weise Erhebungen durchgeführt werden konnten. Hierauf baute man 1915 auf: Katholikenzahl, Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen - "Basics, die wir heute auch noch haben".
Dokumentation der "Osterpflicht"
Dennoch gab es auch Veränderungen. Bis 1977 wurde auch die Anzahl "heiliger Kommunionen" in der Kirchenstatistik aufgeführt, auch Gläubige, die ihrer "Osterpflicht nachgekommen" seien, wurden vermerkt. Seit 1977 wird die Statistik zur Erstkommunion und seit 1989 die der Firmungen geführt. Zudem sei die Statistik über die Zeit "ausdifferenzierter" geworden, erklärt der Statistiker. So werden seit den 1990er Jahren - bedingt durch neue seelsorgerische Dienste - auch Pastoral- und Gemeindereferenten erfasst.
Was passiert nun mit all den Daten? Die Bischofskonferenz veröffentlicht die Statistik im Kirchlichen Handbuch und auf ihrer Homepage unter "Zahlen und Fakten". Zudem werden aus den Erhebungen anschauliche Tabellen und Grafiken erstellt und publik gemacht - etwa die Aufteilung nach Bistümern und Bundesländern, die sich bekanntlich oft deutlich unterscheiden. Dabei geht es nicht nur um die notwendige kircheninterne und -externe Transparenz. "Die Bistümer brauchen die Zahlen auch für die pastorale Planung, etwa bei den Kindergärten", so Rogozinski.
Dabei "brüte" der Statistiker nicht den ganzen Tag über Zahlen, betont er. Rogozinski kümmert sich auch um Rechercheanfragen und stellt die ihm vorliegenden Zahlen etwa Wissenschaftlern und Studenten zur Verfügung. Das Kirchliche Handbuch von 1907/08, ein Vorläufer der Kirchenstatistik, in seinem Büro ist markiert mit gelben Klebezetteln - "ein Zeichen, dass noch damit gearbeitet wird", schmunzelt der Experte.
Rogozinski sieht derweil auch noch Felder für neue Datenerhebungen im kirchlichen Kontext. So gebe es kaum Zahlen über Ehrenamtliche, "auch weil sie schwierig zu erfassen sind". Die Problematik beginne bereits bei der Suche nach einer Definition, was denn eigentlich Ehrenamt bedeutet.