Mit dem Fahrrad von Paderborn in den Vatikan

Auf Opas Spuren – Stefan Feckes besondere Radpilgerreise nach Rom

Veröffentlicht am 09.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 
Auf Opas Spuren – Stefan Feckes besondere Radpilgerreise nach Rom
Bild: © privat

Paderborn ‐ 1925 pilgerte der Opa von Stefan Fecke mit dem Fahrrad von Ostwestfalen nach Rom. 100 Jahre später ist sein Enkel die Route ebenfalls per Rad nachgefahren. Was er unterwegs erlebt hat und wie es war, am Tag der Amtseinführung von Leo XIV. in Rom anzukommen, erzählt Fecke im katholisch.de-Interview.

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Gut 1.500 Kilometer liegen zwischen Paderborn und Rom. Diese weite Strecke hat der Katholik Stefan Fecke in den vergangenen vier Jahren in vier Etappen als Pilger mit dem Fahrrad zurückgelegt. Er war jedoch nicht der Erste, der diese Strapaze auf sich genommen hat: Genau 100 Jahre vor Stefan Fecke ist sein Opa Albert Fecke bereits ebenfalls mit dem Fahrrad von Paderborn nach Rom gepilgert, sein Enkel ist ihm also quasi nachgefahren. Im Interview erzählt Stefan Fecke von der Pilgerreise seines Opas im Jahr 1925, den Beweggründen für seine eigene Fahrt nach Rom und seinen Erlebnissen unterwegs.

Frage: Herr Fecke, Ihr Großvater ist 1925 von seiner Heimat in Ostwestfalen aus mit dem Fahrrad nach Rom gepilgert. Sie sind dieselbe Route jetzt, 100 Jahre später, ebenfalls mit dem Fahrrad nachgefahren. Was hat Sie dazu motiviert?

Fecke: Natürlich in erster Linie mein Opa selbst. Der ist zwar schon vor 40 Jahren gestorben, meine Erinnerungen an ihn sind aber bis heute sehr lebendig. Ich hatte immer ein sehr enges Verhältnis zu meinem Opa – ich war sozusagen ein echtes "Opa-Kind". Als kleiner Junge habe ich viel Zeit mit ihm verbracht und es immer geliebt, wenn er mir Geschichten von früher erzählt hat. Ob er mir damals auch schon von seiner Reise nach Rom erzählt hat, weiß ich nicht mehr. Spätestens nach dem Tod meiner Oma 1989 habe ich dann aber seinen handgeschriebenen Bericht über die Reise gefunden.

Frage: Sie sagen es: Ihr Opa hat einen detaillierten Bericht von seiner Pilgerreise hinterlassen. Wie genau haben Sie den gefunden?

Fecke: Als meine Oma gestorben war, haben wir den Haushalt meiner Großeltern aufgelöst und dabei natürlich geschaut, welche Erinnerungsstücke wir aufheben wollen. Wenn ich mich richtig erinnere, ist mir der Reisebericht dabei in die Hände gefallen. Für mich war sofort klar, dass ich den aufheben wollte – auch wenn er in Sütterlin geschrieben war und ich ihn nicht ohne Weiteres lesen konnte. Einige Jahre später – ich glaube, Anfang der 2000er – habe ich den Bericht dann nach und nach abgetippt und ganz in Ruhe gelesen. Die Schilderungen meines Opas haben mich dabei schnell in ihren Bann gezogen und den Wunsch in mir geweckt, seine Reise mit dem Fahrrad nachzufahren.

Frage: Bis Sie tatsächlich losgefahren sind, hat es dann aber noch einige Jahre gedauert. Warum?

Fecke: Ich denke, der Entschluss, mich wirklich auf den Weg zu machen, musste erst reifen. Und natürlich musste ich die Fahrt auch mit meiner Arbeit und den Urlaubsplänen meiner Familie in Einklang bringen. Sicherlich haben am Ende auch der 100. Jahrestag der Reise meines Opas und die Tatsache, dass 2025 ebenso wie 1925 ein Heiliges Jahr ist, eine Rolle gespielt.

„Mein Opa war ein gläubiger Mensch, tief in der Kirche verwurzelt und später auch in unserer Pfarrgemeinde aktiv. Für ihn war die Fahrt nach Rom laut seinem Bericht tatsächlich eine Pilgerreise.“

—  Zitat: Stefan Fecke über seinen Opa

Frage: Können Sie ein bisschen erzählen, was im Reisebericht Ihres Opas drinsteht?

Fecke: Der Bericht ist sehr schön zu lesen, weil mein Opa nicht nur trockene Fakten auflistet, sondern lebendig beschreibt, was er und sein Freund, mit dem er die Reise unternommen hat, alles erlebt haben. Unter anderem schreibt er, durch welche Landschaften und Städte sie gefahren sind – besonders fasziniert war er offenbar von Venedig und dem Canale Grande. Außerdem berichtet er, wo sie unterwegs übernachtet haben: bis Südtirol meist in Kolpinghäusern, weil mein Opa als Handwerksgeselle selbst Kolpingsohn war, wie es damals hieß. Später haben Sie dann teilweise im Freien campiert oder in Heuschobern genächtigt. Der Bericht steckt voller kleiner Geschichten: Einmal zum Beispiel lud ein Winzer sie zu sich nach Hause ein, dort haben sie dann Wein getrunken und der Tochter des Winzers bei den Schulaufgaben geholfen.

Frage: Und was schreibt Ihr Opa von Rom?

Fecke: Dort hat ihn offenbar besonders der Petersdom beeindruckt. Unter anderem beschreibt er, wie sie in die Kirche reingegangen sind und das Innere auf sie gewirkt hat. Und wie viele Schritte man braucht, um einen der Kuppelpfeiler zu umrunden. Sein Schreibstil ist oft sehr bildhaft; man merkt, dass mein Opa eine künstlerische Ader hatte. Das macht den Bericht wirklich lesenswert.

Frage: Wissen Sie denn, warum Ihr Opa sich überhaupt auf den Weg nach Rom gemacht hat? Unter den Bedingungen der damaligen Zeit war die Reise ja sicher eine ziemliche Strapaze.

Fecke: Eine wesentliche Rolle hat sicher das Heilige Jahr gespielt. Mein Opa war ein gläubiger Mensch, tief in der Kirche verwurzelt und später auch in unserer Pfarrgemeinde aktiv. Für ihn war die Fahrt nach Rom laut seinem Bericht tatsächlich eine Pilgerreise. Er beschreibt zum Beispiel auch, wie er am Grab des Apostels Petrus das Glaubensbekenntnis gesprochen hat – das war ihm offenbar wichtig. Hinzu kam sicher auch seine damalige Lebenssituation: Er war Mitte 20, noch nicht verheiratet, und als Handwerksgeselle vermutlich auch von den wirtschaftlichen Problemen der damaligen Zeit betroffen. Vielleicht war es für ihn also genau der richtige Zeitpunkt, sich auf den Weg zu machen.

Frage: Wie lang war Ihr Opas damals unterwegs?

Fecke: Für die gesamte Reise – also für Hin- und Rückfahrt – habe ich in seinem Bericht 53 Tage gezählt. Sie waren also ziemlich flott unterwegs – und das mitten im heißen Sommer und obwohl sie allein sechs Tage in Rom geblieben sind und auch sonst unterwegs immer wieder Zwischenstopps eingelegt haben. Gerade auch unter den Bedingungen der damaligen Zeit war das schon eine außergewöhnliche Leistung.

Bild: ©privat

Der Bericht von Stefan Feckes Opa, in dem dieser seine Erlebnisse bei seiner Radpilgerreise im jahr 1925 festgehalten hat.

Frage: Sie selbst waren länger unterwegs – insgesamt vier Jahre, weil Sie die Reise in vier Etappen absolviert haben. Warum haben Sie das gemacht?

Fecke: Vor allem aus praktischen Gründen. Wenn ich die Reise am Stück hätte machen wollen, hätte ich sechs bis acht Wochen freinehmen müssen – das wäre insbesondere beruflich kaum machbar gewesen. So aber konnte ich die einzelnen Etappen jeweils mit normalen Urlauben verbinden, bei denen mich dann auch meist meine Frau begleitet hat und wir uns unterwegs einiges angeschaut haben. Eine Pilgerreise ist natürlich kein klassischer Erholungsurlaub – trotzdem sollte die Reise nicht nur eine körperliche Herausforderung, sondern durchaus auch Urlaub sein.

Frage: Wie sehr war Ihr Opa auf der Reise für Sie präsent? Gab es Momente, in denen Sie sich ihm besonders nahe fühlten?

Fecke: Besonders intensiv war es direkt zu Beginn der ersten Etappe, als ich alleine von zu Hause aufgebrochen bin. Da hatte ich schon das Gefühl, ihm nahe zu sein – auch wenn ich mit einem E-Bike unterwegs war und die heutigen Straßen natürlich ganz andere sind als zu seiner Zeit. Unterwegs habe ich dann immer wieder Orte aufgesucht, an denen auch er gewesen ist – zum Beispiel Kirchen, in denen ich wie er an Gottesdiensten teilgenommen habe. Auch die Kolpinghäuser, in denen er damals übernachtet hat, habe ich – soweit sie noch existierten – besucht. Das war teilweise schon eine sehr persönliche Spurensuche.

Frage: Sie sagen es: Sie waren mit einem E-Bike auf überwiegend gut ausgebauten Radwegen und Straßen unterwegs. Trotzdem war auch Ihre Reise sicher kein Spaziergang. Was waren die größten Herausforderungen?

Fecke: Herausfordernd waren vor allem die Bahnfahrten zu und von den einzelnen Etappen. Es war teilweise schwierig, in den gewünschten Zügen einen Platz für das Fahrrad zu bekommen und wie geplant ans jeweilige Ziel zu kommen – gerade bei den Fahrten mit der Deutschen Bahn. Zum Startpunkt der letzten Etappe sind meine Frau und ich deshalb mit dem Camper gefahren. Mit Blick auf mein Fahrrad hatte ich aber Glück: Bis auf ein paar abgefahrene Bremsbeläge hatte ich unterwegs keine größeren Pannen.

„Ein besonderer Höhepunkt war natürlich die Ankunft in Rom – ausgerechnet am Tag der Amtseinführung von Papst Leo XIV.“

—  Zitat: Stefan Fecke

Frage: Und welche besonderen spirituellen Erlebnisse hatten Sie unterwegs?

Fecke: Eindrucksvoll waren vor allem die Gottesdienste, an denen ich unterwegs teilgenommen habe. Etwa in Marburg, wo zufällig ein Gottesdienst für Pilger stattfand. Das waren zwar vor allem Pilger, die auf dem Elisabethweg unterwegs waren, ich habe mich aber trotzdem angesprochen gefühlt. Und klar: Ein besonderer Höhepunkt war dann natürlich die Ankunft in Rom – ausgerechnet am Tag der Amtseinführung von Papst Leo XIV.

Frage: Das war purer Zufall, dass Sie genau an diesem Tag in Rom angekommen sind, oder? Denn geplant hatten Sie Ihre Reise ja wahrscheinlich schon lange vor dem Tod von Papst Franziskus und der Wahl seines Nachfolgers.

Fecke: Ja, das war tatsächlich purer Zufall. Als ich die letzte Etappe konkret geplant habe, war Franziskus zwar gesundheitlich schon angeschlagen, mit seinem Tod war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht zu rechnen. Nachdem er dann am Ostermontag gestorben war, habe ich das weitere Geschehen im Vatikan aber natürlich sehr genau verfolgt. Zwar war mir relativ schnell klar, dass ich es zum Konklave nicht rechtzeitig nach Rom schaffen würde – eine Ankunft am Tag der Amtseinführung war dann aber ein realistisches Ziel, das ich tatsächlich auch erreicht habe. Am Abend vorher sind wir auf einem Campingplatz etwas außerhalb von Rom angekommen und dann am nächsten Morgen direkt in die Stadt gefahren.

Frage: An einem normalen Tag hätten Sie mit Ihrem Fahrrad sicher bis auf den Petersplatz fahren können. Das war an diesem besonderen Tag aber vermutlich nicht möglich, oder?

Fecke: Nein, das Fahrrad musste ich außerhalb der eingerichteten Sicherheitszonen abstellen. Meine Frau und ich haben uns dann zu Fuß einem der zahlreichen Pilgerströme angeschlossen, und wir sind sogar ganz nah an die die Wegtrecke heran gekommen, die Papst Leo dann später mit dem Papamobil entlanggefahren ist

Frage: Der krönende Abschluss Ihrer Pilgerreise. Welchen Eindruck hat Leo XIV. denn bei der Vorbeifahrt und während der Amtseinführung auf Sie gemacht?

Fecke: Er wirkte offen und freundlich. Man konnte spüren, dass ihn insbesondere der Moment, als ihm der Fischerring an den Finger gesteckt wurde, sehr bewegt hat. Mein erster Eindruck von ihm war durchweg positiv.

Bild: ©privat

Nach der Ankunft in Rom: Stefan Fecke mit seiner Frau Sabine auf dem Petersplatz.

Frage: Hat die Pilgerreise Ihren Blick auf Ihren Glauben oder die Kirche verändert?

Fecke: Nein, nicht grundlegend. Aber natürlich macht so eine Reise immer etwas mit einem. In den nächsten Wochen will ich mich daran machen, die Fotos von der Reise zu sortieren und dann auch ein Fotobuch zu gestalten. Das wird sicher eine gute Gelegenheit sein, die ganze Reise noch einmal in Ruhe Revue passieren zu lassen.

Frage: Die Romfahrt war Ihre erste richtige Pilgerreise. Können Sie sich nach dieser Erfahrung vorstellen, bald die nächste Reise dieser Art in Angriff zu nehmen?

Fecke: Auf jeden Fall. Konkrete Pläne habe ich zwar noch nicht, aber ein paar Ideen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, irgendwann noch den Rückweg von Rom nach Hause mit dem Fahrrad zu fahren – und das dann tatsächlich an einem Stück. Eine Bekannte von meiner Frau und mir ist zudem schon mal den Jakobsweg nach Santiago de Compostela gegangen. Das könnte ich mir auch vorstellen.

Frage: Was denken Sie: Wird es in 100 Jahren wieder einen Fecke geben, der sich – nicht nur auf den Spuren Ihres Opas, sondern dann auch auf Ihren Spuren – mit dem Fahrrad auf den Weg nach Rom machen wird?

Fecke: Da wage ich keine Prognose. Ich würde mich natürlich freuen, aber miterleben werde ich das ohnehin nicht mehr (lacht).

Von Steffen Zimmermann