Pilgern auf den Spuren der heiligen Elisabeth von Thüringen
In Thüringen und Hessen sind Jakobswege und Elisabethpfade miteinander verbunden. Die Pilgerwege beginnen oder enden an den gleichen Orten, die Strecken laufen teilweise auf verschiedenen oder gleichen Pfaden. Im ersten Moment etwas verwirrend vielleicht, aber gut gekennzeichnet, versprechen alle Wege ein schönes Pilgererlebnis.
Die Elisabethpfade wurden ursprünglich als Fernwanderwege in Hessen angelegt, um den Pilgernden die Möglichkeit zu geben, sich auf ihrer Reise der Landgräfin aus dem Mittelalter mit ihrer tiefen Frömmigkeit anzunähern. Ziel aller Pfade ist die Elisabethkirche in Marburg, wo sich das Grab der Heiligen Elisabeth von Thüringen (1207-1231) befand. Während der Reformation wurde der Schrein mit ihren Reliquien zerstört. Was an Reliquien gerettet werden konnte, wird heute im Wiener Elisabethinenkloster aufbewahrt. Einige wenige Knochenpartikel befinden sich noch immer in der Kirche in Marburg, der Schrein selber ist mit Szenen aus Elisabeths Leben geschmückt.
Der älteste Elisabethpfad ist der ab 1994 gekennzeichnete Weg von Frankfurt-Sachsenhausen nach Marburg. Als erste Teilstrecke dieses Weges wurde die Route vom Kloster Altenberg nach Marburg markiert. In dem ehemaligen Prämonstratenserinnenkloster war Gertrud (1227–1297), die Tochter der heiligen Elisabeth, für 49 Jahre die Meisterin des Ordenskonvents. Auf jetzt 150 Kilometern hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau damit den ersten kirchlichen Pilgerweg in Deutschland geschaffen. Im umgekehrten Verlauf soll ein Jakobsweg entstehen, der über Gießen verlaufen wird, während der Elisabethpfad durch Wetzlar geht. Dafür verantwortlich ist die Hessische St. Jakobusgesellschaft e.V.
Die heilige Elisabeth hatte während ihres kurzen Lebens keinen offensichtlichen Bezug zu Köln. Von daher mag es verwundern, dass einer der Elisabethpfade vom Kölner Dom zur Elisabethkirche nach Marburg führt. Der 165 Kilometer lange Weg wurde 2007, zum 800. Geburtstag der Heiligen, eingeweiht. Er ist im umgekehrten Verlauf als Jakobsweg gekennzeichnet. Jakobswege verlaufen von Deutschland aus immer westlich oder südwestlich, da sie sich auf das Grab des Heiligen Apostels Jakobus des Älteren ausrichten. Sein Grab befindet sich in der Kathedrale von Santiago de Compostela in Nordspanien. Die beiden Elisabethpfade sowohl von Frankfurt als auch von Köln aus verlaufen nördlich beziehungsweise östlich.
Der Verein Elisabethpfad e.V., der sich der Kennzeichnung und Pflege der drei Wege verschrieben hat, erklärt, warum ein Weg zwischen Köln und Marburg trotz des fehlenden Bezugs von Elisabeth zu Köln sinnvoll ist. "Köln und Marburg sind verbunden durch den Stern. Der Stern, dem die Weisen aus dem Morgenland gefolgt sind, ragt über der Vierung des Kölner Doms auf, während im Dom die Gebeine der Heiligen Drei Könige im Goldenen Schrein ruhen. Im Gegensatz dazu steht der Stern, von dem der Seher Klingsor geweissagt hatte, dass er aufgehen werde über Ungarn." Klingsor, eine mystische Zaubergestalt der mittelhochdeutschen Literatur, hat der Legende nach die Geburt der Königstochter Elisabeth prophezeit. Dieses Ereignis kann man in der Elisabethkemenate auf der Wartburg bei Eisenach bestaunen. Der Raum, der früher sehr wahrscheinlich das mittelalterliche Frauengemach der Wartburg war, stellt mit großen Glasmosaiken an den Wänden wichtige Ereignisse aus dem Leben der heiligen Elisabeth dar. "Der Stern der Heiligen ziert nun den Nordturm der Elisabethkirche in Marburg – als Hinweis auf Christus den Morgenstern und auf Elisabeth, in deren Namen die sieben Zacken angedeutet sind (sabeth=sieben). Was sich daraus an spirituellen Verbindungslinien ergibt, denen man alleine oder als Gruppe folgen kann, versuchen wir anzudeuten und zu entfalten", so die Macher des Elisabethpfads.
Die geschichtsträchtigste und auch längste Strecke beginnt an der Wartburg. Der knapp 200 Kilometer lange Weg führt durch die malerische Landschaft Thüringens und Hessens, vorbei an idyllischen Dörfern, üppigen Wäldern und sanften Hügeln. Der Jakobsweg verläuft zum Teil auf den gleichen Wegen, oft aber etwas versetzt, wobei der Elisabethpfad meist längere Tagesetappen mit mehr Höhenmetern bereithält als der Jakobsweg. Dafür ist man auf den Spuren der Heiligen eher in Wäldern und auf unbefestigten Wegen unterwegs, während der Jakobsweg oft auch mit dem Fahrrad problemlos gepilgert werden kann. Beide Wege sind gut gekennzeichnet.
Bevor man sich von Eisenach auf den Weg zum ersten Etappenziel, die Creuzburg, macht, ist es sinnvoll, eine Übernachtung in Eisenach einzuplanen und sich die Wartburg in Ruhe anzuschauen. Die mittelalterliche Höhenburg aus dem 11. Jahrhundert ist nicht nur der Ort, an dem Elisabeth aufwuchs. Hier hat Martin Luther 1521 bis 1522 das Neue Testament ins Deutsche übersetzt und damit die Grundlagen für eine einheitliche deutsche Schriftsprache geschaffen. So sind hier neben den Wegzeichen Jakobsweg und Elisabethpfad auch die Zeichen des Lutherwegs zu finden. Seine Schreibstube ist auf der Burg genauso zu sehen wie die schon erwähnte Elisabethkemenate. Eisenach selber bietet einen Elisabeth-Rundgang mit elf Stationen an. So kommt man zum Elisabethplan, wo sie unterhalb der Burg in der Zeit der schweren Hungersnot 1226 ein Hospital gründete. In der Stadtkirche St. Georgen wurde sie vermählt, die evangelische Stadtkirche und Stift St. Annen wurden von ihr gegründet. Allerdings wurde diese Kirche mehrfach umgebaut. Die Elisabethkirche in Eisenach stammt erst aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, zeigt aber einige schöne Elisabethfiguren.
Die erste Etappe von Eisenach aus endet nach 17 Kilometern in Creuzburg. Parallel mit dem Jakobsweg gelangt man zuerst nach Hörschel, wo ein Anfang beziehungsweise Ende des Rennsteigs ist, ein 170 Kilometer langer, sehr bekannter Weitwanderweg. Entscheidet man sich, weiterhin dem Elisabethpfad treu zu bleiben, kommt alsbald die alte Werrabrücke von Creuzburg in den Blick.
Als Steinbrücke 1223 unter Landgraf Ludwig, dem Ehemann Elisabeths, erbaut, steht sie an strategisch wichtiger Stelle. Sie verband Thüringen und Hessen und bot einen sichereren Gang über die Werra auf der alten Königsstraße Via Regia. Die Burg, die dem Ort den Namen gab, war eine der Landgrafenburgen und damit auch Aufenthaltsort von Elisabeth und Ludwig. Der Überlieferung nach soll Bonifatius, der Apostel der Germanen, auf dem heutigen Burgberg ein Kreuz errichtet haben, das heute wieder den Burghof schmückt und der Stadt den Namen gab. Hier gebar Elisabeth ihren Sohn Hermann II., der auf der Creuzburg als Landgraf mit 19 Jahren ums Leben kam. Während DDR-Zeiten lag Creuzburg durch die direkte Nähe zur innerdeutschen Grenze im Sperrgebiet, was den Bewohnern einiges an Beschränkungen abverlangte.
Bis zum hessischen Luftkurort Spangenberg, der früher an der Handelsstraße "die langen Hessen" lag, auf der auch Martin Luther reiste, geht es durch viele kleine Dörfer und durch den Thüringer Wald. Ab Lüderbach ist man in Nordhessen unterwegs. Erschwerend für das Wohl der Pilgernden ist, dass es in den Siedlungen mit wenigen Häusern kaum Einkehr- oder Einkaufsmöglichkeiten gibt. Auch in den kleinen Orten an den Etappenenden wie Rhörda oder Waldkappel sind Gaststätten oder Restaurants Mangelware. Es kann vorkommen, dass man nach einem langen Pilgertag mit Pizza oder Döner vorliebnehmen muss oder gleich eine Fastenwanderung macht. Gut beraten ist, wer etwas Proviant im Rucksack mit sich führt. Das Versorgungsproblem besteht nicht nur auf dem Elisabethpfad, sondern in vielen ländlichen Gegenden in Deutschland. Größere Städte und somit auch gute Möglichkeiten zum Einkaufen und Einkehren sind auf dem weiteren Weg in Homburg/Efze, Schwalmstadt oder Kirchhain vorhanden.
Wunderschön ist es, in den vielen kleinen und größeren Kirchen und Kapellen am Wegesrand eine Rast einzulegen und darüber nachzusinnen, warum man sich auf Pilgerreise befindet. In manchen der Kirchen gibt es Stempelstellen. Vom Verein Elisabethpfad kann man einen Pilgerausweis und die Pilgerführer für die jeweiligen Pfade erwerben.
Dem Verein Elisabethpfad e.V. ist es gelungen, einige Pilgerherbergen auf dem Weg anzubieten. So kann man in Waldkappel direkt gegenüber der Kirche im evangelischen Gemeindehaus sein Nachtlager beziehen. Im Vorratsraum neben der Küche stehen sogar kostenlos Lebensmittel für die Pilgernden bereit. Auch in anderen Orten wie Creuzburg, Dagobertshausen oder Homburg sind Herbergen vorhanden. Vor den Toren Marburgs führt der Weg vorbei an einer ehemaligen Pilgerherberge, die früher von Jakobspilgern und Pilgernden des Elisabethpfades genutzt wurde. An den Erkern am Eingang ist Jakobus mit Muschel und Pilgerhut zu sehen, Elisabeth ist als Wohltäterin dargestellt. Ein schönes Bild der Verbindung beider Wege und Heiligen.
Hinweis
Der Text erschien zuerst im Magazin "Der Pilger" (Sommermagazin 2024).