"Können Sie uns segnen?"
Unter seinen syrischen Gesprächspartnern erlebte Koch eine "große Ablehnung" des Dikators Assad, wie er anschließend berichtete. Und ebensolches Unverständnis für den Vorschlag von "Mutter Merkel", Verhandlungen mit dem verhassten Gewaltherrscher um des Friedens willen nicht mehr auszuschließen. "Da habe ich erklärt, warum die Kanzlerin das ins Gespräch bringt", sagte Koch zu seiner ungewöhnlichen Rolle.
"Schwer wird es für die, die zurückmüssen"
Solche tagespolitischen Themen blieben gleichwohl die Ausnahme bei der gut zweistündigen Visite, bei der Koch mit den Bewohnern zu Mittag aß. Zur Sprache kamen vor allem die Einzelschicksale der Flüchtlinge aus fast allen Krisenregionen dieser Welt. "Hinter jeder Zahl steht ein Mensch", rief Koch in Erinnerung. "Besonders schwer wird es für diejenigen, die auf den Balkan zurückmüssen", schloss er dabei auch die sogenannten "Wirtschaftsflüchtlinge" ein.
Besonderen Eindruck hinterließen bei ihm jedoch die Familien. "Einige Kinder sind erst hier geboren", erfuhr der hohe Gast. "Das sind schon echte Berliner, die Stadt ist ihre Heimat." Für seine Kirche nahm der katholische "Familienbischof" auch einen konkreten Auftrag mit: "Wir müssen unsere Familienangebote auch auf Flüchtlinge einstellen, da kommt einiges auf uns zu." Erstaunt war der Erzbischof über die vielen beruflichen Qualifikationen der Asylsuchenden: "Elektriker, Friseure, Buchhalter, alles lernfähige junge Leute", warb er.
Ein großes Lob parat hatte Koch auch für die "Welle der Barmherzigkeit" aus der Nachbarschaft, von der ihm die Heimbewohner berichteten. Über 60 ehrenamtliche Helfer unterstützen die elf hauptamtlichen Caritas-Mitarbeiter. Daran hat sich seit Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung im vergangenen Dezember nichts geändert, wie Alexander Grafe, der Regionalgeschäftsführer der St. Hedwig Kliniken Berlin, versicherte. Untergebracht ist das Heim in einem früheren Bettenbau des katholischen Hedwigskrankenhauses. "Es gibt nicht mal Schmierereien an den Wänden", bestätigte Schwester Waltraud von der Gemeinschaft der Borromäerinnen, die das renommierte Krankenhaus 1846 gründeten.
Eine Bitte bewegt den Erzbischof
Für die Flüchtlinge hatte der Krankenhausträger, die Alexianer GmbH, der Caritas einen Seitenflügel unentgeltlich zur Verfügung gestellt und Umbaupläne verschoben. Nun können die Bewohner nur noch wenige Tage bleiben, doch ihre nächste Bleibe steht bald bereit. Die Berliner Caritaschefin Ulrike Kostka versicherte, dass der Wohlfahrtsverband ein früheres Seniorenheim im Wedding als Flüchtlingsunterkunft umgebaut hat.
Dieses Engagement wird durchaus registriert. "Können Sie uns segnen?", fragte eine junge Familie den Erzbischof. "Das Gottvertrauen in der Stadt wird durch solche Menschen steigen", kommentierte Koch die unerwartete Bitte sichtlich bewegt.