Priester werden – aber nur, wenn sich die Kirche ändert?
Die Initiative "offen.katholisch", die 2022 von jungen Katholikinnen und Katholiken aus dem Bistum Dresden-Meißen gegründet wurde, setzt sich für eine vielfältige, inklusive und diskriminierungsfreie Kirche ein. Sie fordert insbesondere die Ehe für alle und das Frauenpriestertum. Bekannt geworden ist die Gruppe durch einen offenen Brief an Bischof Heinrich Timmerevers sowie die Petition "Liebeserklärung an eine Kirche für alle".
Aktuell läuft ihre Instagram-Aktion "Priester*innen-Bewerbung". Offen.katholisch hatte dazu aufgerufen, in einem kurzen Video folgende Frage zu beantworten: "Was müsste sich ändern, damit du in Erwägung ziehen würdest, Priester*in zu werden?" Bisher hat die Gruppe um die 30 Rückmeldungen bekommen, vier Videos sind bereits auf dem Kanal zu sehen. Alle zwei Tage erscheint ein weiteres. Josy Henning (22), eine der vier Initiatoren der Aktion, berichtet im Interview, was dahintersteckt.
Frage: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Bewerbungen für das Priesteramt auf Instagram zu veröffentlichen?
Henning: Tatsächlich gab es eine ähnliche Aktion von dem Instagram-Account "@meingottdiskriminiertnicht". Neun Theologiestudentinnen haben sich beim Freiburger Priesterseminar beworben. Die Initiative hat ein Video dazu gemacht, wie sie die Bewerbungen überreichen. Das ging ziemlich viral. So sind wir auf die Idee für unsere Aktion gekommen. Sie baut sozusagen darauf auf.
Frage: Was hat Sie so an diesem Video inspiriert?
Henning: Einfach dieser Mut, sich wirklich zu bewerben, obwohl man es nicht darf. Wir haben auch überlegt, ob wir offizielle Bewerbungen bei den Priesterseminaren einreichen sollen. Aber wir haben uns dafür entschieden, nur bei den Videos zu bleiben.
Zusammen mit drei weiteren Mitgliedern der Initiative offen.katholisch hat Josy Henning die Instagram-Aktion "Priester*innen-Bewerbung" gestartet.
Frage: Wie organisiert Ihre Gruppe solche Aktionen?
Henning: Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit 46 Mitgliedern aus ganz Deutschland. Jeder, der möchte, kann dieser Gruppe beitreten. Und wenn dann jemand eine Idee hat, dann schreibt man einfach in die Gruppe: Hey, habt ihr Lust, da mitzumachen? Ich plane da etwas. Bei dieser Aktion haben wir uns zu viert zusammengetan und die Aufgaben untereinander aufgeteilt.
Frage: Was ist das Ziel der Aktion?
Henning: Bei dieser Aktion geht es um Sichtbarkeit. Wir wollen einfach zeigen, wie viele Menschen es gibt, die sich ein Priestertum für alle wünschen. Und dass es viele Menschen gibt, die Priester oder Priesterin werden würden, wenn die Kirche etwas ändert. Also auch als ein Zeichen für die Kirchen, wenn man an den Priestermangel denkt. Und vor allem finden wir es schön, dass man die persönlichen Geschichten hinter der Forderung – Priesteramt für alle – sieht.
Farge: Zum Beispiel?
Henning: Es gibt zum Beispiel einige Männer, die gesagt haben, sie wollen kein Priester werden, weil sie es unfair finden, dass Frauen keine Priesterinnen werden können. Sie wollen das System nicht unterstützen. Oder ältere Frauen, die davon berichten, dass sie ihr Leben lang in der Kirche engagiert sind, eine Berufung zum Priesteramt spüren und darunter gelitten haben, dass ihnen dieser Wunsch verwehrt blieb. Man merkt ihnen teilweise wirklich an, wie sehr sie das mitgenommen hat.
Frage: Was für Menschen haben bei den Videos mitgemacht?
Henning: Von Jugendlichen, die noch zur Schule gehen, bis hin zu älteren Menschen, die in Rente sind, ist alles dabei. Wir haben mehr Videos von Frauen bekommen, aber auch ein paar Männer sind dabei. In der Regel sind alle, die mitgemacht haben, kirchlich engagiert.
„Wir erhoffen uns, dass sich in der Kirche etwas ändert. Aber wir wissen auch, dass es unrealistisch ist, dass unserer Forderungen in absehbarer Zeit umgesetzt werden.“
Frage: Wie steht das Bistum Dresden-Meißen zu der Aktion?
Henning: Das Bistum und der Bischof kennen unsere Initiative seit dem Brief, den wir an ihn geschrieben haben. Bisher waren sie uns gegenüber neutral eigestellt. Auch zur aktuellen Aktion gab es bisher keine Kritik.
Frage: Gab es anderweitig Kritik?
Henning: Bisher nicht. Aber wir stellen unter den Videos aber auch die Kommentarfunktion aus. Wir wollen nicht, dass die Menschen, die bei der Aktion mitgemachen, durch unsachliche oder beleidigende Kommentare verletzt werden. Sie und ihre Geschichten sollen im Fokus stehen.
Frage: Wie geht es mit der Aktion weiter?
Henning: Wir wollen erstmal schauen, was so passiert. Ein konkretes Ende der Aktion haben wir noch nicht geplant. Wer uns noch ein Video schicken möchte, kann das gerne tun.
Frage: Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit solchen Aktionen etwas erreichen?
Henning: Wir erhoffen uns, dass sich in der Kirche etwas ändert. Aber wir wissen auch, dass es unrealistisch ist, dass unserer Forderungen in absehbarer Zeit umgesetzt werden. Aber wir sehen dann immer die kleinen Erfolge. Zum Beispiel wenn jemand schreibt, dass es ihm genauso geht, dass er sich in den Videos wiederfindet und sie ihm Hoffnung geben. Das motiviert uns, weiterzumachen.
