Weltweite Aufmerksamkeit für Ordensfrauen aus Österreich

Experten erklären den Hype um die Klosterbesetzer-Nonnen

Veröffentlicht am 27.09.2025 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Mehr als 50.000 Follower in Rekordzeit und großer Medienrummel im Alpenland: Drei Senioren-Nonnen aus Österreich gehen derzeit viral. Experten erklären, warum ihre Story das Netz bewegt – und was jetzt passieren könnte.

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Drei betagte Nonnen aus Österreich haben vor einigen Wochen ihr Altersheim verlassen und ihr altes Kloster Goldenstein bei Salzburg besetzt. Damit haben die Frauen weltweit Schlagzeilen gemacht. Bei der Rückkehr ins Kloster, gegen den Willen ihres Vorgesetzten, halfen ehemalige Schülerinnen. Gemeinsam mit ihren Unterstützerinnen teilen die Ordensfrauen seit Mitte September ihren Alltag auf Instagram: beim Beten, Essen oder Treppensteigen ohne Lift. Mehr als 50.000 Menschen folgen ihnen über die Sozialen Medien – und die Schwestern selbst staunen über den unerwarteten Hype.

Die Aufmerksamkeit, die Schwester Bernadette (88), Schwester Regina (86) und Schwester Rita (81) derzeit auf sich ziehen, führt Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim vor allem auf die internationale Berichterstattung zurück: "Die Berichterstattung über die Ordensfrauen erklärt, warum ein neuer Social-Media-Account innerhalb weniger Tage mehrere tausend Follower gewinnt und weshalb die Kommentare so stark international geprägt sind", sagt er.

"Der Account wirkt etwas dubios"

Nach Schweigers Einschätzung sprechen die Postings eher ältere Menschen an: "Ich vermute, dass viele Follower selbst in fortgeschrittenem Alter sind und die Nonnen aus Neugier oder Solidarität unterstützen." Für jüngere Zielgruppen sei dagegen wenig Relevantes dabei. Wer dem Account trotzdem folge, interessiere sich vermutlich eher für die ungewöhnliche Geschichte als für Glauben oder Kirche, so der Kommunikationswissenschaftler.

Insgesamt zeigt sich Schweiger vom Social-Media-Erfolg der Nonnen überrascht. Vor allem, weil er die Gestaltung des Instagram-Profils wenig überzeugend findet: "Der Account wirkt etwas dubios – professionell gemacht ist er jedenfalls nicht." Entsprechend hält er den Erfolg eher für ein Strohfeuer als für nachhaltig.

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Um auf TikTok oder Instagram viral zu gehen, brauche es vor allem die Verbreitung einzelner besonders erfolgreicher Videos, sagt Schweiger. "Viralität entsteht durch Überraschung und Emotionalisierung. Das ist im Fall der Nonnen zwar gegeben – ob es langfristig trägt, ist allerdings fraglich." Auf Social-Media-Plattformen bleibe man sichtbar, wenn Nutzerinnen und Nutzer auch über längere Zeit mit den Inhalten interagierten, so der Experte. "Ich bezweifle, dass das hier in größerem Umfang geschieht."

Die Berliner Professorin und Alterspsychologin Eva-Marie Kessler sieht in den Klosterbesetzer-Nonnen weit mehr als nur ein Social-Media-Phänomen. Kessler erforscht unter anderem die mediale Darstellung von Alter in Medien.

Nonnen unterlaufen gesellschaftliche Erwartungen

"Was die Nonnen für viele Menschen spannend macht, ist wahrscheinlich, dass sie gleich mehrere Altersstereotype gleichzeitig bedienen und sie zugleich durchbrechen", sagt Kessler. Sie erfüllten das klassische positive Bild alter Menschen: liebevoll, traditionell, gütig. Gleichzeitig werde auf Instagram aber auch die Gebrechlichkeit der Ordensfrauen gezeigt und dass sie auf Hilfe angewiesen sind – ein Merkmal, das häufig negativ mit Alter verknüpft werde.

Interessant sei vor allem, dass die Nonnen auf Instagram gesellschaftliche Erwartungen an alte Menschen, vor allem an hochaltrige Frauen, unterlaufen: "Sie beanspruchen Raum, treten in die Öffentlichkeit und setzen sich für sich und ihre Rechte ein. Damit brechen sie mit der präskriptiven Altersnorm, wonach man als ältere Frau zurückgenommen und bescheiden sein, sich zurückziehen und nicht zur Last fallen soll." Das schaffe "intergenerationelle Solidarität", so Kessler.

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Gerade dieser Bruch wecke Faszination: "Mut trotz Gebrechlichkeit – das erzeugt Aufmerksamkeit und macht die Schwestern zu Projektionsflächen für ganz unterschiedliche Altersbilder", so Kessler. Grundsätzlich eröffne Social Media neue Möglichkeiten für ältere Menschen, sich selbst oder mit Unterstützung von Jüngeren in Szene zu setzen. Darin sieht die Expertin einen Unterschied zu klassischen Medien: "Bei Film und Fernsehen ist das anders. Dort kommen Ältere meist in negativen Klischees vor – oder sie werden übertrieben fit und aktiv dargestellt."

Dass ältere Menschen in klassischen Medien wenig präsent sind, sei problematisch, betont Kessler: "In Talkshows, Filmen oder Serien kommen sie selten vor. Und wenn, dann eher als gebrechliche Masse – etwa während der Pandemie, wo sie oft anonym als 'vulnerable Gruppe' dargestellt wurden."

Expertin warnt vor Schattenseiten

Gleichzeitig warnt die Expertin vor einer Schattenseite: "Sofern ältere Menschen ohne eigenen Einfluss medial inszeniert werden, besteht die Gefahr, dass sie vereinnahmt oder instrumentalisiert werden."

Insgesamt zeige die Geschichte der drei Nonnen, dass durch mediale Darstellung starre Altersnormen ebenso gut ins Wanken geraten können. "Die Schwestern und ihre Unterstützerinnen demonstrieren, dass Alter nicht nur Rückzug bedeutet, und sich ältere Menschen für ihre Rechte engagieren. Damit rühren sie an ein wichtiges gesellschaftliches Thema: die Frage, wie wir über Altern sprechen – und vor allem welche Rolle ältere Frauen dabei spielen."

Wie lange das Interesse und die Medienpräsenz rund um die Nonnen von Goldenstein anhält, ist offen. Glaubt man den Frauen auf Instagram, könnte der Social-Media-Erfolg der Ordensfrauen nicht die einzige Überraschung bleiben.

Von Benedikt Heider (KNA)