Carina Adams über das Sonntagsevangelium

Der ungerechte Richter – Wann hilft uns Gott?

Veröffentlicht am 18.10.2025 um 12:10 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ Gott der Richter – ein bekanntes Bild der Bibel. Carina Adams fragt sich zum Sonntagsevangelium: Warum schreitet Gott nicht ein? Was ist das richtige Handeln bei himmelschreiender Ungerechtigkeit? Und ist Gott hier überhaupt der Richter?

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Dieses Gleichnis ist echt schwer zu verstehen. Es beginnt: "In einer Stadt lebte ein Richter". Sofort ist der Gedanke da: "Aha, Gott – Richter – schon verstanden, Jesus. Gott ist wie der Richter!" Aber dann handelt dieser Richter im Evangelium nur, weil er Angst davor hat, dass ihm die Witwe ins Gesicht schlägt? Das wäre wohl ein merkwürdiges Gottesbild.

Aber was meint Jesus dann? Die Witwe erfährt Unrecht und wendet sich an die Person, die ihr sozusagen "aus beruflichen Gründen" helfen müsste. Und als sie von dieser Person keine Hilfe erfährt, wäre es nur allzu verständlich, dass sie verzweifeln würde. 

Ich kenne das Gefühl: alles richtig gemacht und trotzdem bleibt die Situation unfair. Die Witwe, die in ihrer Zeit noch mehr als heute in einer ungeschützten Lebenssituation ist, gibt aber nicht auf. Sie bleibt hartnäckig und setzt sich für ihr Recht ein. Sie weiß: Gott hat mich nicht verlassen, weil der Richter ungerecht ist. Sie lässt nicht locker und findet glücklicherweise ihr Recht.

Nicht immer gehen solche Geschichten gut aus, oder? Viele Menschen erfahren, dass trotz aller Hartnäckigkeit eine Situation ungerecht bleibt. Jesus sagt in diesem Gleichnis deutlich: Gott wird seinen Kindern "unverzüglich ihr Recht verschaffen". Hat also einer, der Unrecht erfährt, nicht genug geglaubt, nicht hartnäckig genug für das eigene Recht gekämpft? Vorsicht! Kapitel 18 des Lukasevangeliums ist hier bei weitem nicht abgeschlossen und endet mit der dritten Ankündigung Jesu von seinem Leiden, Tod und seiner Auferstehung. Selbst Jesus erfährt Ungerechtigkeit. Doch der springende Punkt ist die Auferstehung, von der Jesus auch am Ende dieses Gleichnisses spricht: "Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?" 

In diesem Gleichnis geht es um die sogenannte "Parusie", also die Wiederkunft Jesu. Ja, Gott wird seinen Kindern “unverzüglich ihr Recht verschaffen”. Doch es ist in keiner Weise eine irdische Gerechtigkeit, die wir an juristischen Maßstäben messen können. Vermutlich ist es auch keine Bestrafung, wie sie sich das Mittelalter mit dem Fegefeuer vorstellte. Auch das wären nämlich ziemlich (unter-)irdische Maßstäbe.
Bis der Menschensohn wiederkommt, werden wir also weiterhin manchmal Ungerechtigkeit erleiden. Also was tun?

"In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten." Hände in den Schoß und Abkehr von der jetzigen Welt? Auf keinen Fall! Das Gebet gibt die Stärke zum Aushalten der Ungerechtigkeit. Und nicht vergessen: Die Witwe im Gleichnis lässt ihren Widersacher nicht in Ruhe und hat am Ende Erfolg.

Aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 18,1–8)

In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:

In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!

Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.

Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?

Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?

Die Autorin

Carina Adams ist studierte Theologin und Redakteurin bei katholisch.de.

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