Wie der Klimawandel alte Kirchen bedroht
Der Klimawandel ist längst keine ferne Bedrohung mehr. Er findet statt – sichtbar, spürbar und messbar. Doch seine Folgen zeigen sich weltweit auf sehr unterschiedliche Weise: Während in einem Teil der Erde Überschwemmungen, Stürme und der Anstieg des Meeresspiegels das Leben erschweren, kämpfen andere Regionen mit Dürren und Hitzewellen.
Besonders auffällig zeigt sich der Klimawandel unter anderem dort, wo die Temperaturen stetig neue Rekorde erreichen. In Südeuropa, Nordafrika, Teilen Nordamerikas und Asiens werden Hitzewellen häufiger, länger und intensiver. Aber auch in Deutschland hat sich die Zahl der heißen Tage mit über 30 Grad in den vergangenen Jahrzehnten verdoppelt. Und das hat Auswirkungen: auf Menschen, Tiere, Pflanzen – und zunehmend auch auf historische Bauwerke wie zum Beispiel Kirchen.
Klimabedingte Schäden an historischen Kirchendecken in Sachsen
So berichtete der MDR vor einiger Zeit über teils unumkehrbare klimabedingte Schäden an historischen Decken in evangelischen Kirchen in Sachsen. In der Kirche im Dresdner Stadtteil Leubnitz-Neuostra seien etwa in der erst kurz zuvor restaurierten, reich bemalten Kassettendecke aus dem 17. Jahrhundert Risse entdeckt worden, die auf anhaltende Hitze und Trockenheit zurückzuführen seien. Man beobachte geschrumpfte Holzträger, was auf dem Holz angebracht sei, werde damit zu groß, so Restauratorin Katja Matauschek. Und weiter: "Für bemalte Objekte bedeutet das, dass die Farbe auch in kleine Schollen zerbricht, dass sie sich vom Untergrund lockert, weil das Holz sich immer hin und her bewegt." Besonders, wenn im Sommer die Feuchtigkeit fehle, mit dem sich das Holz sättigen kann, komme es zu Lockerungen und Rissen.
„Wir sehen, dass die Extreme zunehmen – längere Hitzeperioden, stärkere Niederschläge. Das wirkt sich natürlich auch auf Gebäude aus.“
Wie sieht es diesbezüglich in katholischen Bistümern aus? Auch dort stehen schließlich tausende historische Kirchen, viele von ihnen denkmalgeschützt, manche seit Jahrhunderten kaum verändert. Werden sie nun ebenfalls zu Leidtragenden der immer weiter fortschreitenden Erderwärmung?
"Ein Thema, das in den vergangenen Jahren verstärkt aufgetreten ist, betrifft den Baugrund", sagt Ivo Herrmann, Baudirektor des Bistums Eichstätt. "Durch längere Trockenperioden verliert der Boden an Volumen, Gebäude setzen sich. Auch Hohlräume oder Risse im Untergrund spielen dabei eine Rolle." Im Bistum gebe es bereits einzelne Kirchen, bei denen Türme absackten und Risse entstünden. "Um das zu verhindern, müsste man den Untergrund stabilisieren – zum Beispiel durch Injektionen oder neue Fundamentierungen. Das sind sehr aufwendige und kostspielige Maßnahmen, und der Denkmalschutz setzt zusätzliche Grenzen", so der Baudirektor. Als weiteres Problem kämen immer stärkere Unwetter hinzu: "Vor allem Starkregen und Stürme belasten Dächer und Fassaden. Bei Neubauten kann man technisch vorsorgen, bei historischen Gebäuden ist das deutlich schwieriger."
"Wir sehen, dass die Extreme zunehmen"
Ähnliche Beobachtungen machen auch Fachleute im Erzbistum Freiburg. "Wir sehen, dass die Extreme zunehmen – längere Hitzeperioden, stärkere Niederschläge. Das wirkt sich natürlich auch auf Gebäude aus", sagt Benedikt Schalk, stellvertretender Leiter des Referats Umwelt und Energie in der Erzdiözese. In rund 1.000 Kirchen zwischen Odenwald und Hochrhein läuft inzwischen ein Raumklimamonitoring. "Noch haben wir keinen breiten Befund, aber es gibt Entwicklungen, die eindeutig auf klimatische Veränderungen zurückgehen."
Sein Kollege Benedikt Gutmann, Leiter des Referats Bauwesen der Kirchengemeinden und Denkmalpflege, nennt konkrete Beispiele: "In Baden-Baden steht eine Kirche auf zwei verschiedenen Fundamenten, die sich durch jahrelange Trockenheit unterschiedlich gesetzt haben. Vermutlich hat die Grundwassersenkung zu Schäden geführt, die jetzt saniert werden müssen." In einem anderen Fall sei ein Kirchengebäude über Jahrhunderte hinweg ständig durchfeuchtet gewesen – "jetzt trocknet es aus, und gerade das verursacht Risse und Spannungen im Mauerwerk." Auch ein Pfarrhaus in Mannheim sei betroffen: "Der lehmige Boden trocknet aus, es kommt zu kleineren Setzungen und Rissen."
"Vor allem Orgeln mit ihren großen Holzflächen reagieren stark auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen", so Experte Benedikt Schalk.
Größere Sorgen bereitet laut den Experten das Innenklima: "Viele Kirchen wurden jahrhundertelang ohne Heizung genutzt, bis man in den 1960er/1970er-Jahren begann, sie zu temperieren. Warme Luft entzieht Feuchtigkeit – das schädigt Ausstattung und Kunstwerke", so Herrmann. Deshalb habe das Bistum Heiz- und Lüftungsempfehlungen erarbeitet.
Auch in Freiburg richtet sich der Blick auf empfindliche Materialien. "Vor allem Orgeln mit ihren großen Holzflächen reagieren stark auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen", erklärt Schalk. "Wenn diese stärker werden, kann das gravierende Auswirkungen haben." Zudem könnten sich durch den Klimawandel die Renovierungszyklen verkürzen, weil Dächer und Fassaden möglicherweise häufiger repariert werden müssen. "Das ist problematisch, weil wir sie eigentlich verlängern müssen – schon allein aus finanziellen Gründen."
Klimawandel als zusätzlicher, aber nicht entscheidender Faktor
Trotz der wachsenden Belastungen bleibt das Klima für viele kirchliche Bauämter bislang ein zusätzlicher, aber nicht der entscheidende Faktor. "Der Klimawandel verschärft vorhandene Herausforderungen – etwa bei Dachabdichtungen oder der Bodenfeuchte", sagt Herrmann. "Aber die eigentliche Belastung entsteht für uns durch die sinkenden Mitgliederzahlen. Weniger Kirchenbesucher bedeuten weniger Einnahmen, und gleichzeitig haben wir einen großen historischen Gebäudebestand, den wir erhalten müssen."
Auch Schalk sieht wachsenden finanziellen Druck: "Für Gebäude, die eine pastorale Zukunft haben, ist ausreichend Geld da – auch wenn es schwieriger wird. Der Klimawandel wird aber ein zusätzlicher Faktor, der unsere Ressourcen stärker beansprucht. Wir werden künftig nicht mehr alle Gebäude erhalten können."
„Bei Starkregen oder Stürmen werden wir künftig stärker auf Wasserableitung und Sturmsicherung achten müssen – doch das lässt sich nicht immer mit den Gegebenheiten alter Bausubstanz vereinbaren.“
Eichstätt und Freiburg setzen zunehmend auf vorbeugende Strategien. In Freiburg soll das bereits erwähnte Klimamonitoring helfen, Muster zu erkennen. "Wir wollen langfristig vorbeugend handeln", sagt Schalk. "Das Erzbistum Freiburg hat sich 2017 das Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Dazu gehört, den Energieverbrauch zu senken und CO2 zu reduzieren – bei gleichzeitiger Rücksicht auf empfindliche Innenausstattungen wie Orgeln. Das ist ein Balanceakt." Gutmann ergänzt: "Wir versuchen, die Kirchengemeinden zu regelmäßigen Begehungen ihrer Gebäude anzuhalten. Früher gab es in jeder Pfarrei Mesner oder Hausmeister, die jedes Detail kannten. Diese Strukturen sind vielfach weggebrochen. Regelmäßige Begehungen helfen, Schäden frühzeitig zu erkennen – auch solche, die mit dem Klimawandel zusammenhängen."
Den Stürmen einer neuen Zeit trotzen
Auch in Eichstätt ist Prävention das Gebot der Stunde – aber mit einfachen Mitteln. "Manchmal hilft es, Bäume oder größere Pflanzen in der Nähe von Kirchen zu entfernen, damit sie dem Boden nicht zusätzlich Feuchtigkeit entziehen", erklärt Herrmann. "Aber das ist nur ein kleiner Beitrag. Bei Starkregen oder Stürmen werden wir künftig stärker auf Wasserableitung und Sturmsicherung achten müssen – doch das lässt sich nicht immer mit den Gegebenheiten alter Bausubstanz vereinbaren."
Ob in Sachsen, Bayern oder Baden – der Klimawandel hat längst begonnen, auch an Kirchengebäuden zu rütteln. Noch sind es Risse, verzogene Böden und abplatzender Putz. Doch Fachleute sind sich einig: Die Probleme werden zunehmen. Für die Kirche bedeutet das eine doppelte Herausforderung – geistlich und ganz praktisch. Denn während ihre Mitgliederzahlen sinken, wächst der Aufwand, die steinernen Zeugnisse des Glaubens zu bewahren. "Wir werden nicht alle Gebäude retten können", sagt Schalk nüchtern. Und Herrmann ergänzt: "Der Klimawandel ist für uns baulich noch kein zentrales Thema – aber er verstärkt all das, was ohnehin schwierig ist." Dass die Kirchen dennoch Hoffnung bewahren, liegt vielleicht in ihrer Natur. Zwischen Himmel und Erde stehen sie seit Jahrhunderten – und versuchen nun, auch den Stürmen einer neuen Zeit zu trotzen.
