Ein Überblick zu Berichten aus diesem Jahr

Von Studie zu Studie: Wie Bistümer die Aufarbeitung angehen

Veröffentlicht am 08.11.2025 um 12:00 Uhr – Von Matthias Jöran Berntsen und Norbert Demuth (KNA) – Lesedauer: 

Trier/Stuttgart/Augsburg ‐ Vergangene Woche legten die Bistümer Augsburg und Trier je einen Bericht zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauch vor. Für Trier gibt es inzwischen über zehn davon. Doch nicht nur die Zahl der Studien, auch die Ansätze unterscheiden sich.

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Das Bistum Trier unterscheidet sich insofern von anderen Diözesen, als dort jährlich verschiedene Missbrauchsberichte unterschiedlicher Institutionen vorgelegt werden. Der vergangene Woche präsentierte "Zwischenbericht zu den Amtszeiten von Reinhard Marx (2001-2008) und Stephan Ackermann (2009-2021)" etwa ist eine wissenschaftliche Untersuchung der Universität Trier. Zuvor bereits untersuchten Forscher die Amtszeiten der Bischöfe Bernhard Stein (1967-1981) und Hermann Josef Spital (1981-2001). Weitere Veröffentlichungen sind geplant, so wollen sich Experten in den kommenden Monaten gezielt der Nachkriegszeit widmen. Eine entsprechende Veröffentlichung ist für das Jahr 2026 zu erwarten.

Indessen steht bereits im Dezember eine weitere Publikation an – ebenfalls als "Zwischenbericht" bezeichnet. Dabei handelt es sich um den vierten Jahresbericht der seit 2021 tätigen und auf sechs Jahre angelegten ehrenamtlichen Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Bistums. "Wir nehmen bei der Aufarbeitung die gesamte Nachkriegszeit bis heute in den Blick", heißt es auf der Internetseite des Gremiums. Eigene Bewertungen sollten dann in Empfehlungen an die Kirchenleitung einfließen. "Einige dieser Anregungen – wie die Schaffung einer externen, unabhängigen Ombudsstelle für Betroffene – wurden vom Bistum aufgenommen", heißt es in einer Mitteilung aus dem Jahr 2024.

Abgelehnt worden seien jedoch eingehendere Begründungen der Entscheidungen über Anerkennung und Höhe von Entschädigungen für erlittenes Leid. Über den Umgang mit den Empfehlungen berichtet eine weitere jährlich präsentierte Veröffentlichung: der "P.I.A. Jahresbericht" im Bistum Trier – wobei die Buchstaben für Prävention, Intervention und Aufarbeitung stehen.

"Die Kirche soll ein sicherer Ort für alle sein"

Es gehe um Rechenschaft darüber, was das Bistum bei der Prävention gegen sexualisierte Gewalt, in der Intervention bei Verdachtsfällen sowie in der Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs tut, sagte Ortsbischof Stephan Ackermann im Jahresbericht 2024 - dem inzwischen dritten seiner Art. "Denn unser Ziel bleibt: Die Kirche soll ein sicherer Ort für alle sein."

Über diese verschiedenen Jahresberichte hinaus gibt es die Öffentlichkeitsarbeit einzelner Betroffener sowie der Betroffeneninitiative des Bistums, Missbit. Außerdem gab es Sonderberichte ehemaliger Staatsanwälte, die den Missbrauchskomplex um den 2022 gestorbenen katholischen Priester Edmund Dillinger untersuchten. Aufgrund des Umfangs des über Jahrzehnte fortdauernden Missbrauchs wird der Fall Dillinger wohl in den Abschlussberichten der Wissenschaftler und Kommission abermals einen großen Umfang einnehmen. Zu den vielen Hunderten Seiten werden noch zahlreiche dazukommen.

Die ebenfalls in der vergangenen Woche vorgelegte Augsburger Studie wurde von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission der Diözese erstellt und vorgelegt. Sie ist im Wesentlichen eine Vertiefung des diözesanen Beitrags zu der 2018 veröffentlichten bundesweiten MHG-Studie, ausgedehnt bis Ende 2023. Leitfrage war demnach: Hat die Diözese nach Hinweisen auf sexuellen Missbrauch Minderjähriger angemessen reagiert? Grundlage waren diverse Aktenbestände des Bistums, die – anders als für die MHG-Studie – nicht anonymisiert waren.

Speyer Dom
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

Im Mai wurde eine über 400-seitige Analyse der Strukturen veröffentlicht, die im Bistum Speyer Missbrauch ermöglicht haben. Ein zweiter Teil ist für 2027 geplant.

Demnach konnten für die vergangenen rund 80 Jahre von 85 Beschuldigten 77 namentlich identifiziert werden. Die Autoren räumen ein, dass dies nur das Hellfeld markiere. Damit werde aber "dem zentralen Auftrag der Kommission" Rechnung getragen: die Untersuchung "des administrativen Umgangs mit Tätern und Täterinnen sowie Betroffenen, der Identifikation von Strukturen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben".

Über diese Veröffentlichung hinaus soll 2027 eine Untersuchung von Psychologen der Ludwig-Maximilians-Universität München zu "Sexualisierter Gewalt an Minderjährigen im Kontext der katholischen Kirche im Bistum Augsburg" publiziert werden.

Ihre Arbeit inzwischen beendet hat die Aufarbeitungskommission im Bistum Fulda. Berufen im September 2021 legte sie im Sommer ihren Abschlussbericht vor. Und erfüllte damit satzungsgemäß ihren Arbeitsauftrag. Demnach gab es seit 1945 mindestens 120 mutmaßlich Betroffene von sexuellem Missbrauch; und 37 mutmaßliche Täter.

473-seitige Studie in Speyer

Zusätzlich hielt die Fuldaer Kommission Vorschläge zur Fortführung der Aufarbeitung fest, ihr eigener Auftrag endete im September. "Aber wie schon geschildert, geht die eigentliche Arbeit ja jetzt erst los", sagte Bischof Michael Gerber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im Juni.

Im Bistum Speyer wurde im Juni 2021 eine Unabhängige Aufarbeitungskommission gründet. Im April 2023 beauftragte die Kommission die Historikerin Sylvia Schraut von der Universität Mannheim, sexuellen Missbrauch durch katholische Priester, Diakone, Ordensangehörige und Mitarbeitende des Bistums ab 1946 zu erforschen.

Am 8. Mai dieses Jahres stellte Schraut ihre 473 Seiten umfassende Studie vor: eine Analyse jener Strukturen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht und dessen Aufdeckung nicht verhindert haben. Das Ergebnis: Fehlende Machtkontrolle und eine "autoritär geprägte" Amtsausübung hätten jahrzehntelang Missbrauch und sexualisierte Gewalt ermöglicht.

Porträtfoto von Bischof Klaus Krämer
Bild: ©Daniela Reske/KNA (Archivbild)

Das Bistum Rottenburg-Stuttgart gehört zu den wenigen großen Diözesen, die keine unabhängige Aufarbeitungsstudie in Auftrag gegeben haben. Sein Vorgänger, Bischof Gebhard Fürst, habe die "Kommission sexueller Missbrauch" (KsM) eingeführt. "Damit war die Möglichkeit nicht mehr gegeben, Dinge zu vertuschen", sagt Bischof Klaus Krämer.

Diese "Strukturanalyse" unter Leitung von Schraut sollte der erste Teil der Aufarbeitung sein. Ein zweiter Teil mit exemplarischen Fallstudien soll 2027 folgen. Die zweiteilige Veröffentlichung der Ergebnisse begründete Generalvikar Markus Magin damit, dass viele der Missbrauchsbetroffenen schon sehr alt seien und erleben wollten, dass ihr Leid und das ihnen angetane Unrecht öffentlich benannt würden.

Im Bistum Mainz wurde eine Aufarbeitungskommission 2019 begründet. Diese beauftragte als unabhängigen Ermittler den Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber, Missbrauchsfälle im Bistum seit 1945 aufzuklären. 2020 legte Weber eine Zwischenbilanz vor. Er sprach damals bereits vom "Fehlverhalten" früherer Bistumsleitungen.

Im März 2023 präsentierte Weber eine mehr als 1.000-seitige Untersuchung. Er wollte nicht nur Einzelfälle, sondern auch das Umfeld und die systemischen Ursachen in den Blick nehmen. Laut der Untersuchung müssen sich Kohlgrafs Vorgänger Albert Stohr (1935-1961), Hermann Volk (1962-1982) und Karl Lehmann (1983-2016) schwere Versäumnisse anrechnen lassen. Betroffene hätten in diesen Amtszeiten fast nie eine Rolle gespielt, vielmehr sei darauf geachtet worden, das System katholische Kirche zu schützen. Der seit 2017 amtierende Bischof Peter Kohlgraf sprach von einem "Schritt der Aufarbeitung massiven Unrechts".

Keine große Studie in Rottenburg-Stuttgart

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart arbeitet die Aufarbeitungskommission seit Ende 2021. Die Kommission hat seither drei jeweils aktualisierte Jahresberichte veröffentlicht, in denen jeweils Vorkommnisse seit 1946 untersucht wurden. Im Jahresbericht 2024 vom März dieses Jahres ist von insgesamt 241 Beschuldigten seit 1946 die Rede. Neben der quantitativen Erhebung des sexuellen Missbrauchs untersucht die Aufarbeitungskommission auch den Umgang des Bistums mit Tätern, Täterinnen und Betroffenen. Ziel sei "die Identifikation von Strukturen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben". Ein vorläufiger Abschlussbericht ist für 2027 geplant.

Die schwäbische Diözese hat – anders als manche anderen Bistümer – keine große unabhängige Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben. Der seit Dezember 2024 amtierende Bischof Klaus Krämer rechtfertigte dieses Vorgehen in einem KNA-Interview mit den Worten, sein Vorgänger Bischof Gebhard Fürst habe bereits im Jahr 2002 – und damit sehr früh – die "Kommission sexueller Missbrauch" (KsM) eingeführt. "Damit war die Möglichkeit nicht mehr gegeben, Dinge zu vertuschen", betonte Krämer.

In der 2020 veröffentlichten Gemeinsamen Erklärung des damaligen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, und der Bischofskonferenz sei vereinbart worden, dass die in einer Kommission zur Missbrauchsaufarbeitung auf Bistumsebene bereits erfolgten Ergebnisse zu Aufklärung und Aufarbeitung berücksichtigt werden. Dies gelte auch für Rottenburg, so Krämer.

Von Matthias Jöran Berntsen und Norbert Demuth (KNA)