Standpunkt

Der deutsch-polnische Briefwechsel ermöglicht neue Perspektiven

Veröffentlicht am 20.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Stefan Orth – Lesedauer: 

Bonn ‐ Der historische Briefwechsel zwischen den deutschen und den polnischen Bischöfen birgt ein unglaubliches Potenzial, kommentiert Stefan Orth. Er wirbt dafür, ohne Naivität in solchen Konflikten vom Ende her zu denken.

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Verfeindungsspiralen gibt es derzeit viele. Das gilt nicht zuletzt für den Nahostkonflikt und die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs. Ob Gaza oder die Ukraine: Im Moment kann man sich angesichts der Konfrontation kaum vorstellen, wie über einen mühsam verhandelten Waffenstillstand hinaus wirklich Frieden herrschen könnte. Der aber muss das Ziel sein, was unmittelbar die Frage aufwirft, wie es gelingen wird, aus dem Zustand der in den vergangenen Jahren verschärften gegenseitigen Verwundung wieder herauszukommen.

Das am Dienstag in Breslau von polnischen und deutschen Bischöfen gemeinsame Gedenken des Briefwechsels der beiden Bischofskonferenzen vor genau 60 Jahren hat hier ein unglaubliches Potenzial. Auch wenn zwischen Polen und Deutschland, polnischem und deutschem Katholizismus längst nicht nur grenzenlose Einmütigkeit und Eintracht herrscht, wurde damals Historisches grundlegt: ein Perspektivenwechsel von der Fixierung auf die Erinnerung des vom Anderen zugefügten Leids auf die gemeinsame Basis, auf der alle Konflikte friedlich besprochen und dann teilweise auch gelöst werden können. Wie bei der neu erwachten deutsch-französischen Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nach fast einem Jahrhundert gewaltvoller Geschichte zwischen beiden Nationen ist 1965 Großartiges geschehen.

Es sind nur zwei Briefe gewesen. Sie regen aber die Fantasie an, was morgen notwendig, aber auch möglich sein könnte – wenn die Waffen schweigen. Gerade angesichts der Bedrohung durch Russland über die Ukraine hinaus wäre Naivität fehl am Platz. Aber bei allem, was man tut, sollte man immer auch vom Ende her denken. Das Gedenken an den Briefwechsel eröffnet die Möglichkeit, heute schon die Perspektiven zurechtzurücken.

Von Stefan Orth

Der Autor

Dr. Stefan Orth ist Chefredakteur der "Herder Korrespondenz".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.