Shell-Jugendstudie 2015 veröffentlicht

Was glaubt unsere Jugend?

Veröffentlicht am 13.10.2015 um 16:05 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 
Statistik

Berlin/Bonn ‐ Nach fünf Jahren ist am Dienstag wieder eine große Shell-Jugendstudie erschienen. Katholisch.de hat das 450-seitige Werk auf die Religiosität von jungen Menschen, ihre Meinung zur Institution Kirche und ihre Vorstellungen von Familie untersucht.

  • Teilen:

Am Dienstag wurde in Berlin nach fünf Jahren wieder eine aktuelle Shell-Studie präsentiert – die 17. seit dem Start im Jahr 1953. Auf 450 Seiten wird unter dem Titel "Jugend 2015 – Eine pragmatische Generation im Aufbruch" die junge Generation unter die Lupe genommen. Die ersten Schlagzeilen lauten "Jugendliche stehen Zuwanderung positiv gegenüber" und "Junge Menschen interessieren sich wieder mehr für Politik". Es lohnt aber auch der Blick auf die Religiosität von jungen Menschen, ihre Meinung zur Institution Kirche und ihre Vorstellungen von Familie.

Obwohl die Religion weiterhin nicht gerade im Zentrum des Wertesystems der Jugend steht, ist sie insgesamt eine eher konstante Größe. Bei den Vorstellungen, die das Verhalten bestimmen, ist es der Jugend wichtig, sich bei Entscheidungen nach Gefühlen zu richten (79 Prozent), einen hohen Lebensstandard zu haben (69 Prozent) und sich umweltbewusst zu verhalten (66 Prozent). "n Gott glauben" war in diesem Zusammenhang jedem Dritten der 2.500 Befragten wichtig und 17 Prozent teilweise wichtig. Die Religiosität sei leicht rückläufig, heißt es in der Studie.

Muslime und Orthodoxe sind religiöser

Vor allem unter katholischen Jugendlichen habe der Glaube an Gott an Bedeutung verloren, evangelische Jugendliche hätten schon zuvor dem Glauben an Gott eher weniger Bedeutung beigemessen. Als "wichtig" stuften 39 Prozent der Katholiken den Glauben an Gott für die Lebensführung ein (51 Prozent im Jahr 2002), aber nur 32 Prozent der Protestanten (2002: 38 Prozent). Interessant ist in dem Zusammenhang der Blick auf Jugendliche anderer Religionen: Hier liegt der Wert bei 70 Prozent (2002: 68 Prozent). Muslimische Jugendliche legen besonders viel Wert auf den Glauben an Gott (76 Prozent), christlich-orthodoxe Gleichaltrige (64 Prozent) stehen ihnen darin kaum nach.

Das seien jedoch nicht die Gruppen, die das Meinungsklima der Jugend in Fragen der Religion prägen, höchstens indirekt durch ihr Beispiel, schreibt Sozialforscher Thomas Gensicke von TNS Infratest im Kapitel zu den Werteorientierungen. Allein die Gruppe der Jugendlichen, die keiner Konfession angehören, sei doppelt so groß (23 Prozent) wie die der islamischen und orthodoxen Jugendlichen zusammen (11,5 Prozent).

Video: © Shell/youtube.com

Shell Jugendstudie 2015: Wie tickt die Jugend? Eine Umfrage.

Evangelische und katholische Jugendliche stellten dagegen fast zwei Drittel der Jugend. Ihre Einstellungen entscheiden darüber, wie die Daten und Trends der Shell-Jugendstudie zu Religion und Kirche ausfallen, so Gensicke. Das gelte allerdings nur für die alten Bundesländer. In der früheren DDR seien 63 Prozent der Jugend konfessionslos (West: 15 Prozent). Zugleich sei im Osten für mehr als zwei Drittel der Glaube an Gott unwichtig – diese Tendenz nimmt aber leicht ab.

Katholische Jugendliche wollen Änderungen

Eine gewisse Unsicherheit und starke Unterschiede zwischen den jungen Menschen zeigen sich, wenn man sie konkret nach ihrer Vorstellung von Gott befragt: 29 Prozent glauben an einen persönlichen Gott, 17 Prozent an "eine überirdische Macht", 26 Prozent glauben weder an das eine, noch an das andere und 23 Prozent geben zu: "Ich weiß nicht richtig, was ich glauben soll." Gebetet wird bei den evangelischen Jugendlichen am wenigsten (15 Prozent, dagegen 20 Prozent bei den Katholiken).

67 Prozent der muslimischen und 61 Prozent der orthodoxen Jugendlichen glauben an Gott als Person, aber nur 27 Prozent der evangelischen. "Damit stehen sie aber in Widerspruch zur christlichen Lehre" nach der sich der Gläubige an einen barmherzigen Gott und nicht an eine unpersönliche höhere Macht zu wenden habe, stellt Gensicke fest. Der Atheismus nimmt deswegen aber keinesfalls zu: Im Westen bleibe er gleich, im Osten nehme er sogar leicht ab.

Shell-Studie 2015

Für die Shell-Jugendstudie wurden von Anfang Januar bis Anfang März dieses Jahres 2558 Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren von Infratest-Interviewern auf Basis eines standartisierten Fragebogens befragt. Hinzu kamen vertiefende Interviews mit 21 Jugendlichen. Die Studie ist im Fischer Taschenbuch Verlag unter dem Titel "Jugend 2015 – Eine pragmatische Generation im Aufbruch" erschienen und im Buchhandel erhältlich (ISBN 978-3-596-03401-7, € 19,99).

Der Einsatz für die Schwächsten der Gesellschaft sichert der Institution Kirche gesellschaftliche Anerkennung – auch bei vielen Jugendlichen. Zwei Drittel "finden es gut, dass es die Kirche gibt". Nur ein Fünftel der Jugendlichen kann mit der Kirche nichts Gutes verbinden und lehnt sie deswegen ab. Kritiklos sind aber auch die Jugendlichen nicht, die die Kirche bejahen: 64 Prozent finden, dass die Kirchen zukunftsfähiger werden müssen. Katholische Jugendliche betonen inzwischen besonders deutlich, dass sich die Kirche ändern müsse (75 Prozent).

Kinderwunsch sinkt

Zusammengefasst lässt dich sagen: Religiöse Rituale und Vorschriften schrecken viele Jugendliche ab. Sie verneinen nicht das Existenzrecht der Kirche, schätzen ihre soziale Rolle, vermissen jedoch oft Antworten auf wichtige Fragen ihrer Lebensführung. Und dazu gehört auch das Themenfeld Beruf, Zukunft und Familienplanung.

In den Ergebnissen der Studie deutet vieles darauf hin, dass sich die Sorge um die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben auch auf den Kinderwunsch auswirkt. Insgesamt wünschen sich derzeit 64 Prozent der Jugendlichen Kinder, 2010 waren es noch 69 Prozent. Bei den jungen Männern ist der Kinderwunsch stärker zurückgegangen als bei Frauen. Zugleich fordert die Jugend (90 Prozent), dass Familie und Kinder gegenüber der Arbeit nicht zu kurz kommen dürfen.

Denn die Familie hat für Jugendliche weiterhin einen hohen Stellenwert. Mehr als 90 Prozent der Jungen und Mädchen pflegen ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Fast drei Viertel würden ihre Kinder ungefähr so oder genauso erziehen, wie sie selbst erzogen wurden. Ein Wert, der seit 2002 stetig zunimmt. Ein anderer Wert nimmt aber ab: 63 Prozent geben an, dass man eine Familie brauche, um "wirklich glücklich" leben zu können. Vor fünf Jahren sagten dies noch 76 Prozent. Inzwischen sagen 28 Prozent der männlichen und 16 Prozent der weiblichen Jugendlichen, dass man alleine genauso glücklich leben könne.

Von Agathe Lukassek