Ungarns Abschottung: Verrat an europäischen und christlichen Werten
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Ungarn verweigert sich – wieder einmal. Während die europäischen Staaten mühsam um einen gemeinsamen Ansatz in der Flüchtlingspolitik ringen, erklärte die Regierung in Budapest vor wenigen Tagen, sie werde den beschlossenen Solidaritätsmechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht umsetzen und "keinen einzigen Migranten" aufnehmen. Gergely Gulyas, der Kanzleramtsminister der ungarischen Regierung, begründete das mit einem angeblichen Schutz des ungarischen Volkswillens. Die EU, so behauptete er, habe "keine Befugnis, zu entscheiden, mit wem die Ungarn zusammenleben sollen". Diese hätten in einem Referendum "mit überwältigender Mehrheit" entschieden, dass sie "die gewaltsame Ansiedlung" von Migranten durch die EU ablehnten.
Was Gulyas nicht sagte: Das Referendum von 2016, auf das sich die Regierung stützt, war rechtlich nicht bindend und politisch hochgradig polarisiert. Es war kein Ausdruck einer souveränen, nüchternen Volksabstimmung, sondern das Ergebnis einer Angstkampagne gegen Schutzsuchende. Und selbst wenn es anders wäre: Solidarität in der EU ist keine Option, die man bei Unlust abwählen kann. Sie ist eine zentrale Grundlage des gemeinsamen Projekts.
Besonders abstoßend ist der moralische Doppelstandard, den Ministerpräsident Viktor Orbán seit Jahren pflegt. Einerseits inszeniert er sich als Retter des christlichen Abendlandes, als Hüter christlicher Werte. Andererseits lässt seine Regierung Menschen an Ungarns Grenzen ohne Versorgung stehen, will Geflüchtete pauschal fernhalten und verweigert sich jeder Verantwortung, die über das eigene Nationale hinausweist. Wer sich auf das Christentum beruft, sollte wissen: Christliche Werte beginnen nicht an der eigenen Landesgrenze, und Nächstenliebe endet nicht an einem Stacheldrahtzaun.
Die humanitäre Pflicht, Notleidenden Schutz zu gewähren, ist kein Angriff auf Ungarns Souveränität, sondern Ausdruck eines europäischen Verständnisses von Menschenwürde – und eines christlichen Verständnisses von Moral. Orbáns Regierung stellt sich beidem entgegen. Wer behauptet, das christliche Abendland retten zu wollen, aber die Grundprinzipien von Solidarität und Barmherzigkeit missachtet, widerspricht sich selbst. Ungarn tritt damit nicht nur die Werte der EU mit Füßen, sondern auch jene christlichen Werte, auf die sich vor allem sein Ministerpräsident so gerne beruft.
Der Autor
Steffen Zimmermann ist Redakteur im Korrespondentenbüro von katholisch.de in Berlin.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
