Vor zehn Jahren erschütterte der Ferns-Report die irische Kirche

Die Schatten des Missbrauchsskandals

Veröffentlicht am 26.10.2015 um 12:34 Uhr – Von Kristina Moorehead (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN
Missbrauch

Dublin ‐ Das irische Bistum Ferns wurde als eines der ersten weltweit einer staatlichen Untersuchung zu Kindesmissbrauch unterzogen. Im Jahr 2005 kamen dadurch mehr als 100 Missbrauchsfälle von 1962 bis 2002 ans Licht. Die Folgen sind bis heute spürbar.

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Zehn Jahre nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu den Missbrauchsfällen in Ferns zieht nun der amtierende Bischof Denis Brennan Bilanz: "Der Skandal hat den Umgang mit Kindern innerhalb kirchlicher Einrichtungen nachhaltig verändert und eine bis heute andauernde Atmosphäre des Misstrauens und der Angst geschaffen." Das ungeheure Ausmaß des Missbrauchs und "die Verdorbenheit einiger Geistlicher", die der Ferns-Bericht zutage brachte, "hat uns alle bis ins tiefste Mark erschüttert", erklärt Brennan gegenüber der Presse. Man habe vieles lernen müssen.

271 Seiten umfassender Report

Ferns war eine der ersten Diözesen weltweit, die einer staatlichen Untersuchung zu Missbrauch unterzogen wurde. Mehr als dreieinhalb Jahre wurde unter Leitung von Francis D. Murphy, einem ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofs, Material gesammelt und evaluiert. Am 25. Oktober 2005 überreichte die Untersuchungskommission ihren 271 Seiten umfassenden Report der irischen Regierung und stellte ihn tags darauf - heute vor zehn Jahren - der Öffentlichkeit vor.

Linktipp: Kardinal räumt Vertuschung von Missbrauchsfällen ein

Man habe sich fälschlicherweise nicht um die Opfer, sondern um den Täter gekümmert: Der frühere katholische Primas von Irland, Kardinal Sean Brady, hat Fehler und Vertuschungsversuche im Umgang mit Missbrauchsfällen eingeräumt.

Der Bericht stellte für den Zeitraum von 1962 bis März 2002 mehr als 100 Fälle von Kindesmissbrauch durch 21 Priester fest. Besonders an dem von 1963 bis 1983 amtierenden Bischof Donal Herlihy, aber auch dessen Nachfolger Brendan Comiskey, übte der Ferns-Report Kritik. Herlihy habe die Taten zwar als moralische Verfehlung, nicht aber als kriminelles Delikt verstanden. Beide hätten zu wenig getan, um Übergriffe auf Kinder in ihrer Diözese zu stoppen; und sie hätten "die Interessen der betroffenen Priester über das der Gemeinde" gestellt, so die Vorwürfe. Ihre Reaktion sei "ungenügend und unangemessen" gewesen.

Ans Licht der Öffentlichkeit geraten waren die Vorfälle durch die im März 2002 ausgestrahlte BBC-Dokumentation "Suing the Pope" (Klage gegen den Papst). Die Sendung schilderte das Schicksal mehrerer Männer, die in Ferns als Jugendliche Opfer des Priesters Sean Fortune geworden waren. Sie berichtete detailliert von den Versäumnissen der kirchlichen Autoritäten in Ferns, die den Geistlichen wider besseres Wissen im Amt behielten und seine Taten vertuschten. Infolge der Berichterstattung trat Bischof Comiskey im April 2002 von seinem Amt zurück. Die irische Regierung kündigte die Schaffung einer unabhängigen Untersuchungskommission an.

Für das Bistum Ferns war die Veröffentlichung des Berichts laut Brennan "eine Katharsis". Seither habe sich viel verändert, versichert der Bischof. Die Gemeinden in der südostirischen Grafschaft Wexford seien wieder "sicherer für unsere Kinder und jungen Menschen geworden". Man habe Kontrollinstanzen einberufen, Sicherheitsprotokolle geschaffen, das Personal geschult und Denkweisen verändert.

Die irische Flagge vor einem Regierungsgebäude in Dublin.
Bild: ©dpa

Das irische Bistum Ferns wurde als eines der ersten weltweit einer staatlichen Untersuchung zu Kindesmissbrauch unterzogen. Im Jahr 2005 kamen dadurch mehr als 100 Fälle ans Licht. Die Folgen sind bis heute spürbar.

Trotz all dieser Anstrengungen leide der Umgang mit Kindern weiterhin unter dem Stigma des Missbrauchsskandals. Zu den Folgen der von Brennan beschriebenen "Atmosphäre des Misstrauens" zählt etwa, dass Pilgerfahrten nur noch für Erwachsene ausgerichtet werden. Auf einer Kirchenkonferenz im irischen Trim äußerte Brennan kürzlich zudem sein Bedauern darüber, dass einige Gemeinden aus Sorge um die Sicherheit junger Menschen keine Ministranten mehr hätten. Viele Chöre des Bistums hätten kaum noch Zulauf von Kindern, die Jugendeinrichtungen der Gemeinden verschwänden ebenfalls zunehmend.

Der "Was-wäre-wenn-Angstfaktor"

Der Bischof klagt auch über die Zurückhaltung der Erwachsenen in seinem Bistum, sich in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu engagieren. Er nennt es den "Was-wäre-wenn-Angstfaktor". Dabei ist Brennan überzeugt, dass diese Angst inzwischen unbegründet ist: "Wir sind heute besser denn je aufgestellt, um die Kluft zu überwinden, die in den vergangenen Jahren entstanden ist."

Themenseite: Missbrauch

Der Missbrauchsskandal erschütterte die katholische Kirche in ihren Grundfesten. Seit 2010 die ersten Fälle bekannt wurden, bemüht sich die Kirche um Aufarbeitung der Geschehnisse. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Etappen.
Von Kristina Moorehead (KNA)