Die Hoffnung auf ein "Danach"
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Frau Wilgo sieht meinen Blick in Richtung der leuchtenden Kerze und sagt daraufhin leise: "Herr P. war ein fröhlicher Mensch – bis zum Ende." Derzeit leben 10 Menschen im Augustinus Hospiz. "Sie alle sind unsere Gäste und wir begleiten sie auf ihrem letzten Lebensweg", erklärt die Leiterin.
So wurde vor vier Wochen auch Matthias Lange Gast des Hauses an der Augustinusstraße. Ich erfahre, dass ihm die Trennung von seinen eigenen vier Wänden sehr schwer gefallen ist. "Der Mann, der gerne reist und eine besondere Affinität zu seiner Katze hat, konnte mit seinem schweren Magenkrebs nicht länger alleine zu Hause wohnen und für sich sorgen", berichtet Wilgo und gibt an, dass Herr Lange auch keine Familienangehörigen hat. "Wir begleiten ihn nun hier bis zu seinem Lebensende."
Platz für 10 Gäste jeden Alters
Das Augustinus Hospiz bietet Platz für 10 Gäste jeden Alters. In enger Verbindung mit dem Ambulanten Hospizdienst Cor unum entsteht hier ein gutes Miteinander bei der Begleitung auf dem letzten, irdischen Lebensweg. Die engagierten Mitarbeiter wollen bei der hospizlichen Betreuung die Aufmerksamkeit auf die Qualität der noch verbleibenden Lebenszeit der schwerstkranken Gäste legen. Es geht nicht mehr um den Kampf gegen die Krankheit, sondern um das bestmögliche Leben mit ihr. Die Experten nennen das "Palliativ Care".
Die Gäste, wie die Patienten hier liebevoll heißen, werden unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Stand und ihrer Glaubensüberzeugung aufgenommen. Die aktive Sterbehilfe oder die Beihilfe zum Suizid werden dabei kategorisch ausgeschlossen. "Durch die Kenntnisse der modernen Palliativmedizin, können wir die sterbenskranken Menschen heutzutage vor Schmerzen, Atemnot, Übelkeit oder Unruhe bewahren. Symptome können gut gemildert werden", sagt Birgit Lotz, Koordinatorin des Ambulanten Hospizdienstes. Mit einer individuellen Zuwendung durch Gespräche, Versorgung, Musik und durch gut ausgebildete haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter, erfahren die Gäste, dass sie gerade zum Schluss nicht allein gelassen werden.
Ich lerne Herrn Lange persönlich kennen. Er liegt in seinem freundlich gestalteten Zimmer – die Türe zum Flur ist offen und das Fenster ebenfalls. Frische Luft dringt durch den Raum. Dieser hat rein gar nichts mit einem sterilen Krankenzimmer gemein. Mein Blick fällt auf die bunten Bilder an der Wand. Vom Bett aus hat Lange einen wunderbaren Blick in den Garten. Die hellen Möbel und das Kreuz an der Wand runden das Gefühl von Heimat ab. Er lächelt mich an. "Guten Morgen, Herr Lange", versuche ich rasch die für mich unangenehme Stille zu durchbrechen. Der sterbenskranke Mann grüßt freundlich zurück. Wir kommen in ein lockeres und heiteres Gespräch. Er berichtet mir von den vielen Reisen seiner Vergangenheit – Schottland war sein Lieblingsziel.
Ängste und Hoffnungen im Mittelpunkt der Gespräche
Nachher erfahre ich, dass Matthias Lange nach seinem Einzug den Wunsch äußerte, sich austauschen zu wollen. Ängste und Hoffnungen stehen dabei oftmals im Mittelpunkt von meist langen Gesprächen. Barbara Femers, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Ambulanten Hospizdienstes Cor unum, wird schnell seine Bezugsperson. Sie ist mindestens drei Mal in der Woche bei ihm – oftmals gemeinsam mit dem quirligen Hospizhund Leopold Eisbrecher, der sie bei schwierigen Gesprächen begleitet. Sie reden, lachen, beten und spielen miteinander. Das ist für Matthias Lange nun lebensnotwendig.
Neben der behutsamen Pflege der sterbenskranken Gäste sind die seelsorgerische und emotionale Begleitung, die psychosoziale Betreuung und die Trauerarbeit von hoher Bedeutung für den Gast. Dieser besondere, ganzheitliche Umgang mit den Menschen macht erst Palliation – die ummantelnde Fürsorge – möglich. Einen unschätzbaren Wert haben bei der Begleitung die ehrenamtlichen und qualifizierten Hospizhelfer. Sie sind eine wichtige Ergänzung zur medizinischen, pflegerischen und seelsorgerischen Versorgung der Hospizgäste. Sie wenden sich dem Gast intensiv zu, haben Zeit für seine Gedanken und Anliegen.
Darüber hinaus werden die Angehörigen in den Sterbeprozess mit einbezogen, dabei unterstützt und aufgefangen. Gespräche mit dem gesamten Team helfen ihnen, mit der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit umzugehen. Auch nach dem Sterben ihres Angehörigen bleibt das Hospiz weiterhin Ansprechpartner und bietet Unterstützung an.
Beeindruckt von der bedingungslosen Fürsorge
Nach meinem Besuch bei Herrn Lange werde ich eingeladen, an einer Besprechung des Teams zu diesem Gast teilzunehmen. In der Runde merke ich, was die engagierten Kräfte unter einer individuellen Begleitung verstehen. Im intensiven Austausch geht es konkret um die physische und psychische Situation von Herrn Lange. Es wird besprochen, was jeder einzelne zum Wohlbefinden des Gastes beitragen kann. Ich lausche gespannt. "Herr Lange hat bei der Pflege geäußert, dass er besonders eine Fußmassage genießt", sagt Schwester Ella. Dies will Frau Femers aufgreifen und Herrn Lange eine Massage anbieten. Die Seelsorgerin Schwester M. Crescentia wird mit ihm in Zukunft weiterhin beten und spirituelle Gespräche führen, denn "seine Hoffnung auf ein Danach ist sehr groß", berichtet die Ordensschwester.
Zurück in meinem Alltag merke ich, wie mich die bedingungslose und absolute Fürsorge um den Menschen beeindruckt. Diese Gäste bei ihren Fragen nicht alleine zu lassen, ohne schematische Antworten vorzugeben, ist nach meiner Meinung die Aufgabe einer ernstgemeinten Sterbebegleitung. Nicht die "Hilfe zum Sterben", sondern die "Hilfe beim Sterben" ist dabei der Weg. So ist eine christliche Zuwendung zum Sterbenden auch damit verbunden, das Sterben zuzulassen und getrost das eigene Leben in die Hände des Schöpfers zurückgeben zu können. Danke, dass ich diesen Besuch machen durfte.