Vor 800 Jahren wurde das Vierte Laterankonzil eröffnet

Die größte Kirchenversammlung des Mittelalters

Veröffentlicht am 01.11.2015 um 15:40 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Geschichte

Rom ‐ In der Vielzahl der Reformkonzilien des Mittelalters mag das Vierte Lateranum nur als eines von vielen erscheinen. Dabei war es die bis dahin größte Kirchenversammlung überhaupt - und theologisch herausragend.

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Unlustigen Kirchenvertretern wie dem Patriarchen von Aquileia, die ihr mögliches Fernbleiben aus finanziellen Gründen signalisierten, beschied er trocken, dies könnte Auswirkungen auf seine Patriarchenrechte haben - und außerdem könne er ja bei Auftritt und Gefolge einsparen. Das sogenannte Vierte Laterankonzil, das vor 800 Jahren begann, wurde die bis dahin größte Kirchenversammlung überhaupt - und war der Auftakt zu einer Reihe von Konzilien, die ganz im Zeichen des Papstes als dem "Führer der Christenheit" standen.

Großes Konzil, aber wenig nordische Beteiligung

402 Bischöfe und insgesamt wohl rund 1.200 Teilnehmer: Das Vierte Lateranum stellte alle bisherigen Konzilien weit in den Schatten. Etwa die Hälfte der teilnehmenden Bischöfe kamen aus Italien, dazu 67 aus Frankreich und der Provence sowie 23 aus dem Orient. Dagegen nahm sich die Beteiligung aus Deutschland, Skandinavien oder Schottland vergleichsweise bescheiden aus.

Das gesamte Konzil dauerte lediglich einen Monat und bestand außer der feierlichen Eröffnung nur aus drei eintägigen Vollversammlungen, die erste davon am 11. November; dazwischen fanden Arbeitssitzungen in kleinerem Kreis statt. Angesichts einer Vielzahl verabschiedeter Dekrete ist davon auszugehen, dass die Dokumente an der Kurie vorbereitet und den Teilnehmern womöglich bereits im Vorfeld zur Bearbeitung gegeben wurden. Genauere Redaktionshinweise sind in den Synodenakten nicht überliefert.

Aufruf zum Kreuzzug

An Themen für ein Reformkonzil dieser Größe gab es an der Wende zum 13. Jahrhundert genug. Jerusalem war im Dritten Kreuzzug nicht zurückerobert worden; der Vierte - bereits im Pontifikat von Innozenz III. - endete 1204 in einem unökumenischen Desaster: Statt Jerusalem wurde das christliche Konstantinopel erobert, geplündert und geschwächt - und damit in langer Sicht letztlich sturmreif für die Türken gemacht. Der neuerliche Kreuzzugsaufruf des Konzils für das Heilige Land blieb - auch angesichts der politischen Frontstellungen in Europa - lahm und ohne langfristige Wirkung.

Auch ein anderer Kreuzzug stand auf der Tagesordnung: der gegen die Sekte der Katharer im Languedoc. 1209 ausgerufen, hatte er zu einer weitergehenden Niederwerfung der Häretiker geführt. Graf Raymond VI. von Toulouse verlor beim Konzil seinen Besitz und seine Rechte an den Führer des Kreuzzugs Simon de Montfort.

In diesem Kontext steht auch ein Dekret des Konzils, das bereits bei seiner Verabschiedung überholt war: Es solle keine neuen Ordensregeln mehr geben, die nicht auf der des heiligen Benedikt oder des heiligen Augustinus basieren. Dabei war in Toulouse im April 1215 bereits der "Bettelorden" der Dominikaner auf den Plan getreten, der die Predigt als Waffe gegen die Häresie einsetzte. Bereits ein Jahr nach Konzilsende erkannte Innozenz' Nachfolger Honorius III. (1216-1227) die Regel der Dominikaner an. 1223 folgten die Franziskaner, 1226 die Karmeliter.

Gegen Häresien, für theologische Disziplin

Waren Häresien ein bestimmendes Thema des Vierten Lateranums, so entfaltete das Konzil seine größte Wirkung auch nicht im (Kirchen-)Politischen, sondern im Bereich der Kirchendisziplin und der theologischen Lehre. Dabei beförderte schon die breite Teilnahme und Beachtung die Bereitschaft von Bischöfen, zahlreiche moralische und disziplinäre Missstände in den eigenen Diözesen anzugehen. Eine theologische Selbstvergewisserung und Abgrenzung des "Katholischen" schien angesichts der religiös schillernden Zustände in Südfrankreich und anderswo geboten.

Experten loben dabei vor allem den Realitätssinn Innozenz' III.: Seine Reformen jagten nicht einem Ideal hinterher, sondern sollten auch durchführbar sein. In der Vielzahl der Reformkonzilien des Hoch- und Spätmittelalters mag das Vierte Lateranum nur als eines von vielen erscheinen. Wie herausragend es tatsächlich war, illustriert die Tatsache, dass sich noch 59 der 70 Kanones nach über 700 Jahren im römischen Kirchenrecht (CIC) von 1917 wiederfanden.

Von Alexander Brüggemann (KNA)