Die Zivilisierung des Krieges
Geregelt ist dies in den Genfer Konventionen, die den Krieg einhegen sollen. Am 22. August 1864, heute vor 150 Jahren, traten die ersten 12 Staaten diesem Abkommen bei, darunter auch Baden, Hessen, Preußen und Württemberg. Das 1871 gegründete Deutsche Reich folgte 1906. Ziel der ersten Konvention war die "Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Armeen im Felde".
Als Vater der Genfer Konventionen gilt der Schweizer Kaufmann Henry Dunant, der 1859 das Leid der über 40.000 Verwundeten bei der Schlacht im oberitalienischen Solferino hautnah erlebte. "Die unglücklichen Verwundeten, die im Laufe des Tages aufgelesen werden, sind bleich, fahl, ganz entkräftet", so schrieb er. "Viele mit entzündeten, eiternden Wunden sind fast wahnsinnig vor Schmerz; sie bitten, man solle ihnen den Gnadenstoß geben."
Überarbeitung der Konventionen nach dem Zweiten Weltkrieg
Dunant pflege nicht nur Verwundete. In einem 1862 erschienenen Buch forderte er, schon in Friedenszeiten Hilfsgesellschaften zu gründen, deren Personal im Krieg neutral bleiben und besonders geschützt werden soll - Forderungen, die 1864 zur Grundlage der ersten Genfer Konvention wurden. Bald tauchten in den Kriegen neutrale Helfer mit dem roten Kreuz auf weißem Grund als Erkennungszeichen auf.
Schnell zeigte sich, dass die von Dunant angeregten Schutzbestimmungen nicht ausreichten. Nach beiden Weltkriegen wurde das humanitäre Völkerrecht weiterentwickelt: Die 1929 beschlossene zweite Genfer Konvention befasste sich mit der "Behandlung von Kriegsgefangenen". Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs wurden die Konventionen dann stark überarbeitet und auf vier erweitert. Weil zwischen 1939 und 1945 durch neue Waffen auch Hunderttausende Zivilisten getötet worden waren, wurden die Schutzvorschriften auf Zivilpersonen ausgedehnt. Maßgeblich war auch die Erfahrung, dass es keine Regeln gegeben hatte, die es dem Roten Kreuz erlaubt hätten, sich um KZ-Häftlinge zu kümmern.
Wie umgehen mit staatlicher Souveränität?
Die Unabhängigkeitsbestrebungen der früheren Kolonien und das Erstarken des internationalen Terrorismus brachten seit den 1960er Jahren neue Herausforderungen mit sich: Es entstanden immer mehr innerstaatliche Konflikte unter Beteiligung von Guerilla und Befreiungskämpfern. Die Genfer Konventionen wurden deshalb 1977 ergänzt durch zwei Zusatzprotokolle, die detaillierte Vorgaben für die Achtung der Menschenrechte in innerstaatlichen Konflikten machten.
Damit geriet auch die Frage der staatlichen Souveränität auf die Tagesordnung, über die viele Regierungen eifersüchtig wachen: Doch der Völkermord in Ruanda und der Mord an mehr als 8.000 Muslimen in Srebrenica stärkten die Auffassung, dass solche schwerwiegenden Verstöße eine direkte Bedrohung des Weltfriedens darstellen und daher eine Intervention der Staatengemeinschaft rechtfertigen können.
Strafgerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechern
Mit dem 2002 in Kraft getretenen Statut für den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wurde zudem eine ständige Institution geschaffen, die schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht - etwa Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen - strafrechtlich verfolgen kann.
Eine Aufweichung nationaler Souveränität bedeutet auch die sogenannte Schutzverantwortung oder "responsibility to protect": Sie geht davon aus, dass die Staatengemeinschaft Verantwortung dafür trägt, Menschen vor schweren Menschenrechtsverletzungen zu schützen, wenn deren eigene Regierung diese Pflicht nicht wahrnimmt. Allerdings ist dieses Konzept noch nicht ausgegoren. "Es muss sich erst noch herauskristallisieren, was völkerrechtlich verbindlich werden kann", sagt die Völkerrechtsexpertin des Deutschen Roten Kreuzes , Heike Spieker. "Klar geworden ist beispielsweise auch im Zusammenhang mit Syrien, dass die Staatengemeinschaft keinen Automatismus will, der sie zum gewaltsamen Eingreifen rechtlich zwingen würde."
Von Christoph Arens (KNA)