"Man merkt, die wollen lernen"
Dort sind im Moment auch die vier jungen Afghanen untergebracht, die bei Bruder Jeremias gerade Deutsch lernen. Irgendwo muss man ja anfangen, und eines ist schnell klar: Die lateinischen Schriftzeichen, das deutsche Alphabet in Druck- und Schreibschrift, Klein- und Großschreibung, die korrekte Aussprache - all das ist gar nicht so einfach.
Insbesondere die deutschen Umlaute sind in etwa so schwierig wie das englische "th" bei den Deutschen. Der 18-jährige Kamran, zum ersten Mal im Deutschkurs bei dem Kapuziner, müht sich gerade am "ü" ab. "Ihr müsst den Klang der Buchstaben spüren", erklärt der Ordensmann. Es sorgt für allgemeine Heiterkeit, als er das "ü" mimik- und gestenreich immer wieder vorsagt und Kamran nachsprechen lässt. Der 15-jährige Navid lacht am lautesten und darf gleich mal zeigen, wie gut er inzwischen die drei deutschen Umlaute "ä", "ö" und "ü" gelernt hat.
Eine Art Einstiegshilfe für Flüchtlinge
Der Kapuzinerbruder gibt mit seinen Deutschkursen eine Art Einstiegshilfe für Flüchtlinge, die noch in einer Notunterkunft untergebracht sind. Drei- bis viermal in der Woche stellt er dafür Räume im St. Konradkloster zur Verfügung. Bruder Jeremias ist Teil eines rund 50-köpfigen Helferkreises, der sich im Landkreis für die Flüchtlinge in der Notunterkunft engagiert. Erst nach einigen Wochen können jugendliche Flüchtlinge eine Schule besuchen; Anspruch auf einen offiziellen Deutschkurs haben sie in der Regel erst dann, wenn ihr Asylantrag anerkannt ist.
Für die Zeit dazwischen ist kreative Hilfe von Ehrenamtlichen herzlich willkommen - auch bei den Flüchtlingen: Für Navid (Schüler, 15), dessen älteren Bruder Faissal (Installateur, 18), Kamran (Schreiner, 18) und Shams (Mechaniker, 30), alle aus Kabul in Afghanistan nach Deutschland geflohen, ist der Deutschkurs eine ebenso nützliche wie willkommene Ablenkung.
"Ich bin ja eigentlich kein Pädagoge", räumt Bruder Jeremias ein. Doch man merkt schnell, dass der 47-Jährige, in der Deutschen Kapuzinerprovinz zuständig für die Berufungspastoral, Erfahrung im Umgang mit jungen Menschen hat. Es wird viel gelacht, aber auch viel gearbeitet. Der Ordensmann stellt fest: "Man merkt, die wollen lernen." Keiner der vier jungen Afghanen kann Deutsch - nur Navid beherrscht ein wenig Englisch und fungiert daher oft als Dolmetscher zwischen Bruder Jeremias und den Kursteilnehmern.
Bruder Jeremias' Motivation für sein Engagement ist sein christliches Menschenbild. "Alle Menschen sind gleich", findet er. Angesichts der derzeitigen Herausforderungen will er nicht tatenlos zusehen, sondern mithelfen, damit die Leute vor Ort schnell Fuß fassen. Die jungen Kursteilnehmer seien schließlich nicht grundlos hier: "In Deutschland ist es sicher", sagen sie unisono. Ganz im Gegenteil zu Kabul: Navid und Faissal erzählen, sie seien zu Fuß von Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Deutschland geflohen, ihre Eltern und sechs weitere Geschwister mussten sie zurücklassen. "Ich telefoniere jeden Tag mit ihnen, weil ich Angst habe, dass ihnen etwas passiert", erzählt Navid. Shams ist gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter geflohen.
Jeder Bürger kann einen Beitrag leisten
Natürlich ist Bruder Jeremias klar, dass der Deutschkurs sowie die Musik- und Filmabende nur ein kleiner Beitrag sind. Doch für eine erfolgreiche Integration sei auch der erste Eindruck und das erste Kennenlernen wichtig. Hier könne jeder Bürger einen Beitrag leisten, ist er überzeugt. Denn so lange sie in Notunterkünften untergebracht sind, haben Flüchtlinge - außer durch ehrenamtliche Helfer - kaum Kontakt zur Außenwelt.
Einziger Wermutstropfen für Bruder Jeremias: Im Idealfall bleiben seine "Schüler" nicht lange. "Mit der einen Gruppe hatte ich gerade mit der Grammatik angefangen, da war sie schon wieder weg", erzählt er. Was Behörden und Hilfsorganisationen als Erfolg verbuchen können, weil sie für diese Menschen eine feste Bleibe gefunden haben, ist für den Ordensmann eine zusätzliche Herausforderung, da er sich immer wieder auf neue Schüler einstellen muss. Andererseits haben die Kapuziner im St. Konradkloster angeboten, vier Räume für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Vielleicht kommen also noch Menschen für längere Zeit.