Zwischen Pflicht und Opfer
Von Kriegsbegeisterung kaum eine Spur. "Aber die Bischöfe waren davon überzeugt, dass der Christ der rechtmäßigen Obrigkeit zu gehorchen habe", analysiert der Kirchenhistoriker Andreas Holzem. Sie beteten weniger für den Sieg, öfter aber um einen Frieden zum Wohl Deutschlands und sprachen vom göttlichen Strafgericht. Der Krieg wurde theologisch gedeutet. Der katholische Soldat kämpfte nicht für Hitler, sondern für das christliche Abendland.
Während Holocaust und Vernichtungskrieg alles bisher Dagewesene in den Schatten stellten, dachten die Bischöfe noch in den alten Kategorien vom gerechten Krieg und der Treue zur von Gott gesetzten Obrigkeit. Kein Gedanke daran, dass die Kirche den Krieg verurteilen könnte. Katholische Kriegsdienstverweigerer, denen die Hinrichtung drohte, wurden allein gelassen.
Im Krieg saßen die Katholiken zwischen den Stühlen
Selbst der Terror gegen das - katholische - Polen führte nur zu verklausulierten Eingaben der Bischöfe. Für sie waren diese Verbrechen ein Vorgeschmack darauf, was den deutschen Katholiken blühen könnte. Insbesondere Kardinal Adolf Bertram, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, wollte deshalb keine Konfrontation riskieren.
Öffentliche Zustimmung fand der Angriff auf die Sowjetunion: Galen sprach vom Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus. Der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger bezeichnete Russland als einen "Tummelplatz von Menschen, die durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind". Dennoch sieht der Historiker Andreas Holzem insgesamt keine Kreuzzugsstimmung. Für viele Katholiken waren Kommunismus und Nationalsozialismus gleichermaßen Zeichen für den Verfall einer gottlos gewordenen Welt.
Mit dem Krieg verschärfte sich auch der Nazi-Terror gegen die eigene Bevölkerung. Totale Mobilisierung, hemmungslose Gewalt und staatliche Großverbrechen: Für die Kirchen war das eine beispiellose Herausforderung, schreibt der Direktor der kirchennahen Forschungsstelle der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Karl-Joseph Hummel. Spätestens nach der Enzyklika "Mit brennender Sorge" 1937 sei klar gewesen, dass der NS-Staat der Kirche nicht wohl gesonnen war. Im Krieg saßen die Katholiken damit zwischen den Stühlen: Als Deutsche hofften sie auf den Sieg. Zugleich mussten sie befürchten, dass die Nazis dann mit der Kirche abrechnen würden. Die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht überdeckten manche Zweifel.
"Die Kirchen waren Teil der Kriegsgesellschaft"
Auch von Seiten der Nazis gab es widersprüchliche Strategien: Während Hitler aus taktischen Gründen für einen "Burgfrieden" mit der Kirche plädierte, verschärften andere die Repression - etwa gegen die Orden, gegen Gottesdienste und christlichen Feiertage.
Ob gewollt oder nicht: "Die Kirchen waren tragender und stützender Teil der Kriegsgesellschaft", sagt der Historiker Christoph Kösters von der Kommission für Zeitgeschichte. 1943 dienten rund 3.400 kirchliche Einrichtungen kriegsbedingten Zwecken, zwei Drittel aller Ordensfrauen erfüllten kriegswichtige Aufgaben, vor allem Krankenpflege. Auch durch Glockenläuten nach den Siegen gegen Polen und Frankreich oder durch die Militärseelsorge von 650 Feldgeistlichen stabilisierte die Kirche die Kriegsgesellschaft.
Andererseits zeigten Katholiken Distanz und Widerstand: Über 400 Priester wurden zwischen 1933 und 1945 in ein KZ gebracht, 107 kamen dort zu Tode. 63 weitere Priester wurden hingerichtet oder ermordet. Galen protestierte 1941 öffentlich gegen die Vernichtung vermeintlich "lebensunwerten Lebens". Zur Verfolgung der Juden schwiegen die Bischöfe hingegen. Nur indirekt verurteilten sie den Völkermord, etwa mit ihrem "Menschenrechtshirtenbrief" im März 1942. Einzelne Christen, die Verfolgten halfen oder einen Umsturz mitplanten, bezahlten dies mit der Einlieferung ins KZ und wie der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg mit ihrem Leben.
Von Christoph Arens (KNA)