Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr zur AfD und anderen Asylgegnern

"Das Mitgefühl mit Flüchtlingen nicht vergessen"

Veröffentlicht am 11.11.2015 um 13:30 Uhr – Von Gregor Krumpholz und Karin Wollschläger (KNA) – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Erfurt ‐ Bischof Ulrich Neymeyr knipste am Erfurter Dom das Licht aus, um AfD-Kundgebungen keine Kulisse zu bieten. Im Interview spricht er über er seine Sicht auf die AfD, einen möglichen Dialog mit der Partei und den Umgang mit Fremdenfeindlichkeit.

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Frage: Herr Bischof, welche Reaktionen haben Sie nach der Entscheidung erhalten, den Erfurter Domberg bei den AfD-Demonstrationen nicht zu beleuchten?

Neymeyr: Ich habe ungefähr 200 Mails und Briefe bekommen, die zum größten Teil ablehnend und oft beleidigend formuliert waren. Wer nicht anonym geschrieben hat und höflich geblieben ist, erhält von mir eine Antwort. Ich habe aber auch Zustimmung erhalten, nicht nur von Christen, dieses Zeichen zu setzen. Wie ich sind viele dagegen, dass diese Demonstrationen nicht auf die menschlichen Schicksale der Flüchtlinge Rücksicht nehmen und sie nur als riesiges politisches Problem für Deutschland und die Deutschen sehen.

Frage: Welche Argumente gab es in den kritischen Zuschriften?

Neymeyr: Es waren Ängste vor einer Überfremdung, dass Deutschland sich zu einer Gesellschaft entwickelt, in der die deutsche Kultur nur noch eine neben anderen ist, auch die Sorge vor einer Überfremdung durch den Islam.

Frage: Wie antworten Sie den Menschen, die das befürchten?

Neymeyr: Wir gewähren Muslimen Toleranz, aber wir fordern sie auch von ihnen. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die wir jetzt aufnehmen, können wir diese Forderung nun umso deutlicher erheben, gerade auch gegenüber islamisch geprägten Ländern. Damit stützen wir zugleich die Muslime, die bereits bei uns leben und ihre Religion in einer freiheitlichen Gesellschaft und in Übereinstimmung mit Verfassung und Gesetzen leben wollen.

Der Erfurter Domberg bei Nacht.
Bild: ©twoandonebuilding/Fotolia.com

Bischof Ulrich Neymeyr lässt bei AfD-Kundgebungen die Beleuchtung des Dombergs abschalten. Er folgt einem Beispiel von Rainer Kardinal Woelki, der bei Demonstrationen von Pegida den Kölner Dom verdunkelte.

Frage: Zwei AfD-Abgeordnete im Landtag sind Katholiken, was sagen Sie ihnen?

Neymeyr: Sie kennen meine Haltung, wie wichtig es mir ist, bei allen politischen Diskussionen das Mitgefühl mit den Menschen, die zu uns kommen, nicht zu vergessen. Das muss sich auch darin ausdrücken, wie man über diese Menschen spricht.

Frage: Sind Sie im Gespräch mit der AfD, ist ein solcher Dialog sinnvoll?

Neymeyr: Ein solches Gespräch braucht als Voraussetzung unter anderem, dass das Schicksal der Flüchtlinge im Blick bleibt. Da sehe ich bei der AfD großen Nachholbedarf. Auch gab es bei den AfD-Kundgebungen Äußerungen über meine Person und die Kirche, die erst einmal zwischen uns stehen.

Frage: Sie haben an der Großdemonstration unter dem Motto "Mitmenschlich in Thüringen" am Montagabend auf dem Domplatz teilgenommen. Wie wichtig ist Ihnen das Bündnis der gesellschaftlichen Kräfte, das die Kundgebung veranstaltet hat?

Neymeyr: Es ist wichtig zu zeigen, wie viele Gruppierungen dieses Anliegen teilen. Sie sind ja auch alle engagiert in der Sorge um die Flüchtlinge. Das Engagement ist auch sinnvoll mit Blick auf die Menschen, die noch unentschlossen sind, damit sie wissen, wie die überwältigende Mehrheit in Thüringen denkt.

Frage: Die CDU beteiligt sich nicht an dem Bündnis, was halten Sie davon?

Neymeyr: Ich bedauere das, weil das Bündnis ausdrücklich keine Parteipolitik betreibt. Über die Bewältigung der Flüchtlingskrise und ihrer Ursachen muss natürlich auch politisch gerungen werden. Das Bündnis ist aber der Versuch, darüber hinaus die grundlegende Gemeinsamkeit der demokratischen Kräfte zu formulieren.

Linktipp: Wir sind Bischof - Ulrich Neymeyr, Erfurt

In "Wir sind Bischof" werden die Bischöfe Deutschlands präsentiert. In dieser Ausgabe spricht Ulrich Neymeyr, Bischof von Erfurt, über Aufgaben und Herausforderungen in seiner thüringischen Diözese.
Von Gregor Krumpholz und Karin Wollschläger (KNA)