Deutsche Kirche braucht neue missionarische Kraft
Franziskus verwies auf den starken Rückgang des Gottesdienstbesuchs und des sakramentalen Lebens sowie den Mangel an Priesterberufungen in Deutschland. Davor dürfe die Kirche jedoch weder resignieren, noch versuchen, "aus dem Strandgut der 'guten alten Zeit' etwas zu rekonstruieren, was gestern war", so der Papst in seiner den Bischöfen in schriftlicher Form überreichten Rede.
"Die Kirche ist kein geschlossenes System"
Ebenso wenig dürfe sich die Kirche auf ihre Organisation und Verwaltungsstrukturen zurückziehen. Franziskus kritisierte eine "fortschreitende Institutionalisierung" und "übertriebene Zentralisierung" der Kirche in Deutschland. Diese Entwicklung schade der missionarischen Dynamik. Wörtlich formulierte der Papst: "Die Kirche ist kein geschlossenes System, das ständig um die gleichen Fragen und Rätsel kreist. Die Kirche ist lebendig, sie stellt sich den Menschen vor Ort, sie kann in Unruhe versetzen und anregen." Das Gesicht der Kirche dürfe nicht erstarren.
"Das Gebot der Stunde ist eine pastorale Neuausrichtung", so der Papst. Die Seelsorge müsse in allen Bereichen "expansiver und offener" werden, die Strukturen stärker auf die Verkündigung ausgerichtet sein. Der Papst räumte ein, es sei sehr schwer, verweltlichte Menschen zu erreichen. Aber Gott handele immer zuerst, es sei an ihm, die Herzen der Menschen zu berühren.
Franziskus rief die Bischöfe auf, die katholische Lehre in Deutschland zu bewahren und das Glaubensleben zu fördern. Dies betreffe eine Neubelebung des Sakramentenempfangs in den Gemeinden, insbesondere Beichte, Firmung, Ehesakrament und Eucharistie. Voraussetzung dafür sei die Anwesenheit von Priestern. "Die wertvolle Mithilfe von Laienchristen im Leben der Gemeinden, vor allem dort, wo geistliche Berufungen schmerzlich fehlen, darf nicht zum Ersatz des priesterlichen Dienstes werden oder ihn sogar als optional erscheinen lassen. Ohne Priester gibt es keine Eucharistie", stellte der Papst klar.
Papst stellt sich hinter Katholische Uni Eichstätt-Ingolstadt
Nachdrücklich mahnte er die Bischöfe, das katholische Profil kirchlicher Bildungseinrichtungen zu wahren. Katholische Fakultäten an staatlichen Universitäten seien eine Chance zum Dialog mit der Gesellschaft. Doch auch die kircheneigene Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) sei "von großem Wert für ganz Deutschland", sagte er. Ein Engagement der gesamten Bischofskonferenz für die KU "wäre daher wünschenswert, um ihre überregionale Bedeutung zu stärken und den interdisziplinären Austausch über Fragen der Gegenwart und der Zukunft im Geist des Evangeliums zu fördern".
Der Papst rief die Oberhirten auf, wie ein "treusorgender Vater" die theologischen Fakultäten zu begleiten und den Lehrenden zu helfen, "die kirchliche Tragweite ihrer Sendung im Auge zu behalten". Die Treue zu Kirche und Lehramt widerspreche nicht der akademischen Freiheit, sie erfordere jedoch eine Haltung der Dienstbereitschaft gegenüber den Gaben Gottes. "Das sentire cum Ecclesia (Fühlen mit der Kirche) muss besonders diejenigen auszeichnen, welche die jungen Generationen ausbilden und formen."
Papst dankt deutschen Katholiken für Flüchtlingshilfe
Viel Lob und Dank hatte Franziskus für die christlichen Kirchen in Deutschland und deren großzügige Hilfe für hunderttausende Flüchtlinge übrig. Sie leisteten einen enormen Einsatz, um diese Menschen aufzunehmen und ihnen Beistand und menschliche Nähe zu geben, sagte er. "Im Geiste Christi wollen wir uns immer wieder den Herausforderungen durch die große Zahl der Hilfesuchenden stellen."
Abschließend rief Franziskus die Bischöfe auf, den Lebensschutz in Deutschland entschlossen zu vertreten. "Die Kirche darf nie müde werden, Anwältin des Lebens zu sein und darf keine Abstriche darin machen, dass das menschliche Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod uneingeschränkt zu schützen ist."
Zum Abschluss lud der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, den Papst zu einem Besuch in Deutschland ein. Er hoffe, dass diese Einladung "auf einen guten Boden" falle, sagte Marx im Anschluss vor Journalisten. Zu einem möglichen Termin wollte er sich nicht äußern. Es könne sich jedoch nicht vorstellen, dass eine solche Visite 2017 im Jahr des 500-jährigen Reformationsgedenken in Fragen komme.
Kardinal Marx zufrieden über Papstgespräch
Marx äußerte sich zufrieden über den Verlauf des Ad-limina-Besuchs und die Begegnung mit dem Papst. Seine Mitbischöfe und er kehrten nach einer Woche ermutigt und gestärkt in ihre Diözesen zurück, sagte er. Sie hätten mit Franziskus und mit den Kurienbehörden eine Vielzahl von Themen, Fragen, Herausforderungen und auch von Problemen der Kirche behandelt. Ausdrücklich habe er dem Papst für die jüngste Bischofssynode und für die Anstöße zu einer synodalen Kirche mit einer stärkeren Dezentralisierung gedankt, so der Münchener Kardinal.
Neben der Berichterstattung über die Situation in den Diözesen an den Papst, diente die fünftägige Reise auch der Information der Bischöfe über die Arbeit der Kurie. "Ich hoffe, dass der Papst kritisch hinschaut, auch wo unsere Defizite sind", betonte der Kardinal. Nur so könne sich der Weg einer missionarischen Kirche weiterentwickeln.
Als "starkes Signal" wertete Marx das Geschenk eines Kelches an die evangelisch-lutherische Gemeinde am vergangenen Sonntag. Dieses habe stärker auf eine Einheit hingezielt als seine allgemeinen pastoralen Bemerkungen zu einer möglichen Abendmahlsgemeinschaft. Seine Äußerungen dazu seien "nicht umwerfend und neu und auch nicht überraschend" gewesen. (luk/KNA)