Benedikt Welter ist neuer Sprecher des "Wort zum Sonntag"

"Das Gottesgerücht aufrechterhalten"

Veröffentlicht am 27.11.2015 um 00:01 Uhr – Von Julia-Maria Lauer – Lesedauer: 
Fernsehen

Bonn ‐ Benedikt Welter ist neuer Sprecher der Fernsehsendung "Wort zum Sonntag". Im Interview mit katholisch.de äußert sich Welter zu der Sendung, den Herausforderungen seiner neuen Aufgabe und den inhaltlichen Akzenten, die er setzen möchte.

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Frage: Herr Welter, Sie sind neuer Sprecher des "Wort zum Sonntag". Wie wird man das?

Welter: Das war die Initiative unseres Rundfunkbeauftragten vom Bistum Trier am Saarländischen Rundfunk. Weil ich schon länger für den Saarländischen Rundfunk tätig bin, hat er mich und einen Kollegen gefragt, ob wir bereit wären, eine Art Casting zu machen und uns ins Rennen zu begeben. Das haben wir gemacht und ein Probewort zum Sonntag aufgenommen. Dann gab es ein Treffen mit anderen Rundfunkbeauftragten und der Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz. Danach mussten wir drei Aufgaben vor der Kamera bewältigen: In jeweils anderthalb Minuten ein Ereignis aus der eigenen Kindheit erzählen, unser Lieblingsgericht beschreiben und jemandem, der nicht Christ ist, erklären, was uns als Christen der christliche Glaube bedeutet. Schließlich fiel das Los auf mich.

Frage: Im Saarländischen Rundfunk haben Sie schon langjährige Erfahrung mit kirchlichen Verkündigungssendungen gesammelt. Was begeistert Sie als Priester an dieser Aufgabe?

Welter: Wir leben in einer medialen Welt. Gottseidank haben wir aufgrund der staatskirchenrechtlichen Organisation einen öffentlichen Rundfunk. Dieser bietet der Kirche die  Möglichkeit, den Zuschauern gute Gedanken mitzugeben. Wir können auf diese Weise andere Menschen erreichen als über die kirchlichen Angebote vor Ort. So können wir das "Gottesgerücht" aufrechterhalten, wie es der Pastoraltheologe Paul Zulehner so schön nannte. Wir werden sicher keine große Bekehrungswelle auslösen. Aber wenn die Kirche den Menschen das, was sie ist, durch ein gutes Wort mit auf den Weg gibt, können diese es annehmen und im Kopf oder im Herzen weiterwirken lassen.

Frage: Wer guckt denn das "Wort zum Sonntag"?

Welter: Von der Altersgruppe her sind es wohl vor allem die 60-Jährigen plus. Das "Wort zum Sonntag" hat wohl Zuschauer und Zuschauerinnen, die sonntags in die Kirche kommen und religiös vorgebildet sind. Aber wir wollen auch die erreichen, die sich gerade die Tagesthemen angeschaut haben und nun überlegen, ob sie sich die Nacht mit Ina Müller, Boxen oder den Spätfilm ansehen. Genau in diesem Moment des Zögerns erscheint das Wort zum Sonntag und der Zuschauer bleibt vielleicht dran. Das kann gerade auch jemand sein, der kirchenfern ist, der nicht gezielt sucht und der sich in diesem Augenblick fragt, was ihm dieser Priester oder diese Pastorin zu sagen hat.

Szene aus der ARD-Sendung "Wort zum Sonntag" Ende der 1980er Jahre.
Bild: ©WDR

Das "Wort zum Sonntag" - hier eine Ausgabe aus den 1980er Jahren - ist nach der "Tagesschau" die zweitälteste Sendung des deutschen Fernsehens.

Frage: Häufig reden die Sprecher aber gar nicht von Gott, geschweige denn von Jesus Christus. Wo ist denn in einem solchen Fall der Mehrwert gegenüber einem ganz normalen weltlichen Ratschlag?

Welter: Das ist die spannende Aufgabe. Wir realisieren aktuell, dass sich in den letzten Jahrzehnten tatsächlich etwas geändert hat. Wir leben in einer Gesellschaft, in der man auch gut leben kann, ohne glauben zu müssen. Lange Zeit war "gut" im moralischen Sinn auch gebunden an Religion, an Gott und seine Gebote. Mittlerweile ist das anders. Ich kann mich für die Schöpfung engagieren, ohne dass ich an den Schöpfer glauben muss. Ich kann mich für Menschen und Menschenrechte einsetzen, ohne dass ich Jesu Gebot der Nächstenliebe verinnerlicht haben muss. Wir können also die Menschen Gott entdecken lassen, ohne explizit von ihm zu sprechen. Das ist möglich, weil Gott selbst in diese Welt gekommen ist. Dadurch, dass wir als Kirche Stellung nehmen, scheint Gott aber implizit auf. Wir brauchen keinen Terror der Gottesrede. Unser Gott begibt sich wirklich so sehr in Menschliches hinein, dass er genau dort implizit aufscheint und entdeckt werden kann. So kann auch eine Rede religiös sein, ohne dass das Wort Gott oder Jesus dort auftaucht.

Frage: Von theologischer Seite ist das sicher keine Frage. Aber ein Mensch, der mit Kirche oder Religion nichts zu tun hat, wird doch gar nicht erkennen, dass da ein "Mehr" enthalten ist...

Welter: Der Kontext spielt hier eine Rolle. Es handelt sich um ein religiöses Sonderformat. Dann ist dort eingeblendet "evangelische Kirche" oder "katholische Kirche", so dass man sich als Zuschauer schon denken kann, für was der Sprecher steht. Da ist zumindest schon mal ein Feld geschaffen, dass gewissermaßen eine Gottahnbarkeit eröffnet. Aber es geht ja auch darum, aufzugreifen, was gerade aktuell passiert. Stichwort Terroranschläge. Da kann man dann entscheiden, ob man explizit etwas über Gott sagt. Oder ob man den Mehrwert dadurch erreicht, dass eine kirchliche Stimme sich zu Wort meldet. Das ist etwas anderes, als wenn das beispielsweise ein Versicherungsvertreter tut.

Linktipp: Am Anfang war das Wort

Von den einen wird es als willkommene Pause zum Bierholen betrachtet, für die anderen gehört es zum Samstagabend einfach dazu: das "Wort zum Sonntag". Seit über 60 Jahren strahlt die ARD am späten Samstagabend kurz nach 22 Uhr den geistlichen Impuls aus - damit ist er ein Klassiker in der deutschen Fernsehlandschaft und die zweitälteste TV-Sendung nach der "Tagesschau".

Frage: Auch im "Wort zum Sonntag" nach den Terroranschlägen von Paris sprach der Pfarrer kein einziges Mal von Gott oder Jesus. Er zitierte lediglich Paulus: "Wenn ich schwach bin, bin ich stark." Wie soll das jemand verstehen, wenn er keine Ahnung von Kirche und Glauben hat? Wie kann das ein Trost sein?

Welter: (Pause) Ja, da haben Sie recht. Pfarrer Gereon Alter hat ja dann noch den offenen Brief eines Mannes zum Thema gemacht, der bei den Anschlägen seine Frau verlor und nichtsdestotrotz dazu aufrief, nicht dem Hass nachzugeben. Der Pfarrer sagte dazu, unabhängig davon, wie dieser betroffene Mensch religiös dastehe, habe er einen neuen Horizont eröffnet. Aus Sprechersicht ist das wie ein Stochern im Nebel. Das Wort zum Sonntag hat 1,4 Millionen Zuschauer. Darunter sind sicher viele religiös geprägte Menschen, aber es werden auch viele dabei sein, die religiös indifferent und nicht gebunden sind. Wie platziert man jetzt "Gott" oder "Jesus"? Gleichzeitig muss natürlich der explizite Gedanke an Gott wachgehalten werden. Es muss deutlich werden: Euer Leben hat immer etwas mit Gott zu tun und sei es eine noch so verzweifelte oder schlimme Situation. Das ist für uns als Sprecher die intellektuelle und spirituelle Herausforderung.

Frage: Wo wäre denn die implizite Gottesrede angebracht?

Welter: Vielleicht in dem, was wir das Menschliche, Allzumenschliche nennen. In der Beobachtung des Alltags, in Begegnungen, bei dem, was einem selbst widerfährt. Hier soll das Göttliche im Normalmenschlichen erkennbar werden. Denn die Kirche darf nicht Antworten auf Fragen geben, die niemand stellt. Wir brauchen keine Schablonen. Wir wollen die Menschen berühren und ihnen zeigen, dass das Rettende – für uns der Rettende – nah ist, auch wenn die Verzweiflung am allergrößten ist. Mir geht es nicht darum, das Wort Gott zu vermeiden. Aber wenn es auftaucht, darf es nicht so verstanden werden 'Aja, das muss der jetzt sagen, dafür wird er bezahlt, das ist sein Job.' Vielmehr muss es zum Thema passen und diesem eine neue Wendung auf das Geheimnis Gottes hin geben. Dieses Weiten auf Gott hin ist meine Intention.

Frage: Welche Akzente möchten Sie noch setzen?

Welter: Ich muss mich zunächst ins Format einfinden und innere Sicherheit gewinnen. Es wird eine Herausforderung sein, im Studio zu stehen und von dort aus ins Nichts hinein so zu sprechen, als ob meine Zuschauer direkt vor mir sitzen würden. Es geht mir darum, authentisch zu sein. Die Menschen müssen mir abnehmen können, was ich sage. Dann diese Frage: Wann rede ich explizit von Gott, mit Bezug auf die Heilige Schrift, und wann nur implizit? Die Frage stellt sich für mich immer wieder neu. Ich sehe nicht, dass es da ein Rezept gibt. Und schließlich soll das, was ich tue, immer hingelenkt sein auf die Gegenwart des Göttlichen. Ich zitiere den Heiligen Paulus: 'Betet ohne Unterlass!' Das Gebet ist kein formaler Akt, sondern Beginn der Verkündigung. Nur so ist Verkündigung überhaupt möglich. Der kirchliche mediale Auftritt kann deshalb nur gelingen, wenn er in einen geistig-spirituellen Prozess eingebettet ist. Er darf nicht der eigenen Eitelkeit dienen. Damit kämen wir nicht weit!

Zur Person

Benedikt Welter wurde 1965 in Neuwied am Rhein geboren. Nach seinem Theologiestudium in Trier und Salzburg wurde er 1991 zum Priester geweiht. Ab 1994 war Welter zwei Jahre Assistent am Deutschen Liturgischen Institut in Trier. 1996 wurde er Pfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Trier. Seit 2005 ist Welter Pfarrer der Pfarrei St. Jakob in Saarbrücken mit den beiden Kirchen St. Jakob und Heiligkreuz. 2010 wurde ihm zudem die Aufgabe des Dechanten übertragen. Seit mehreren Jahren ist er im Saarländischen Rundfunk in Verkündigungssendungen wie "SR 2-Innehalten" oder "Morgenfeiern" zu hören. Sein erstes "Wort zum Sonntag" wird er am 23. Januar 2016 im Ersten Deutschen Fernsehen sprechen.
Von Julia-Maria Lauer