Volker Resing über den Glauben Angela Merkels

Das "C" an der Kanzlerin

Veröffentlicht am 14.12.2015 um 00:01 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Volker Resing über den Glauben Angela Merkels

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Angela Merkel hat sich lange gescheut, ihren Glauben und ihre Kirchlichkeit zu sehr in die Politik zu tragen. Einem Freund, der Pfarrer ihrer Gemeinde war, erklärte die heutige Bundeskanzlerin einmal, sie käme nicht zu ihm, weil sie nicht vor laufender Kamera beten wolle. Das führte am Anfang ihrer politischen Karriere zu einem großen Missverständnis. Während Sie als Pfarrerstochter in der DDR im uckermärkischen Templin damit aufgewachsen war, dass ihr Christsein ein Politikum war, empfand sie es nach der Wende gerade als Akt der Freiheit, diesen Glauben nun zurück ins Private ziehen zu können. Ihre zumeist westdeutschen Parteifreunde der "C"-Partei argwöhnten hingegen, es gebe bei ihr eine irgendwie geartete "C"-Ferne. Galt es doch in der sich säkularisierenden West-Öffentlichkeit die Anwesenheit von Glauben und Gott im öffentlichen Diskurs zu verteidigen. 

Merkel das "C" abzusprechen war also lange üblich in bestimmten CDU-Kreisen. Dies war etwas voreilig, zumal Merkel mutmaßlich bibelfester ist, als alle zurückliegenden CDU-Kanzler der Union. Es war auch deswegen ziemlich oberflächlich, da eben gerade die öffentliche Zurschaustellung einer Christlichkeit bisweilen der Gefahr der Scheinheiligkeit nicht entgeht. Inzwischen hat sich das Blatt mehrfach gewendet. Merkel selbst sieht, dass die sich entkirchlichende Gesellschaft ein deutlicheres öffentliches Bekenntnis verlangt. Denn auch ein Nicht-Bekenntnis wäre eine Aussage. Deswegen gibt es von Merkel inzwischen geradezu missionarische Töne. So fordert sie, man solle häufiger in die Kirche gehen und in der Bibel lesen, wenn man Sorge vor einer Islamisierung habe.

Auf der anderen Seite haben die Kirchen in der Flüchtlingskrise ihre große Liebe zu Angela Merkel entdeckt. Selbst das Magazin Time rühmt mit religiösem Vokabular die "Barmherzigkeit" der Kanzlerin. Doch dies ist gefährlich. Die Kirchen dürfen nicht der Versuchung erliegen, christliche Gütesigel für Politiker zu vergeben. Auch die CDU wird nicht in der Flüchtlingskrise irgendwie "christlicher". Der Anspruch des "C" muss sich immer einer konkreten (kirchlichen) Qualifizierung entziehen, sonst wird es anmaßend – für beide Seiten.

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Von Volker Resing