Vor 125 Jahren starb Heinrich Schliemann

Wegbereiter der modernen Archäologie

Veröffentlicht am 26.12.2015 um 00:01 Uhr – Von Birgitta Negel-Täuber (KNA)  – Lesedauer: 
Wegbereiter der modernen Archäologie
Bild: © KNA
Geschichte

Bonn ‐ Er zerstörte mit seinen Grabungen wertvolle Kulturgüter. Dennoch gilt Heinrich Schliemann als Begründer der modernen Archäologie. Vor 125 Jahren starb der Entdecker des sagenumwobenen Troja.

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Die Anfänge seiner Ausnahme-Karriere waren holprig. Heinrich wurde am 6. Januar 1822 im mecklenburgischen Neubukow geboren. Als er neun Jahre alt war, starb seine Mutter bei der Geburt des neunten Kindes, der Vater gab im Jahr darauf seine älteren Kinder in die Obhut von Verwandten. Als er "aus moralischen Gründen" aus seinem Amt als Pfarrer in Ankershagen entfernt wurde, war für den Sohn der Besuch des Gymnasiums zu Ende, der Vater konnte das Schulgeld nicht mehr bezahlen.

Heinrich wurde Handlungsgehilfe in Fürstenberg. Dass er dort nicht bleiben würde, stand für den inzwischen 19-Jährigen fest; ihn zog es in die Großstadt. Hamburg war seine nächste Station, aber berufliche Erfolge warteten dort nicht auf ihn. Auch der Plan nach Venezuela auszuwandern scheiterte, sein Schiff sank vor der holländischen Küste.

Während des Krimkriegs verdiente er ein Vermögen

Heinrich Schliemann ging nach Amsterdam - und hier endlich wendete sich das Blatt: Als Angestellter einer Handelsfirma konnte er vor allem mit seiner enormen Sprachbegabung punkten, in kürzester Zeit beherrschte er neben Niederländisch zahlreiche andere Sprachen. Im Auftrag der Firma ging er 1846 nach Sankt Petersburg und eröffnete dort schon bald sein eigenes Handelskontor. Von jetzt an ging es rasant aufwärts mit dem jungen Kaufmann: Die Heirat mit einer Petersburgerin ebnete ihm den Weg in die russische Gesellschaft. Als Lieferant von Indigo für die zaristische Armee verdiente er während des Krimkriegs ein Vermögen.

Bild: ©czamfir/Fotolia.com

Die Ruinen der legendären Stadt Troja liegen nach heutiger Lehrmeinung in der Landschaft Troas im Nordwesten der heutigen Türkei.

Bereits jetzt, mit 34 Jahren, dachte er daran, aus dem Handel auszusteigen. Erstmals sprach er davon, "das Vaterland meines Lieblings Homer" zu bereisen. Den Traum von Troja hatte er sich aus seiner Kindheit im heimischen Ankershagen bewahrt.

Acht Jahre später war es dann soweit: Schliemann löste seine Firmen in Sankt Petersburg auf und ging auf Weltreise, danach ließ er sich in Paris nieder und begann zu studieren. Seine wenig glückliche Ehe war damit beendet, denn seine Frau weigerte sich entschieden, ihm mit den drei Kindern zu folgen. Eine zweite Ehefrau suchte er sich ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit: Schön sollte sie natürlich sein, jung, anders als er des Altgriechischen mächtig und begeistert von Homer. Ein mit ihm befreundeter Bischof zeigte ihm ein Foto seiner 17-jährigen Nichte Sofia - der inzwischen 47-jährige Schliemann griff zu. Auch diese Ehe wurde nicht glücklich, aber Sofia unterstützte ihren Mann bei seinen Grabungen und verwaltete später sein Erbe.

Auf der Suche nach dem sagenhaften Troja

Ein Jahr zuvor war Schliemann erstmals durch Griechenland und die angrenzende Türkei gereist, auf der Suche nach dem sagenhaften Troja. Eher zufällig lernte er dabei den Briten Frank Calvert kennen, einen passionierten Hobby-Archäologen. Der besaß Land in Hisarlik und hatte dort bereits angefangen zu graben. In Schliemann fand er einen Geldgeber für seine Unternehmung, wurde von ihm aber schon bald in den Hintergrund gedrängt.

Archäologie war im 19. Jahrhundert so etwas wie Schatzsuche. Viele Ausgräber waren auf spektakuläre Einzelfunde aus; reiche Außenseiter waren keine Seltenheit. Die Archäologie steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen, auch Schliemann ging bei seinen Grabungen in Hisarlik eher grobschlächtig vor: Der sogenannte Schliemann-Graben von 40 Metern Breite und 48 Metern Länge ist noch heute zu besichtigen, Zeugnisse langer Epochen wurden dadurch unwiederbringlich zerstört.

Linktipp: Hab 'n Grabmal im Garten

Es war der vielleicht spektakulärste archäologische Privatfund der deutschen Geschichte. Vor 50 Jahren machten ein paar junge Kölner im Garten Testgrabungen für ein Baufundament - und stießen auf das riesige Römergrab des Poblicius.

Aber Schliemann lernte aus seinen Fehlern. Bei späteren Grabungen nahm er professionelle Hilfe durch Wilhelm Dörpfeld in Anspruch. Mit ihm zusammen entwickelte er die stratigrafische Methode: Durch das Sammeln von Einzelbeobachtungen - besonders der Keramik im Fundzusammenhang der einzelnen Schichten - klärten die Archäologen die Kulturschichtenfolge bis zum gewachsenen Boden. Diese Methode hatte Schliemann auch in Troja praktiziert, sie hatte ihn aber trotzdem in die Irre geführt. Er hielt die zweite Schicht für das homerische Troja, tatsächlich war sie weit älter.

1873 hob er den "Schatz des Priamos"

1873 hob er den "Schatz des Priamos", der inzwischen mykenischen Königen der Bronzezeit um 1.600 v. Chr. zugeschrieben wird und schenkte ihn "dem deutschen Volk zu ewigem Besitz und ungetrennter Aufbewahrung in der Reichshauptstadt". Die Türkei protestierte vergeblich gegen die illegale Ausfuhr, seit 1945 befinden sich die Funde als "Beutekunst" in Moskau.

Der zierliche, nur 1,56 Meter große Schliemann war von rastloser Energie. Weitere Grabungskampagnen in Troja folgten. Er ging in Deutschland auf Vortragsreisen und schrieb mehrere Bücher, die zu Bestsellern wurden. Den Kontakt zu seinen Geschwistern in Ankershagen und seiner Heimat hatte er immer gehalten, und die Heimat dankte es ihm. Schliemann wurde mit Ehrungen überhäuft, die Universität Oxford verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Aber am Ende waren seine Kräfte aufgebraucht. Nach einer Operation in Deutschland besuchte er trotz seiner geschwächten Gesundheit auf der Rückreise nach Griechenland Pompeji, erlitt einen Rückfall und starb.

Von Birgitta Negel-Täuber (KNA)