Bei Spaniens Wahlen am Sonntag droht ein antiklerikaler Linksruck

Auf Kosten der Kirche

Veröffentlicht am 19.12.2015 um 10:01 Uhr – Von Manuel Meyer (KNA) – Lesedauer: 
Spanien

Madrid ‐ Bei der Parlamentswahl in Spanien könnte das seit rund 40 Jahren etablierte Zwei-Parteien-System aus Konservativen und Sozialisten am Sonntag ein Ende finden. Neue Parteien ernten auch mit antikirchlichen Forderungen Zuspruch in den Umfragen.

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Doch die linke Partei Podemos (Wir können) und die liberalen Ciudadanos (Bürger) haben das politische Klima verändert. Obwohl beide Parteien zum ersten Mal an Parlamentswahlen teilnehmen, liegen sie nur knapp hinter den beiden Volksparteien und könnten als "Königsmacher" die künftige Regierungspartei bestimmen.

Das bevorstehende Ende des traditionellen Zwei-Parteien-Systems, in dem sich Konservative und Sozialisten rund 40 Jahre an der Macht abwechselten, könnte auch gravierende Auswirkungen auf die Kirche haben. Vor allem das Aufkommen der linkspopulistischen Podemos, einer Schwesterpartei der griechischen Syriza, hat bei der Vereinten Linken (IU) und der sozialistischen Oppositionspartei zu einem antiklerikalen Linksruck geführt. "Beide Parteien versuchen mit verstärkt laizistischen Wahlversprechen, ihre linken Wähler von einem Wechsel zu Podemos abzuhalten", erläutert der Wahlforscher Jose Pablo Ferrandiz.

Forderungen nach einer höheren Besteuerung der Kirche

Alberto Garzon, Spitzenkandidat der Vereinten Linken, wählte provokativ und medienwirksam den Eingang zur Madrider Almudena-Kathedrale, um eine höhere Besteuerung der Kirche und die Streichung des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen zu fordern.

Linktipp: Düstere Prognose

Innerhalb der Europäischen Union droht eine soziale Spaltung. Die EU-Kommission stellte am Dienstag in Brüssel ihren Bericht zur sozialen Lage in Europa vor. Demnach geht es dem Norden vergleichsweise gut; in Osteuropa, Griechenland oder Spanien dagegen könnten immer mehr Menschen in die Armut abrutschen.

Auch der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sanchez will die Kirche stärker besteuern. Vor allem möchte er alle der Kirche gehörenden Gebäude, die nicht religiösen Zeremonien dienen, der üblichen Immobiliensteuer unterstellen. Auch den Religionsunterricht will Sanchez aus den Lehrplänen staatlicher Schulen streichen. Die Ankündigung habe ihn überrascht, erklärte der Sprecher der Bischofskonferenz, Jose Maria Gil Tamayo. "Es hat den Anschein, als hätte die PSOE einen Teil der geltenden Verfassung einfach vergessen". In ihr wird Religion als ein wertvolles Gut hervorgehoben.

Und auch die liberalen Ciudadanos von Albert Rivera sprechen sich für eine deutlichere Trennung zwischen Staat und Kirche aus. Rivera kritisiert zwar den "Anti-Klerikalismus" der Linksparteien, kündigte jedoch für den Fall eines Wahlsiegs ebenfalls an, die Kirche stärker zur Kasse zu bitten. Zudem werde er das heutige Wahlfach katholische Religion durch das Unterrichtsfach "Geschichte der Religionen" ersetzen. Mit Podemos sind es damit inzwischen vier ernstzunehmende Parteien, die Kirchenrechte einschränken und den laizistischen Charakter des Staates verstärken wollen.

Bild: ©KNA

Ricardo Blazquez Perez ist Erzbischof von Valladolid und seit März 2014 Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz.

Podemos hat mit Abstand das antiklerikalste Wahlprogramm. Die Linkspopulisten wollen sämtliche Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien außer Kraft setzen, sollten sie die Wahlen gewinnen oder eine Regierungskoalition bilden können. Die Protestpartei will gar die Seelsorge und Messen in staatlichen Krankenhäusern, Universitäten, in der Armee sowie in den Botschaften streng verbieten.

Die Konservativen als letzte kirchliche Bastion?

Sollte aus den Wahlen eine linke Regierungskoalition aus Podemos und Sozialisten hervorgehen, dürfte es darüber hinaus erneut zu einer Revision des Abtreibungsgesetzes kommen. Erst im September verabschiedeten die regierenden Konservativen von Ministerpräsident Mariano Rajoy mit ihrer Mehrheit eine leichte Verschärfung der von der sozialistischen Vorgängerregierung 2009 liberalisierten Regelung. Die Reform der Reform fiel jedoch deutlich moderater aus als zunächst angekündigt.

Rajoy kündigte im Wahlkampf bereits an, er werde weder gegen die ebenfalls von den Sozialisten eingeführte "Homo-Ehe" angehen noch eine weitere Verschärfung des Abtreibungsgesetzes vorantreiben. Dennoch sind die Konservativen derzeit die einzige Partei in Spanien, die in größerem Umfang für die Ziele und Werte der katholischen Kirche steht.

Von Manuel Meyer (KNA)