An der Krippe von Bethlehem
„Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt.“
31. Dezember: Die Sterndeuter
Wie die Einwohner von Bethlehem werden die Sterndeuter in der Weihnachtsgeschichte nur kurz erwähnt. Wir erfahren, dass ein Stern sie leitete, dass sie in Jerusalem zunächst beim weltlichen Herrscher Herodes nach dem neuen König fragten, dass sie ihre Gaben zu Jesus brachten und dass sie auf einem anderen Weg zurück in ihr Land zogen, um dem hartherzigen Herodes zu entgehen.
Statt von "Sterndeutern" sprechen manche Bibelübersetzungen von "Weisen" oder "Königen". Allerdings ist nicht einmal bekannt, wie viele es waren. Nur aufgrund der Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe gehen wir von dreien aus. Eine Vorstellung haben wir dank der kunstgeschichtlichen Tradition und der jährlichen Sternsinger-Aktion dennoch: Drei fremdländisch wirkende Männer verschiedenen Alters, in prächtigen Gewändern, mit Gold und Schmuck behängt, die nach langer Suche endlich ihr Ziel erreichen.
Die Sterndeuter sind für mich das Gegenbild der Einwohner von Bethlehem. Die Menschen in der kleinen Stadt hätten Gott eigentlich kennen müssen. Sie sind Juden, die nach dem Gesetz leben. Nur wenige Kilometer trennen sie vom Tempel in Jerusalem. Doch trotzdem bleiben sie verschlossen und nicht bereit, Gott bei sich aufzunehmen. Dabei wäre es für sie so einfach gewesen. Sie hätten nur die Tür ihres gemütlichen Heimes öffnen müssen.
Anders die Sterndeuter: Sie kennen Gott nicht. Sie haben kein Gesetz, keinen Tempel, keine mahnenden Propheten. Für sie bedeutet die Begegnung mit Gott, dass sie sich auf einen langen, mühsamen und gefahrvollen Weg begeben müssen.
Ich denke, ihre Geschichte soll uns daran erinnern: Gott lässt sich finden, und zwar auch von den Menschen, die bislang noch nichts von ihm wussten. Wie heutige Wissenschaftler beschäftigen sich die Sterndeuter mit Philosophie, Astronomie und Physik. Obwohl sie auf diese Weise ein großes Wissen anhäufen, erhalten sie doch keine Antwort auf die letzte Frage nach Gott.
Als Gelehrte akzeptieren sie dies. Mutig brechen sie ins Ungewisse auf, in die Dunkelheit hinein, vertrauen auf Gewissheiten, die nicht mehr naturwissenschaftlich zu beweisen sind. Sie lassen sich auf eine größere Wirklichkeit ein. Entschlossenheit, Ausdauer und Leidenschaft der Sterndeuter sollten uns ein Vorbild sein, ebenso wie sie nach Jesus Christus zu fragen.
Die Geschichte der Sterndeuter zeigt auch, dass Gott nicht nur für uns Katholiken gekommen ist. Vielmehr sucht er sich seine Wege ebenso außerhalb der Kirche. Es ist der Heilige Geist, der die Menschen bewegt und zieht, um sie um die Krippe zu versammeln, wo Gott in unsere Welt tritt. Und er ruft alle Menschen, jeden einzelnen.
Von Julia-Maria Lauer
„Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten (...); denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“
30. Dezember: Herodes
Eine spannende Geschichte braucht einen Bösewicht. Das haben sich wohl auch die Verfasser der Evangelien gedacht. Zu ihrem Glück hatten sie mit Gaius Julius Herodes eine äußerst dankbare Vorlage für die Erzählung. Denn der König von Judäa, Galiläa und Samaria war kein Kind von Traurigkeit. Auch wenn die moderne Geschichtsschreibung das Image des Oberschurken ein wenig relativiert hat, kann man beim Lesen der Bibel eigentlich gar nicht anders, als diesen Mann zu verachten.
In der Weihnachtsgeschichte nach Lukas spielt der König zwar keine Rolle, dafür aber eine umso schlimmere beim Evangelisten Matthäus. Hinterhältig und skrupellos verhält sich Herodes, als ihn die Sterndeuter nach der Geburt Jesu aufsuchen und nach dem Aufenthaltsort des neugeborenen Königs der Juden fragen (Mt 2,2). Unter einem falschen Vorwand schickt Herodes sie weiter nach Bethlehem, um dort nach Jesus zu forschen. Der König gibt – ganz unschuldig – vor, dem Kind ebenfalls seine Ehre erweisen zu wollen. Doch die Wahrheit sieht anders aus: Er will den Sohn Gottes umbringen. Als die Sterndeuter nicht zu ihm zurückkehren, lässt er "in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten" (Mt 2,16).
Der Evangelist liefert in einem Halbsatz auch die Begründung für das schreckliche Verhalten des Königs – zumindest indirekt. Denn bei Matthäus heißt es, dass Herodes erschrak (Mt 2,3), als er von der Geburt Jesu hörte. Herodes, der auch den Beinamen "der Große" trug, hatte also Angst vor dem kleinen Kind in der Krippe. Angst, weil die Propheten ihm diesen neuen Herrscher vorhergesagt hatten. Angst, weil er wusste, dass dieser Anwärter auf den Thron des Königs der Juden nicht mit politischen Mitteln zu besiegen wäre. Denn der wollte nicht einfach seinen Teil vom römischen Reich, sondern das Kommen des Reiches Gottes verkünden und damit das Ende aller von Menschen geschaffenen Herrschaftssysteme.
Am Ende der Weihnachtsgeschichte stirbt der Bösewicht – und Jesus lebt. So bekommt der Gottessohn die Chance, den Menschen die einmalige Botschaft seines Vaters in Form von Predigten, Gleichnissen und Wundern zu überbringen. Mit Weihnachten ist diese spannende Geschichte also noch lange nicht vorbei. Hören wir doch also auch das restliche Jahr zu, was Jesus uns zu sagen hat.
Von Björn Odendahl
„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.“
29. Dezember: Simeon
"Ich habe genug". Wer kann schon genug kriegen? Simeon kann es. Der Heilige Geist hatte ihm offenbart, er werde vor seinem Tod noch den Messias sehen – und der Geist führt ihn in den Tempel, in dem der kleine Jesus gerade dem Herrn geweiht werden soll. "Ich habe genug", sagt Simeon, als er Jesus in den Armen hält: Mehr braucht er nicht, seine Augen haben das Heil gesehen.
Die Tradition nennt Simeon einen Greis, Darstellungen zeigen ihn mit langem, weißem Bart, und in den Ostkirchen wird Simeon als einer der Übersetzer der hebräischen Bibel ins Griechische genannt – damit müsste er zu Jesu Zeiten über 200 Jahre alt sein. Bei Lukas erfährt man sein Alter nicht, und das ist auch gar nicht nötig. Ob er alt ist oder nicht: Simeon ist lebenssatt – aber nicht, weil er gebrechlich oder seines Lebens überdrüssig ist, sondern weil mit Jesus sein Leben vollendet ist, weil er ganz in der frohen Botschaft aufgeht.
Simeon ist ein Evangelist im Evangelium: Die wenigen Verse, die von ihm und seiner Begegnung mit Jesus erzählen, spiegeln das ganze Evangelium; überrascht hören Josef und Maria, was dieser Mann über ihren kleinen Jungen sagt: ein Licht, das die Heiden erleuchtet; Herrlichkeit für das Volk Israel. Und Maria kündigt er an, dass ihr ein Schwert durch die Seele dringen werde. Die ganze Heilsgeschichte scheint Simeon zu kennen: Von der Fleischwerdung Gottes über das Wirken in Israel bis zum Tod am Kreuz. Und dabei hält er nur ein wenige Wochen altes Kind in den Händen. Das ist ihm genug.
Jeden Abend betet die Kirche den Lobgesang des Simeon im Stundengebet zum Ende des Tages. Der Lobgesang hält jeden Abend allen, die ihn beten, Weihnachten vor Augen: Die Fleischwerdung Gottes – das Heil ist schon da, das Reich Gottes ist schon angebrochen, und das alles, weil ein kleines Kind geboren wurde. Weil Gott sich ganz entäußert hat und Mensch geworden ist, ist die Erlösung schon da. Das ist genug.
Felix Neumann
„Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.“
28. Dezember: Die Engel
Im berühmten Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach singt die Solo-Sopranistin voller Freude diesen Vers. Und wenig später macht sich der Chor lautstark und feierlich zur Stimme der Schar der Engel. Sie loben Gott nach der Menschwerdung Jesu: "Ehre sei Gott und Friede den Menschen auf Erden". Jahr für Jahr singe ich diese wunderbare Musik im vorweihnachtlichen Konzert meines Chores mit. Und es gibt noch eine Verbindung mit den Wesen aus der Weihnachtsgeschichte: Schließlich haben mich meine Eltern nach dem Erzengel Gabriel benannt, der der ahnungslosen, jungfräulichen Maria verkündet, sie sei schwanger. Doch obwohl ich wahrnehme, dass Engel für viele Menschen eine wunderbare Vorstellung sind, fühle ich mich den Wesen nicht sonderlich nahe. Im Gegenteil: Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass sie in unserer Zeit ein deutlich überstrapaziertes Konzept sind.
Wenn man bei Amazon diesen Suchbegriff eingibt, dann ergeben sich fast 175.000 Treffer. Spirituelle Literatur (über 100 Treffer bei den Suchwörtern "Anselm Grün" und "Engel") ist da nur der Anfang. Es geht noch viel weiter: von Stoffpuppen über Schlüsselanhänger bis hin zu Schmuck, von Gartenfiguren bis zu Kostümen für Erwachsene und Kinder reicht die Auswahl. Viele Artikel sind hoffnungslos verkitscht. Hinzu kommen die Treffer aus der Sparte Video: Die "Eiskalten Engel" sind ein Klassiker und natürlich "Drei Engel für Charlie". Auch in der Fernsehwerbung nutzt eine Versicherung die Engel, um auf ihre Leistungen wie Hausrat- und Gebäudeversicherung und den außerordentlichen Service aufmerksam zu machen. Nahezu jeder Laden für Wohnaccesoires, der etwas auf sich hält, hat Exemplare aus Porzellan, Holz oder Kupfer im Angebot.
Es erscheint mir, als seien Engel eine universale Projektionsfläche für Hoffnungen, aber auch Ängste der Menschen. Wird ein solcher ursprünglich religiöser Begriff aber dermaßen inflationär verwendet und gnadenlos kommerzialisiert: Wird er dann nicht auch ausgehöhlt? Ich fände es schön, wenn es gelänge, sich auf den eigentlichen, ursprünglichen Sinn der Engel zu konzentrieren: Sie sind Boten. Boten mit der gerade zu ungeheuerlichen Botschaft von der Geburt Jesu.
Von Gabriele Höfling
„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr.“
27. Dezember: Die Hirten
Ein Umhang, ein Schlapphut und ein langer Stab in der Hand: Es ist leicht zu erraten, dass ein Hirte beschrieben wird. Die typische Tracht hat sich über Jahrhunderte hinweg kaum verändert. Deshalb fällt es leicht, diese Berufsgruppe zu visualisieren. Für die meisten Christen ist der Hirte vor allem ein Symbol für Jesus Christus und – mit Blick auf das Alte Testament – Gott. Wer die Weihnachtsgeschichte genauer betrachtet, entdeckt noch weitere Möglichkeiten der Interpretation.
"Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln." (Ps 23,1) Dies dürfte eine der bekanntesten Bibelstellen sein. Es ist ein starkes und einprägsames Bild - Gott als Hirte. Und wir Menschen sind seine Herde. Im starken Kontrast dazu erscheinen die Hüter in der Weihnachtsgeschichte. "Sie fürchten sich." Das klingt nicht heroisch, aber menschlich.
Die erste Momentaufnahme täuscht. Denn die Erfahrung (oder zumindest viele Bücher – auch die Bibel) lehrt uns, aus Menschen können Helden werden. Die meisten Bestseller beginnen doch mit einem Menschen in Not oder in einer schwierigeren Situation. Wenn sie die Entscheidung treffen, ihre Angst zu überwinden, treten sie ihre Heldenreise an.
Die Hirten beweisen ihrerseits diesen Mut und glauben, was ihnen die Engel verkünden. Sie haben das (Gott-)Vertrauen und machen sich auf den Weg zum Stall und finden Jesus Christus, den Retter. Darin sind alle Bestandteile für eine gute Geschichte enthalten, mit der wir uns identifizieren können.
Aus diesem Grund ist das Bild des Hirten für mich doppelt positiv besetzt. Es steht für Gott. Gleichzeitig aber auch für uns Menschen, wenn wir uns mit den Hirten in dieser speziellen Situation vergleichen. Mit den drei Eigenschaften Mut, Glauben und (Gott-)Vertrauen können wir die meisten Herausforderungen im Alltag meistern. Das gibt doch Hoffnung.
Darüber hinaus verbindet mich noch weitaus mehr mit den Hirten. Wer aus einem Ort stammt, dessen Wappen ein Schäfer ziert, hat eine Beziehung zu dem Beruf. Und wenn das einzige Foto vom Ur-Urgroßvater ihn als Schäfer zeigt - in der eingangs beschriebenen Tracht - dann erklärt es, warum ich mich den Hirten so verbunden fühle.
Von Nadine Preuth
„Als Josef erwacht war, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“
26. Dezember: Josef
Jede interessante Figur braucht ihre Konflikte. Vielleicht ist das der Grund, warum ich von Kind an in den adventlichen Evangelien die beiden Männer der schwangeren Frauen interessant fand: Da war Zacharias, der nicht glauben wollte, dass seine alte Frau ein Kind bekommen würde und deshalb neun Monate stumm bleiben musste. Und da ist Josef, der es wahrlich nicht leicht hat: Seine Verlobte ist schwanger und er konnte sich sicher sein, dass das Kind nicht von ihm ist, sondern laut Mt 1,18 "durch das Wirken des Heiligen Geistes".
Josef wollte sich in aller Stille von Maria trennen, eine allzu verständliche Reaktion. Für ihn spricht, dass er das besonnen plante und einen öffentlichen Skandal verhindern wollte. Und dann passierte es: Ein Engel erschien ihm im Traum und nahm ihm die Angst. "Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen", sagte er und bestätigte ihre Angabe, dass das Kind vom Heiligen Geist sei und er sein Volk von seinen Sünden erlösen werde.
Am nächsten Morgen grübelte Josef nicht mehr lange, sondern tat, was der Engel gesagt hatte und nahm Maria auf. Über Nacht war sein geplantes Leben auf den Kopf gestellt worden und doch klagte Josef nicht und rannte auch nicht weg. Seinen inneren Konflikt konnte er so lösen und stellte sich der Verantwortung. Und es ist davon auszugehen, dass er Jesus wie seinen eigenen Sohn liebte.
Schon als Kind mochte ich diesen wortkargen Macher, den stillen Helden am Rande der Krippe. Aber im Erwachsenenalter gefällt er mir fast noch mehr. Weil ich weiß, dass sein Konflikt kein abstrakter ist: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden nicht wenige Männer Väter von Kindern, die nicht ihre waren. Und auch danach war das noch der Fall, solange Eltern darauf bestanden, dass ihre schwangeren Töchter "egal wen" heirateten, damit sie nicht alleinerziehend wurden.
Josef hat es riskiert, sich vor den Leuten zu blamieren: mit einer Frau, die vor der Hochzeit schon schwanger war. Und bis heute werden Männer, die "fremde" Kinder wie ihre eigenen aufziehen und lieben, nicht unbedingt als Helden gesehen, sondern eher als Gehörnte belächelt. Wenn überhaupt über das Thema geredet wird! Warum ist das so? Eigentlich ist doch das, was Josef da getan hat, das heroische Verhalten schlechthin. Ich bewundere ihn und alle Männer, die ihre Kinder liebend annehmen, auch wenn es nicht ihre leiblichen sind.
Von Agathe Lukassek
„Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
25. Dezember: Maria
Maria und ihr Verlobter Josef sind beeindruckende Menschen. Ich denke, das darf man so direkt sagen, immerhin ziehen sie gemeinsam den Sohn Gottes groß. Er, Josef, erfüllt dabei seine Vaterpflichten still im Hintergrund, während sie, Maria, vielleicht das beste Beispiel überhaupt für eine starke, liebevolle Frau ist. Allein dafür wären die beiden nach heutigen Maßstäben schon vorbildlich.
Aber da ist noch ein anderer Punkt, der mich immer wieder staunen lässt: Die beiden legen ein ungeheures Pflichtbewusstsein an den Tag. Gehorsam ist ein schwieriges Wort, aber auf Josef und besonders auf Maria trifft es wirklich zu.
Im Lukas-Evangelium wird von dem Moment berichtet, in dem Maria erfährt, dass sie schwanger ist. Das muss beängstigend gewesen sein für die junge Frau, als ihr da plötzlich ein Engel erschien, um ihr diese unbegreifliche Mitteilung zu machen. Maria reagiert aber nicht beängstigt, sondern willensstark: Ich bin nur eine Dienerin Gottes; er soll mit mir machen, was er für richtig hält, sagt sie.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Maria das nicht bloß sagt, weil sie blind gehorcht. Sie stellt sich dieser unglaublichen Aufgabe, den Sohn Gottes zu empfangen, nicht einfach, weil er das eben von ihr erwartet.
Maria nimmt diese Aufgabe an, weil sie selbst etwas erwartet: Dass Gott sie damit nicht alleine lässt. Diese Maria hat ein riesiges Vertrauen, dass der Allmächtige sich schon etwas dabei gedacht hat, ausgerechnet sie dafür auszusuchen. Das ist echtes Gottvertrauen.
Und das ist mir sympathisch.
Denn auch ich versuche, viel Vertrauen in Gott zu haben. Ich erwarte von ihm genauso, dass er mich mit den großen Aufgaben in meinem Leben nicht alleine lässt. In meinem Leben ist bereits viel Gutes passiert: Ich habe einen Arbeitsplatz, an dem ich etwas Gutes bewirken kann, meiner Familie geht es gut und ich darf mich auf einige tolle Freundschaften verlassen. Dafür bin ich dankbar, gerade in der nicht immer ruhigen Advents- und Weihnachtszeit.
Mit all den guten Dingen im Leben gehen allerdings auch Schwierigkeiten einher, die oft nicht leicht zu bewältigen sind. Da kann der Blick auf Maria an der Krippe helfen: Als Gott ihr die Aufgabe ihres Lebens gestellt hat, ist sie nicht zurückgewichen, sondern hat voll Gottvertrauen Ja gesagt - weil sie die Erwartung hatte, dass er sie nicht alleine lässt. Und damit hat sie das Weihnachtsfest möglich gemacht, an dem auch wir erwarten dürfen, dass Gott in unser Leben kommt.
Von Kilian Martin
„Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“
24. Dezember: Die Bürger von Bethlehem
Sie kommen im Lukasevangelium überhaupt nicht vor - und doch meinen wir, sie genau zu kennen: Die Bürger von Bethlehem, dem Ort der Geburt Jesu Christi. Man hat ein Bild vor Augen von diesen Menschen, und es ist kein besonders positives.
Denn obwohl es im Evangelium nur ein Halbsatz ist, hat er den Ruf der Einwohner Bethlehems nachhaltig ruiniert: "...weil in der Herberge kein Platz für sie war." Ausgeschmückt mit allerlei Legenden und vermeintlich historischen Wahrheiten ist aus diesem Halbsatz im Laufe der Jahrhunderte viel mehr geworden: Das Bild einer abweisenden Stadtgesellschaft, die hilfsbedürftigen Gästen ablehnend entgegentritt.
Man hat eindeutige Bilder vor Augen, wenn man sich vorstellt, wie Josef und seine schwangere Frau Maria auf der Suche nach einer Unterkunft mit wachsender Sorge an die Türen in Bethlehem klopfen - in der Hoffnung, nach der langen und beschwerlichen Reise von Nazareth doch noch einen warmen und sicheren Schlafplatz zu finden. Doch vergebens: Egal wo sie klopfen, die Tür bleibt verschlossen. Niemand möchte das fremde Paar bei sich aufnehmen - auch nicht der Herbergswirt, der sich damit herausredet, dass in seiner Herberge kein Platz mehr frei sei.
Gesellschaft, die den Gottessohn nicht erwartet
Keine Frage: Die Bürger von Bethlehem sind die unsympathischen Charaktere der Weihnachtsgeschichte - sie stehen sinnbildlich für eine Gesellschaft, die auf die Ankunft des Gottessohnes offenkundig nicht gewartet hat und dementsprechend nicht vorbereitet ist. Die Menschen in der Stadt Davids erkennen nicht, welches Geschenk Gott ihnen quasi vor die eigene Haustür gelegt hat.
Doch ein Blick in die Gegenwart des Jahres 2015 mit seinen brennenden Flüchtlingsheimen und Pegida-Demonstrationen sollte uns gegenüber den Menschen von Bethlehem vor Hochmut bewahren. Denn mal ehrlich: Würden wir einem fremden Paar Einlass in unser Haus gewähren? Eine Spende an eine Hilfsorganisation - kein Problem. Aber einem fremden Menschen einen Platz auf unserem Sofa anbieten? Wohl eher nicht.
Doch gerade hier zeigt sich, ob wir die Botschaft von Weihnachten verstanden haben. Deshalb: Nutzen wir das Geschenk, das uns Gott mit dem Kind in der Krippe schenkt. Machen wir es besser als die Menschen von Bethlehem. Geben wir Gottes Liebe weiter, öffnen wir unsere Türen für all jene, die unsere Hilfe brauchen. Werden wir aktiv für unsere Nachbarn, für Flüchtlinge, für Obdachlose, für alte und kranke Menschen. Erst wenn wir das tun, zeigen wir, dass wir aus den Ereignissen von Bethlehem die richtigen Schlüsse gezogen haben.
Von Steffen Zimmermann