Beten für den Frieden
Frage: Warum nehmen Sie am Europäischen Jugendtreffen in Valencia teil?
Toussaint: Ich versuche mindestens einmal im Jahr eine Woche in Taizé zu verbringen. Dieses Jahr war ich im Sommer bei den Jubiläumsfeierlichkeiten der Kommunität. Seit 2011 nehme ich jedes Jahr an den Jugendtreffen zu Silvester teil. Diese Treffen mag ich besonders, denn sie verbinden den ruhigen Charakter von Taizé mit der Möglichkeit, eine andere europäische Großstadt kennenzulernen. Gerade hier in Valencia ist es schön, das Meer ist direkt nebenan und es sind sogar Temperaturen um die 20 Grad angekündigt. Das reicht also für eine kurze Hose und T-Shirt!
Frage: Wie ist denn die Stimmung in Valencia?
Toussaint: Es sind noch nicht so viele Pilger zu sehen wie sonst. Aber es ist schönes Wetter und damit ist die Stimmung erst mal auf jeden Fall gut. Wir Deutschen empfinden es jedenfalls als warm. Unsere spanischen Gasteltern meinten, es wäre zu kalt im Moment.
Frage: Viele Teilnehmer sind in Schulen und Turnhallen untergebracht. Sie wohnen bei einer Gastfamilie. Wie war die Aufnahme?
Toussaint: Sehr, sehr herzlich! Es immer wieder schön, in eine Familie zu kommen, die uns Fremden so großherzig die Türen öffnet. Wir sind zu zweit dort untergebracht. Ich habe mich im Wohnzimmer mit meiner Iso-Matte breit gemacht. Die Spanier gehen ja oft sehr spät ins Bett, da sitzen wir abends noch lange zusammen. Die Familie bekocht uns Gäste sehr nett. Am ersten Tag gab es Süßkartoffelbrei, Schinken und Bruschetta.
Frage: Es sind ja Jugendliche aus über 50 Ländern dabei. Wie läuft die Verständigung?
Toussaint: Es gibt immer ein paar Sprachbarrieren, denn Englischkenntnisse sind hier gerade in der älteren Generation nicht sehr weit verbreitet. In der Familie spricht eine Tochter ganz gut Englisch. Insofern muss sie viel hin- und her übersetzen. Die andere Tochter versteht uns, traut sich aber nicht zu sprechen. Ansonsten reden wir mit Händen und Füßen. Und mit dem Google-Übersetzer. Das ist sehr praktisch, gerade wenn es ums Essen geht, wo das Schulenglisch nicht mehr weiterhilft. Gestern gab es zum Nachtisch Quittengelee… In unserer Gastgemeinde sind viele Polen und auch einige Ukrainer. Englisch fällt ihnen manchmal nicht so leicht. Aber auch da geht es dann mit vielen Gesten und Zeichen. In der Gesprächsgruppe gibt es meist jemanden, der für seine Landsleute übersetzen kann.
Frage: Es gibt jeden Tag die Möglichkeit, sich in Gesprächsgruppen mit anderen Jugendlichen über den Glauben auszutauschen. Was sind die Themen?
Toussaint: Morgens bezieht sich das Gespräch immer auf einen Bibeltext, zum Beispiel auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Außerdem diskutieren wir in der Regel einen Text von Frère Alois, in dem er Vorschläge für das kommende Jahr macht. Im ersten Text ging es um Barmherzigkeit. Wir haben uns in der Runde zunächst vorgestellt, damit jeder weiß, mit wem er es zu tun hat. Danach sollten wir von unserem einprägsamsten Erlebnis aus diesem Jahr berichten. Das wurde sehr schnell sehr persönlich. Danach ging es dann hochtheologisch weiter: Was ist Gnade? Wo merken wir Gottes Gnade in unserer Welt? Da haben wir sehr intensiv diskutiert.
Frage: Bleiben die Gespräche nicht oberflächlich, wenn sie dauernd auf Sprachbarrieren stoßen?
Toussaint: Ja, teilweise. Aber es kommt wirklich darauf an, die schwierigen Dinge in einfache Worte zu fassen. Das finde ich auch gerade als Theologiestudent sehr spannend, wenn wir über Begriffe wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sprechen. Vor ein paar Wochen habe ich einen Text des mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin gelesen. Heute musste ich plötzlich den Inhalt auf Englisch so runterbrechen, dass ihn auch jemand versteht, der nicht so gut Englisch spricht. Viel passiert dann noch in Gesprächen nach den Gruppendiskussionen. So bleiben die Themen vom Morgen den ganzen Tag über präsent.
Frage: Was hat Sie besonders angesprochen?
Toussaint: Eine der Fragen war, welchem der beiden Brüder aus dem Gleichnis wir eher entsprechen. Ich zum Beispiel identifiziere mich mehr mit dem älteren Bruder und empfinde sehr stark die Ungerechtigkeit, dass der Vater den jüngeren Sohn so freudig wieder bei sich aufnimmt. Der erste Impuls, der sich für mich daraus ergibt: Ich muss mehr Gnade in meinem Leben walten lassen. Der zweite Impuls ist die Frage: Wann und wie bete ich? Wir sollten uns eben nicht nur an Gott wenden, wenn wir etwas brauchen, sondern auch mal in Stille und Dankbarkeit den Alltag ins Gebet fassen. In den nächsten Wochen werden mich beide Anregungen sicher begleiten.
Frage: Das Treffen geht bis zum 1. Januar. Auf was freuen Sie sich noch besonders?
Toussaint: Vor allem auf die gemeinsamen Gebete sowohl in der Kathedrale als auch in den zwei großen Zelten im Stadtpark! Es ist immer wieder beeindruckend, wenn diese vielen Menschen zusammenkommen. Sehr eindrücklich ist auch das nächtliche Gebet um Frieden am Silvesterabend. Da kommen junge Menschen aus der Ukraine und aus Russland und wir wenden uns alle gemeinsam Gott zu. Wir wollen diesen kleinen Schritte Richtung Frieden gehen, ohne dass Konflikte zwischen den Nationalitäten aufkommen. Ein ganz säkulares Highlight wird sicher das Schwimmen sein. Ich werde auf jeden Fall die Gelegenheit nutzen, noch mal ins Mittelmeer zu hüpfen bei dem tollen Wetter.
Frage: Was ist für Sie die Botschaft von Taizé?
Toussaint: Die Botschaft von Taizé ist für mich vor allem Stille. In der Stille zu sich selbst finden. In der Gemeinschaft zusammen still sein. Dieses Jahr zudem die Frage: Wo sind Gnade und Barmherzigkeit in unserem Alltag? Wie können wir durch Gnade und Barmherzigkeit dazu beitragen, dass diese Welt zur Ruhe und zum Frieden kommt?