Saudi-Arabien lässt 47 Menschen töten

Empörung über Hinrichtungen in Saudi-Arabien

Veröffentlicht am 02.01.2016 um 17:51 Uhr – Lesedauer: 
Todesstrafe

Bonn/Teheran ‐ Die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr Bakr al-Nimr und 46 weiterer Menschen in Saudi-Arabien hat weltweit Proteste hervorgerufen. Die Europäische Union verurteilte das Vorgehen. Besonders scharfe Worte kamen aus dem Iran.

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Das Königshaus in Riad unterstütze terroristische Bewegungen und Extremisten, während es gegen Kritiker im eigenen Land mit Unterdrückung und Exekutionen vorgehe, sagte der Sprecher. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind rund 90 Prozent der Muslime, die im Iran leben, Shiiten, so wie der hingerichtete Geistliche. In Saudi-Arabien leben überwiegend wahhabitische Sunniten. Auch im Iran gibt es die Todesstrafe.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte in der Vergangenheit kritisiert, Saudi-Arabien setze das Todesurteil auch als politisches Instrument gegen die schiitische Minderheit ein. In dem Land waren bereits in den vergangenen Monaten schiitische Geistliche und Aktivisten zum Tode verurteilt worden.

Wortführer des Arabischen Frühlings

Al-Nimr war am Samstag mit 46 weiteren Verurteilten hingerichtet worden. Ihnen wurden Terroraktivitäten und Anstiftung zu Gewalt vorgeworfen. Der 56-jährige Al-Nimr, der aus der Stadt al-Awamia im Osten des Landes stammte, und im Iran studierte, gehörte zu den Wortführern in den Protesten des Arabischen Frühlings 2011 und war für seine Kritik am saudischen Königshaus bekannt.

Mohammed al-Nimr, der Bruder des Hingerichteten, äußerte sich laut Medienberichten entsetzt über die Vollstreckung des Urteils. Es werde Reaktionen geben, sagte er. Dabei rief er vor allem junge Schiiten zu Ruhe und Mäßigung auf. Es sei "genug des Blutvergießens".

„Dieser Fall hat auch das Potenzial, sektiererische Spannungen, die bereits viel Schaden in der gesamten Region anrichten, mit gefährlichen Folgen weiter anzuheizen.“

—  Zitat: EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini

Unterdessen kam es nach iranischen Medien in Bahrain zu Protesten gegen die Hinrichtung. Die Polizei sei mit Tränengas gegen die Demonstranten in Abu Saiba nahe der Hauptstadt Manama vorgegangen. Kritik an der Exekution gab es auch im Libanon. Der Vizevorsitzende des Schiiten-Rats Abdel-Amir Qabalan sprach laut der Zeitung "Daily Star" von einem "großen Fehler, der vermeidbar gewesen wäre".

Auch die Europäische Union protestiert gegen die Hinrichtung von Al-Nimr und weiteren 46 Menschen. Die EU sei gegen die Todesstrafe und besonders gegen Massenhinrichtungen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in Brüssel mit. Es gebe ernste Bedenken, unter anderem wegen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, erklärte Mogherini. "Dieser Fall hat auch das Potenzial, sektiererische Spannungen, die bereits viel Schaden in der gesamten Region anrichten, mit gefährlichen Folgen weiter anzuheizen."

Die Opposition im deutschen Bundestag forderte die Bundesregierung auf, ihre Politik zu ändern. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, erklärte, die vollstreckten Todesurteile seien "der letzte Weckruf für die Bundesregierung, die 'strategische Partnerschaft' mit einem Staat zu beenden, dessen Praktiken sich vom sogenannten Islamischen Staat kaum unterscheiden." Vor der saudischen Botschaft in London kam es zu Protesten.

Saudi-Arabien verteidigt Exekutionen

Der Rat der sunnitischen Religionsgelehrten in Saudi-Arabien verteidigte unterdessen die Exekutionen. Die Schuldsprüche seien nach umfassenden Untersuchungen in drei Instanzen ergangen. Die Justiz habe den Angeklagten "Recht und Gerechtigkeit" widerfahren lassen, erklärte der Rat laut der amtlichen saudischen Presseagentur SPA. Die Todesstrafen schafften "Gott Genugtuung durch die Anwendung seines Gesetzes" und dienten der Sicherheit des Landes mit seinen heiligen Stätten. (gho/dpa/KNA)