Gabriele Höfling über die Diskussion nach der Kölner Silvesternacht

Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß

Veröffentlicht am 06.01.2016 um 00:01 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Gabriele Höfling über die Diskussion nach der Kölner Silvesternacht

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Ja, auch ich war in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof, weil ich in der Nähe ins neue Jahr gefeiert habe. Schon auf dem Hinweg hatten wir vier Frauen uns nicht getraut, über den Vorplatz zu gehen, weil sich dort eine unübersichtliche Menge versammelt hatte. Die Atmosphäre war uns nicht geheuer. Und ja, auch uns war aufgefallen, dass unter den Menschen im Hauptbahnhof viele junge Männer waren, die fremdländisch aussahen. Nach der Feier führte mich der Heimweg dann erneut über das Gelände. Kurze Zeit später merkte ich, dass mein Handy nicht mehr in meiner Handtasche war - vermutlich gestohlen.

Auch ich gehöre also mutmaßlich zu den Opfern der Kölner Silvesternacht, auch wenn ich noch Glück hatte und "nur" beklaut und nicht sexuell belangt worden bin. Ist der Verlust eines Handys noch zu verkraften, war ich doch schockiert, als ich hörte, was in der Nacht noch passierte. Umso mehr freut mich die breite Diskussion und Anteilnahme, die der Fall ausgelöst hat. Dass Politiker wie Justizminister Heiko Maas und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker nun alles daran setzen, das Geschehen aufzuklären, ist eine angemessene Reaktion.

Ungeheuerlich finde ich aber die Auswüchse, die das Geschehen nun in der öffentlichen Debatte nach sich zieht. Ich habe den Eindruck, dass sich viele der Diskutanten und Kommentatoren vom eigentlichen Thema ablösen. Die Gelegenheit wird dazu genutzt, das zu sagen, was man schon lange einmal los werden wollte: Einmal sind "die Medien" im Visier, die bewusst zu zurückhaltend berichtet hätten, mal wird "die Politik" und in Persona Angela Merkel beschimpft. Und dann sind es "die Gutmenschen" und sogar "die Feministinnen", deren Aufschrei nun ausbleibe, gerade weil es sich bei den mutmaßlichen Tätern um fremdländisch aussehende Menschen statt um einheimische Proleten handelt.

Ganz zu schweigen von den unerträglichen Pöblern, die nun in den Sozialen Netzwerken ihrem Hass auf "die Flüchtlinge" ungehemmt Luft machen. Von all solchen Kommentaren können sich die Opfer doch nur verhöhnt fühlen. Wer schnelle Schlüsse zieht und sich die Welt in Schwarz und Weiß einteilt, der macht es sich zu einfach. Noch ist längst nicht abschließend geklärt, was genau in Köln, Hamburg und anderswo passiert. Diese Ungewissheit zu ertragen, müssen viele noch lernen.

Zur Person

Gabriele Höfling ist Redakteurin bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Gabriele Höfling