Kardinal Woelki kritisiert billigen und enthemmten Hass im Netz

"Verlust jeglicher Zivilisiertheit"

Veröffentlicht am 18.01.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Rainer Maria Woelki im Interview
Bild: © KNA
Internet

Düsseldorf ‐ Kardinal Rainer Maria Woelki hält es für "billig" und leicht, in Sozialen Netzwerken Hass zu verbreiten; derzeit vor allem gegen Flüchtlinge. Hasskommentare seien ein Zeichen "fehlender Einsicht in eine komplexe Wirklichkeit", so Woelki.

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Beim Lesen mancher Kommentare komme ihm der Satz Jesu am Kreuz in den Sinn: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Auch jetzt, nach den "entsetzlichen Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof" kochten die Emotionen hoch, so Woelkis Beobachtung: "Von marodierenden Gruppen junger Männer mit unterschiedlicher Herkunft wird pauschal auf alle Flüchtlinge geschlossen."

Sätze wie "Raus mit dem Flüchtlings-Pack" aber, so der Kardinal weiter, seien "indiskutabel" und eine "Verachtung der Würde des einzelnen Menschen, befördert durch die niederschwellige Möglichkeit, schnell mal seinen Hass im Internet zu entladen und von Gleichgesinnten mit einem 'Like' beklatscht zu werden".

Kardinal fordert einen Gedankengang mehr

Besonders erschreckend sei es, "dass dieser Hass manchmal von solchen Menschen geteilt wird, die sich selbst als christlich bezeichnen würden". Aber, so fragt der Kardinal, "wissen die Nutzer wirklich nicht, was sie da tun, wenn sie zum Beispiel unter das Bild jenes Lastwagens, in dem Flüchtlinge erstickt sind, schreiben: 'Jammerschade, dass nur 70 von den Schmarotzern verreckt sind?'"

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Sich hingegen öffentlich für Werte einzusetzen, die die Solidarität mit dem Nächsten fördern - eben auch für christliche Überzeugungen - das erfordere einen Gedankengang mehr, betonte der Kölner Erzbischof: "Es ist ein Zeichen von Stärke und Mut. Und noch mutiger kann es sein, mit Menschen von Angesicht zu Angesicht in Kontakt zu treten - statt eines vorschnellen und unüberlegten Posts."

Auch Papst Franziskus warne vor einer menschenverachtenden Nutzung der sozialen Medien. Das sei aber keine Absage an die sozialen Medien, sondern vielmehr ein Appell an ihre soziale Kraft. (KNA)