Warum sich Christen im Ernstfall nicht in Bunkern verstecken müssen

Unser Weltuntergang

Veröffentlicht am 22.12.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gastbeitrag

Bonn ‐ Hatten Sie gestern ein mulmiges Gefühl angesichts des – mal wieder – angekündigten Weltuntergangs? Endzeitliche Vorstellungen, Ideen vom Ende der Welt nötigen den meisten von uns nicht mehr als ein Lächeln ab, obwohl der Hype um das gestrige Datum schon etwas übertrieben war. Zu viele solcher Szenarien hat es schon gegeben. Und immer waren Menschen sich sicher, dass das Ende nahe ist.

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Auch in der Bibel gibt es durchaus ernste Worte zum Ende der Welt. Kein konkretes Datum, aber durchaus realistische Umstände: "Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, das Meer tobt und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden", sagt Jesus im Lukas-Evangelium. Was fühlt ein Christ, wenn er solche Worte liest? Man kann auch diese Worte lächelnd wegwischen oder aber sich reflexartig wegducken und kleinmachen, damit man möglichst übersehen wird. Vielleicht kommt die Überlegung zur Flucht wie bei den Menschen an der Pazifikküste angesichts eines drohenden Tsunami. Denkbar ist auch, sein Motto für die letzten Lebensstunden an dem in der Bibel überlieferten Spruch auszurichten: "Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!"

Eines muss man sich klar machen: Die Botschaft vom Untergang der Welt verbunden mit der Botschaft vom Gericht ist Bestandteil des christlichen Glaubens. Sie soll uns Christen allerdings keine Angst machen wie es vielleicht die Unheilsprediger vergangener Zeiten immer wieder versucht haben.

„Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, das Meer tobt und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“

—  Zitat: Lukas 21,25

Das Ende der Welt, das sich im Tod eines jeden Einzelnen von uns widerspiegelt, und das Gericht über das Leben des Menschen macht unser Leben vielmehr eindeutig und einmalig. Unser Leben plätschert nicht einfach nur dahin bis es irgendeinmal im Sand der Geschichte verrinnt wie Wassertropfen in der Wüste. Es hat einen Anfang und ein Ende, das mit einer Bilanz verbunden ist. Das macht jede Tat und jedes Wort einmalig; kein Ton kann zurückgeholt, keine Handlung ungeschehen gemacht werden.

Der Bonner Stadtdechant Msgr. Wilfried Schumacher perdigt im Bonner Münster.
Bild: ©KNA

Der Bonner Stadtdechant Msgr. Wilfried Schumacher perdigt im Bonner Münster.

Sich dessen bewusst zu sein kann wirklich Angst machen. Die Frage lautet: "Wie werde ich dastehen vor dem Richter?" Da kann man wirklich an Flucht oder Verstecken denken. Doch das Evangelium bietet eine andere Alternative: Jesus verbindet das Wort vom Ende der Welt mit der Aufforderung: "Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe." - Das klingt nicht nach Sich-klein-machen, im Gegenteil: Wir sollen uns aufrichten!

Gericht heißt nicht hinrichten, sondern herrichten

Ge-richt ist nicht das Ereignis des Hin-richtens, sondern des Her-richtens, "als Wieder-in-Ordnung-Bringen, als Recht-machen", fasst es der Theologe Wolfgang Beinert zusammen. Was durch menschliche Willkür zerstört oder kaputt gemacht worden sei, werde zu Recht gerückt, schreibt er. So verstanden weicht die Angst. In dieser Erwartung kann ein Christ sich wahrlich aufrichten, denn es geht um seine Erlösung. All das Unfertige, das Un-Heile, das Böse in einem Menschen soll in die rechte Ordnung gebracht werden.

Das kann schmerzvoll bis hin zu Höllenqualen sein, weil der Mensch in dem Moment erlebt, wie sein ganzes ihm wertvolles Leben auf dem Prüfstand steht, und wie im Licht Gottes so manche Schattenseite sichtbar wird.

Aber die Botschaft lautet: Der, der da kommen wird ist Jesus. Es ist niemand anders als der, der schon da ist, dessen Geburt wir in den nächsten Tagen feiern und der uns im Gebet, in seinem Wort und in der Speise der Eucharistie, in jedem hilfsbedürftigen Menschen begegnet. Jesus will uns nicht Angst machen, sondern uns schon jetzt in diese Begegnung mit ihm einladen.

„Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.“

—  Zitat: Lukas 21,28

Die Christen in der ersten Jahrhunderten hatten das verstanden: Als "bereits Erlöste" feierten sie den Gottesdienst aufrecht, stehend - in der Osterzeit war sogar jedes Knien untersagt! Nicht weil die Christen der ersten Zeit nicht fromm waren oder weil sie Gott die Ehre verweigern wollten. Sie wussten, es gibt nach dem letzten Tag noch einen Tag. Seinen Tag. Das Ende wird ein Neuanfang sein - und sie waren überzeugt: In Tod und Auferstehung Jesu haben wir es schon erlebt. In der Taufe ist uns gesagt worden, dass dieses nicht nur für den Herrn gilt, sondern auch für uns.

In kurzer Zeit wird wahrscheinlich der nächste Weltuntergangs-Hype losgehen. Ein Christ kann sich, wenn er an den Ernstfall denkt, den Satz Jesu in Erinnerung rufen: "Richtet Euch auf, denn Eure Erlösung ist nahe!"

Von Wilfried Schumacher