Schinken, Gans und Co.
Schweinebraten
Ein Wildschwein brutzelte bereits über den Feuerstätten der alten Germanen. Diese kannten zwar noch kein Weihnachten, dafür aber das Julfest, das Fest der Wintersonnenwende. Ein Begleittier des germanischen Göttervaters Odin auf seiner wilden Jagd war ein Wildschwein-Eber. Wenn Odin in den zwölf rauen Nächten - so werden die Nächte zwischen der Wintersonnenwende und Dreikönige genannt - mit seinem wilden Heer durch die Lüfte jagte, opferten ihm die Menschen am Julfest einen Eber. Damit wollten sie ihren Göttervater gnädig stimmen, denn sie fürchteten sich in diesen unheimlichen Nächten vor seiner aufbrausenden Wut. Nach der Christianisierung hatte sich der Schweinebraten bereits so durchgesetzt, dass er immer noch an Weihnachten auf den Tisch kam. Damals war es Brauch, zwölf geschmorte Äpfel rund um den Braten herum zu legen - ein Apfel für jeden Apostel.
Gans
Mit dem Fleisch der Schlachttiere - vor allem auch der Gänse - wurden früher an Sankt Martin, dem alten Zins- und Zahltag, die zum Winter entlassenen Dienstboten bezahlt und Schulden beglichen. Wie aus der Martinsgans die Weihnachtsgans geworden ist, erzählt die folgende Legende. Elizabeth I. von England soll am Heiligen Abend im Jahr 1588 Gänsebraten gesessen haben, als ihr eine gute Nachricht überbracht wurde. Die englische Flotte hatte über die Spanier gesiegt. Zur Erinnerung an diesen Sieg ließ die Königin fortan an jedem Weihnachtsfest eine gebratene Gans auftischen. Beide Bräuche - der aus England und der deutsche Brauch der Martinsgans - vereinigten sich. Und so ist der Gänsebraten sowohl zur Martinszeit als auch an Weihnachten immer noch sehr beliebt. Früher wurde ein Zweiglein Beifuß zur Gans gelegt: einerseits für eine gute Verdauung. Denn das bittere Kraut hilft dem Magen, mit dem Fett besser fertig zu werden. Andererseits sollte es daran erinnern, dass auf jedes Weihnachten die Bitterkeit des Karfreitags folgt.
Karpfen
Karpfen - gebraten oder gekocht - und Heringssalat kamen von jeher Heiligabend auf den Tisch. Denn früher war vom ersten Advent bis zum 25. Dezember Fastenzeit. Auf der Liste der verbotenen Speisen stand auch Fleisch. Der Fisch hat zudem eine ganz besondere Symbolik. Zur Zeit der Christenverfolgung war er das geheime Erkennungszeichen der Christen. Vor allem in Franken wird der Brauch, an Heiligabend einen Karpfen zu essen, immer noch hochgehalten. Dort und auch in anderen Teilen Süddeutschlands wird der Fisch in zwei Hälften geschnitten, paniert und gebraten. Dazu gibt es Salzkartoffeln und Gurkensalat. In Norddeutschland isst man gekochten Karpfen - Karpfen blau - am liebsten zu Silvester.
Würstchen mit Kartoffelsalat
Ein Brauch, er genauso alt ist wie der des Schweinebratens. Einfache Leute konnten sich keinen Braten leisten und nahmen deshalb mit Blut- und Leberwürsten vorlieb - den so genannten Mettenwürsten. Sie wurden so genannt, weil sie erst nach der Mitternachtsmesse gegessen werden durften. Denn bis Schlag Zwölf war ja noch Fastenzeit. Heute gibt es in vielen Familien Frankfurter oder Wiener Würstchen. Sie schmecken fast gleich und sehen aus wie Zwillinge. Der einzige Unterschied: Frankfurter bestehen aus reinem Schweinefleisch, Wiener aus einer Mischung aus Schwein und Kalb. Aber warum dann überhaupt zwei verschiedene Namen? Die folgende Erklärung ist mündlich überliefert: Der aus Franken stammende Johann Georg Lahner soll in Frankfurt am Main bei einem Fleischer in die Lehre gegangen sein. Im Jahr 1798 ging er nach Wien und eröffnete vier Jahre später dort eine Selcherei. Selcher stellten ausschließlich Würste her. Im Mai 1805 soll Lahner dann eine feine Brühwurst kreiert haben. Er nannte sie im Angedenken an seine Lehrzeit in Frankfurt "Frankfurter Wiener Würstl". Das älteste deutsche Rezept eines warmen Kartoffelsalats mit Speck stammt aus dem Jahr 1621. Kalter Kartoffelsalat mit Mayonnaise setzte sich erst im 20. Jahrhundert durch.
Fondue und Raclette
Sie liegen beide im Trend, sind aber weniger traditionell. Käsefondue kam - nicht nur an Weihnachten - auf die Tische in den Hütten der Hirten und Bergbauern in den Alpenländern. Ziegenmilch und der daraus hergestellte Käse waren in den Bergen reichlich vorhanden. Erfunden haben die Alpenbewohner das schmackhafte Käsefondue allerdings nicht. Kein Geringerer als der griechische Dichter Homer beschrieb in seinem antiken Epos "Ilias" ein Essen, das aus geschmolzenem Ziegenkäse bestand, der mit Wein und Mehl vermischt wurde. Dass Fondue - ob mit Käse oder Fleisch - und Raclette bei uns so beliebt geworden sind, hat wohl andere Gründe. Wie unsere Vorfahren sitzen wir um die Feuerstelle zusammen, erzählen und schmausen dabei. Das kann Stunden lang dauern und ist urgemütlich.
Von Margret Nußbaum