"Ein ganz starkes Symbol"
Die Spannung zwischen der menschlichen Sterblichkeit, symbolisiert durch das sinnliche Zeichen eines "grauen, staubigen Aschenkreuzes" auf der Stirn, verbunden mit der anschließenden Eucharistiefeier als Vermächtnis des auferstandenen Christus, "das ist diese Ambivalenz, in der wir stehen im Leben", so Koch. "Kunst und Glaube machen das sichtbar." Diese besondere Verbindung will der Aschermittwoch der Künstler hervorheben.
Der Aschermittwoch der Künstler hat in vielen Diözesen eine ähnliche Struktur: Er wird mit einer Eucharistiefeier begonnen – bei ökumenischen Feiern wie in Berlin und Trier mit einer Vesper. Mit dem frischen Aschenkreuz auf der Stirn geht es zur sogenannten Künstlerakademie; oft mit Künstlervortrag und Stehempfang oder Fastenessen. Daran anschließend folgt ein künstlerischer Programmpunkt: Das kann eine Lesung, der Besuch einer Ausstellung oder eine Tanzperformance sein. Es ist zwar der Bischof, der zum Aschermittwoch der Künstler einlädt, die Konzeption der Feier selbst delegiert er aber an den Künstlerseelsorger, an das Dom- oder Diözesanmuseum oder an die bischöfliche Akademie.
Das Programm bestimmt jede Diözese selbst. "Da gibt es steile Themen", hat Koch beobachtet. In der Vergangenheit sei es etwa um Macht, Außenseiter, Spiel, Propheten oder Kunst-, Religions- und Narrenfreiheit gegangen. Was ihm besonders gefällt: Auch der Ort der Künstlerakademie wird entsprechend ausgesucht, "wie einmal in Berlin, als es um das Thema Gedächtnis ging, da ist man in die Kirche Maria Regina Martyrum gegangen" – die Kirche, die an die Opfer und Märtyrer des Nationalsozialismus erinnert – "und anschließend hat man sich im Evangelischen Gemeindezentrum Plötzensee, was ja auch eine Gedenkkirche ist, getroffen." Geprägte Orte für die ästhetische Künstlerseele also, "und das sind längst nicht immer rein kirchliche Orte." Als "sehr eindringlich" beschreibt das Koch: "Dort wird der Trialog von christlicher Intellektualität, Ästhetik und Glaube spürbar. Ich merke das fast physisch, wenn ich so einen Raum betrete."
Der Aschermittwoch der Künstler oder Künste richtet sich an Kunstinteressierte und Kunstschaffende aller Sparten. Große Künstler wie Dirigent Ingo Metzmacher, Schriftsteller Martin Mosebach, Dramaturg Ulrich Khuon, Schauspielerin Jutta Speidel, Regisseur August Everding oder Schriftstellerin Gertrud Fussenegger haben in der Vergangenheit schon Vorträge gehalten. "Und es werden nicht nur die eingeladen, die sowieso immer schon im kirchlichen Kontext gearbeitet haben", stellt Koch klar, "sondern es kommen auch Leute, die zunächst einmal etwas fremdeln, aber die sich durch die tiefe Symbolik des Aschermittwochs angesprochen fühlen."
Zunehmend werde übrigens auch der Tanz miteinbezogen – eine Sparte, die früher eher stiefmütterlich behandelt worden sei: "Der Tanz wurde bei einigen Kirchenvätern als etwas Laszives bezeichnet." Dieses Jahr zum Beispiel gibt es zum Aschermittwoch im Bistum Augsburg die Tanzperformance "Raumwandlung7" von Barbara J. Lins. Jene wird sich, passend zur neuen Ausstellung im Diözesanmuseum St. Afra, den sieben Todsünden widmen. "Warum auch nicht?", meint Koch: "Schon der König David hat vor der Bundeslade getanzt."
„Glaube und Kunst sind keine Umwege, sondern Auswege. Aber keine Fluchtwege, sondern Transportwege: Transportwege des Unverfügbaren, des Freien, des Humanen.“
Der historische Hintergrund des Aschermittwochs der Künste ist nicht ganz klar. War es wirklich der französische Schriftsteller und Dichter Paul Claudel, der ab 1945 am Aschermittwoch in Paris der verstorbenen Künstler gedachte und so diesen Tag begründete? Sicher ist: Köln war 1950 die erste Erzdiözese, die den Aschermittwoch der Künstler auf diese Weise beging, ein Jahr später folgte München und Freising. Das hat auch mit der Aufbruchsstimmung nach Ende des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber mit dem zweiten Vatikanischen Konzil zu tun: "Danach wurde die Kunst ganz neu wertgeschätzt", meint Koch.
Zuvor habe die Mäzenin Kirche der von ihr als "Dienerin" angesehenen Kunst den Auftrag eher "von oben" erteilt. Eine Begegnung auf Augenhöhe setzte wohl erst mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein: Neben dem Staat und den Kommunen ist die Kirche noch immer der größte Auftraggeber. "Die Kirche nimmt die Künstler heute sehr ernst. Man macht professionelle Ausschreibungen, gibt Impulse, dann wird das Projekt in einem gemeinsamen Prozess entwickelt." Dieser Dialog habe eine neue Qualität geschaffen. "Auch durch künstlerische Religionskritik. Die hat, wenn sie fair vorgetragen wird, etwas Gutes, nämlich dass man gegebenenfalls von überholten oder bornierten Vorstellungen wieder ablässt."