Nach der Sünde kommt die Hölle
Aber kommt er, wie im Sprichwort, immer vor dem Fall? Und wo ist er noch Laster, wo schon Sünde? Damit beschäftigt sich die neue Ausstellung "Die 7 Todsünden". Ausstellungsstücke aus dem 11. Jahrhundert bis heute geben Zeugnis für die Auswüchse menschlichen Fehlverhaltens und deren Darstellung in der Kunst – neben Hochmut natürlich auch Zorn, Habgier, Neid, Völlerei, Wollust und Trägheit.
Ein zeitloses Thema, das zeigt nicht nur der Turmbau. "Börsencrashs, Vergewaltigungen, Kinderpornografie: So viele aktuelle Probleme, bei denen wir uns die Frage stellen müssen, ob wir nicht den einzelnen Todsünden nach wie vor anheimfallen", so Thierbach. Selbst wenn man heute nur noch selten von Todsünden spräche – die ursächlichen Laster seien immer gegenwärtig. "Es braucht erst eine gewisse Verfassung des einzelnen Menschen oder der Menschheit an sich, die zu diesen Sünden, die auch in den zehn Geboten genannt sind, führt", stellt Thielbach klar. "Ohne einen gewissen Zorn werde ich nicht zum Todschlag oder Mord neigen und ohne Neid gibt es keine Falschaussage."
Die Ausstellung mit 177 Exponaten – mit eine der Größten in der Geschichte des Museums – hat drei Hauptelemente: Zahlreiche Meisterwerke aus europäischen Sammlungen von Antwerpen bis Wien zeigen die Todsünden in biblischen Szenen, in allegorischer Darstellung oder in Alltagsszenen. "Der Triumphzug der Superbia", ein Gemälde von Caspar Meglinger aus dem 17. Jahrundert, die "Völlerei", eine dralle Frauenstatuette mit Weinkelch von Peter Dell d. Ä. aus dem 16. Jahrhundert, mittelalterliche Handschriften – und dazwischen Texttafeln wie die über "Shitstorm": "Es braucht schon einen gewissen Hass in sich selbst, um sich so beleidigend im Internet zu äußern." Auf diese Weise sucht die Ausstellung immer wieder den Bezug zum Heute.
Was unbußfertige Sünder erwartet
Nach der Sünde kommt die Hölle, auch im Museum. Passenderweise ein Ausstellungsraum im Keller zeigt, was unbußfertige Sünder nach ihrem Tod erwartet: Ebenjene Qualen, die ihren diesseitigen Lastern entsprechen; zum Beispiel müssen die Gefräßigen ihre Exkremente essen und Höllendiener stopfen den Geizigen Münzen in den Rachen – bis zum Ersticken. Doch so düster soll die Ausstellung nicht enden. Daher widmen sich die letzten Räume den moralischen Gegenentwürfen, es geht um die sieben Tugenden, die sieben Gaben des Heiligen Geistes und die sieben Werke der Barmherzigkeit – "sie zeigen, wie man überhaupt gar nicht in das sündhafte Leben hineinkommt, eine Art Gegenprogramm", erklärt Thierbach. "Es war uns wichtig, auch noch die andere Seite anzudeuten."
Auf diese Weise will die Ausstellung auch einen Anreiz zur Selbstreflexion bieten: Jeder Besucher erkenne bestimmt gewisse Persönlichkeitsanteile in sich wieder, glaubt die Leiterin. "Und wer ein bisschen nachdenkt, wird feststellen: Was der Einzelne tut, tut auch die Gesellschaft."
Im Grunde sei der Mensch immer seinem Gewissen verantwortlich. "Es geht ums Maßhalten. Wenn wir ständig sündigen und dadurch unsere Mitmenschen beeinflussen, ist auch unser Verhältnis zu Gott gestört." Eine Frage des Gleichgewichts – und des Bewusstseins, dass man abwägen kann. "Schlag ich dem anderen ins Gesicht oder lasse ich es bleiben? Ich hab die Freiheit bekommen, selbst zu entscheiden."