Baustellen: Pflege und Ärztemangel
Die Zustimmungswerte sind so hoch wie seit 18 Jahren nicht mehr. "Die wachsende Zufriedenheit geht vor allem darauf zurück, dass die Bürger nicht mit Reformdiskussionen behelligt werden", sagte Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher. Es gibt aber durchaus auch Schattenseiten – und aus denen ergeben sich im Wahljahr 2013 sicher einige Großbaustellen, die die Politik anpacken muss: Die Situation in der Pflege und in den Krankenhäusern sowie der Medizinermangel.
Lange Wartezeiten und Behandlungsverzicht aus Kostengründen
Für Unmut sorgte bei 52 Prozent der Befragten, dass sie "sehr lange" auf einen Arzttermin warten mussten. 64 Prozent gaben an, dass sie trotz eines Termins lange im Wartezimmer ausharren mussten. Besorgt zeigten sich 31 Prozent der Menschen darüber, dass sie im Krankheitsfall eine nötige Behandlung womöglich nicht verschrieben bekommen, weil sie zu teuer sei.
39 Prozent der gesetzlich Versicherten geben an, sie hätten in den vergangenen Jahren mindestens einmal Therapien selbst bezahlen müssen. Mehr als jeder dritte Arzt gibt zu, aus Kostengründen auf medizinisch notwendige Behandlungen verzichtet zu haben, allerdings nur in Einzelfällen. Noch häufiger kommt es laut Studie zu Verschiebungen auf einen späteren Zeitpunkt: 56 Prozent der niedergelassenen und 60 Prozent der Krankenhausärzte mussten zumindest in Einzelfällen notwendige Behandlungen verschieben. Fast die Hälfte der Ärzte – doppelt so viele wie noch 2008 – sieht die Versorgungsqualität aufgrund des zunehmenden Kostendrucks beeinträchtigt.
Personalprobleme in Krankenhäusern immer offensichtlicher
Über Krankenhäuser, deren Ausstattung und die Hilfsbereitschaft des Personals äußerten sich die Patienten und Ärzte grundsätzlich positiv. Kritisch sehen dagegen 57 Prozent der Deutschen die mangelnde Zeit der Ärzte für den einzelnen Patienten – im Jahr 1995 waren das nur 31 Prozent. Einen Mangel an Krankenpflegern beklagten 46 Prozent (1995: 29 Prozent); von einer Überlastung der Pfleger und Krankenschwestern sprachen 48 Prozent. Zwei Drittel der Mediziner erwarten, dass es in Zukunft schwieriger wird, qualifiziertes Pflegepersonal zu finden. Die Ärzte schlagen als Gegenmaßnahme eine höhere Bezahlung und verbesserte Arbeitsbedingungen vor.
Einen Medizinermangel als gesamtdeutsches Problem sehen 65 Prozent der Krankenhausärzte und 56 Prozent der niedergelassenen Ärzte. Besonders den Mangel auf dem Land und zu viel Stress im Krankenhaus spürten sie deutlich, geht aus der Studie hervor. Kritisch über die Gesundheitsversorgung äußerten sich insbesondere Hessen, Brandenburger und Hamburger (siehe Grafik).
Deutsche wollen mehr Engagement der Politik bei Pflege
Derzeit verzeichnen Krankenkassen Milliardenüberschüsse, die Praxisgebühr wurde abgeschafft, vielfach werden Prämien an Versicherte ausgeschüttet. Trotzdem sprechen sich mehr Bürger für die Bildung von Rücklagen aus (38 Prozent); für die Senkung von Beitragssätzen sind 34 Prozent. "Derzeit besteht die Gefahr, dass die konjunkturbedingt gute Kassenlage von den langfristigen Problemen im Gesundheitswesen ablenkt", sagt der Vorstandsvorsitzende der MLP, Uwe Schroeder-Wildberg. "Die kurzfristig gute Situation sollte aber spätestens in der neuen Legislaturperiode genutzt werden, um Antworten auf die strukturellen Probleme zu geben."
Eine private Pflegevorsorge ist nach Angaben von Schroeder-Wildberg für rund 70 Prozent der Befragten wichtig. Staatliche Zuschüsse zur privaten Pflegezusatzversicherung befürworteten 47 Prozent der Bevölkerung. Bei dem zu Jahresbeginn in Kraft getretenen "Pflege-Bahr" als Anreiz für eine private Zusatzabsicherung sei das Stimmungsbild geteilt. Danach sehen 39 Prozent in dem staatlichen Zuschuss von fünf Euro einen Anlass, möglicherweise eine private Pflegezusatzversicherung abzuschließen. 40 Prozent seien anderer Meinung.
Von Agathe Lukassek (mit Material von KNA)