Ministerin sieht bislang kein Fehlverhalten des kirchlichen Trägers

Landtag debattiert über Kölner Klinik-Fall

Veröffentlicht am 24.01.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medizin

Düsseldorf/Bonn ‐ Nach der verweigerten Behandlung einer vermutlich vergewaltigten Frau sieht NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) bislang kein Fehlverhalten des Krankenhausträgers. Zurzeit sei nicht erkennbar, dass sich die Cellitinnen-Stiftung nach aufsichtsrechtlichen Prinzipien pflichtwidrig verhalten habe, sagte die Ministerin in einer Landtagsdebatte am Mittwoch in Düsseldorf.

  • Teilen:

Die Stiftung als Träger der beiden katholischen Kliniken habe inzwischen deutlich gemacht, dass die abgelehnte Behandlung dem eigenen ethischen Selbstverständnis widerspreche; eine bessere interne Kommunikation darüber sei eingeleitet worden.

Laut Steffens dauert die Aufklärung des Falls an. Die telefonische Anfrage einer Notärztin nach Behandlung sei mit der Begründung abgelehnt worden , dass die "Pille danach" katholischen Grundsätzen widerspreche. Dabei habe bereits die Notärztin die Pille verschrieben. Kein Krankenhaus dürfe die notwendigen medizinischen Maßnahmen verweigern. Nach den Worten von Steffens besteht aber weiterer Klärungsbedarf.

Für das gesamte Bundesgebiet müsse gelten, dass ein Vergewaltigungsopfer bei stationärer Aufnahme in einer katholischen Klinik die "Pille danach" erhalten könne. Dann hätten die Kliniken mit nicht konfessionell gebundenen Ärzten zu kooperieren. Eine Frau müsse selbst über die Einnahme der "Pille danach" entscheiden können; das Präparat könne entscheidend zur psychischen Stabilisierung des Opfers beitragen.

Steffens bedauerte, dass ein NRW-Antrag im Bundesrat auf Rezeptfreiheit der Pille scheiterte. Die katholische Kirche lehnt jene "Pille danach" ab, die eine bereits befruchtete Eizelle tötet.

Das katholische Heilig Geist-Krankenhaus in Köln soll ein Vergewaltigungsopfer abgewiesen haben.
Bild: ©dpa/Henning Kaiser

Das katholische Heilig Geist-Krankenhaus in Köln soll ein Vergewaltigungsopfer abgewiesen haben.

Regierungsantrag: Religiöse Erwägungen nicht über dem Wohl der Opfer

In der Debatte verurteilten alle im Landtag vertretenen Parteien die Abweisung der Frau. Ein Antrag der Regierungsfraktionen SPD und Grüne wurde mehrheitlich verabschiedet, wonach religiöse Erwägungen nicht über das Wohl der Opfer gestellt werden dürfen. Für die CDU betonte die frühere Landtagspräsidentin Regina van Dinther, dass die Ablehnung der Frau ein Einzelfall gewesen sei. Sie wandte sich dagegen, die Kirche "unter Generalverdacht" zu stellen und "mit Vorwürfen zu überziehen, die zwar Vorurteile bedienen, aber nicht der Realität entsprechen".

Unterdessen kündigte der Sprecher der Cellitinnen-Stiftung, Christoph Leiden, an, dass die Kliniken ihre Ethikrichtlinien so umformulieren, dass sie vom medizinischen Personal besser verstanden werden. Die Richtlinien würden so überarbeitet, dass sie in eine "Verfahrensanweisung" münden, die von allen diensthabenden Ärzten verstanden werde. Ziel sei es, eine "nachvollziehbare und zertifizierte Sicherheit" zu schaffen. In den Ethikrichtlinien war empfohlen worden, Vergewaltigungsopfer zu behandeln und zu beraten, ihnen aber nicht die "Pille danach" zu empfehlen oder zu verschreiben. Dies hatten einige Mediziner offenbar so interpretiert, dass sie eine Beratung komplett ablehnten.

Experten wollen sachliche Debatte über "Pille danach"

In der nach dem Klinik-Fall aufgekommenen Debatte über die "Pille danach" mahnen der katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff und der Medizinethiker Stephan Sahm zu mehr Sachlichkeit. Beide Experten wiesen darauf hin, dass unter diesem Begriff Präparate mit zwei unterschiedlichen Wirkungen zusammengefasst würden: Pillen, die eine Empfängnis verhindern, und Pillen, die abtreibend wirken.

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.
Bild: ©KNA

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.

Schockenhoff, der auch Mitglied im Nationalen Ethikrat ist, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), eine empfängnisverhindernde "Pille danach" sei nach einer Vergewaltigung mit der kirchliche Lehre vereinbar. In einem solchen Fall gebe es "keine durchschlagenden moralischen Einwände". Zugleich betonte der Theologe, die kirchliche Ablehnung von Abtreibung bleibe Konsens; er sprach sich gegen eine "Neuausrichtung" der kirchlichen Morallehre aus.

Weiter betonte der Theologe die extreme Notlage der Frau nach einer Vergewaltigung. Wenn sich die Betroffene für einen Schwangerschaftsabbruch entscheide, müsse man dies akzeptieren. "Im Grenzfall der Vergewaltigung sehe ich die Möglichkeit einer berechtigten Ausnahme, weil die Frau eine Art Notwehrrecht hat, die ihr durch Gewalt aufgezwungene Schwangerschaft zu beenden", sagte Schockenhoff. "Die Schuld am Abbruch fällt hier auf den Vergewaltiger zurück, der dann zwei Leben auf seinem Gewissen hat."

Empfängnisverhütung nach Vergewaltigung mit katholischer Lehre vereinbar

Auch Sahm, Chefarzt am katholischen Ketteler-Krankenhaus in Offenbach, bezeichnete Empfängnisverhütung im Falle einer Vergewaltigung als "moralisch verantwortbar und mit der kirchlichen Lehre vereinbar". In den USA hätten die katholischen Bischöfe bereits die entsprechenden Konsequenzen gezogen und die "Pille danach" zugelassen, die keine Abtreibung bewirkt, sagte Sahm der "Zeit"-Beilage "Christ __amp__ Welt" (Donnerstag).

Von zentralen Ethik-Richtlinien an allen Hospitälern riet der Experte ab. "Jedes katholische Krankenhaus sollte reif genug sein, seinen Umgang mit den betroffenen Menschen zu regeln." Wichtiger sei es, die eigenen Mitarbeiter zu schulen und in der Öffentlichkeit offensiver die kirchlichen Positionen zu erläutern. "Wir müssen dafür werben, dass dieser Haltung ein positives Menschenbild zugrunde liegt." (KNA)