Chef der Glaubenskongregation spricht bei Tagung in Köln

Müller gegen "staatlich gelenktes Mainstreaming"

Veröffentlicht am 27.02.2016 um 12:40 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Gesellschaft

Köln ‐ Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller beobachtet Gruppen, die sich des Staates bemächtigen, um "eine dominante Ideologie zu begünstigen". Wer sich dagegen zur Wehr setze, tue dies "mit vollem Recht".

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Menschen widersetzten sich "mit vollem Recht" einer "augenblicklich dominanten Ideologie" in Medien, Parlamenten und Rechtsprechung, sagte der Kardinal. Als Beispiele für solche Ideologien nannte er Strömungen, die Abtreibung als Menschenrecht betrachteten oder die Ehe als beliebige Sexualgemeinschaft umdefinierten.

Nach den Worten von Müller setzt Freiheit die Möglichkeit voraus, gemäß dem eigenen Gewissen zu leben und sich unsittlichen Befehlen oder Zumutungen zu widersetzen. Die freiheitliche Demokratie beruhe auf der unbedingten Anerkennung von Menschenwürde und Menschenrechten, die dem Mehrheitswillen ein für allemal entzogen seien. Demokratie heiße nie einfach, dass die Mehrheit auch über Moral und Gewissen entscheide. Demokratie heiße vielmehr, dass parlamentarische Mehrheit und Minderheit gemeinsam die Unverfügbarkeit der Würde und der natürlichen Rechte und Pflichten des Menschen respektierten.

Scharfe Kritik am Hedonismus

Der Kardinal warnte vor einem falschen Verständnis von Freiheit. Sie werde verfehlt, "wenn sie nur als Berechtigung aufgefasst wird, alles zu tun, was uns als Individuum oder Gesellschaft gefällt, nützt und Spaß macht oder der rücksichtslosen Selbstverwirklichung dient". In diesem Sinn unfrei und Sklaven ihres vernunftwidrigen Tuns seien "Kriegstreiber, Menschenhändler, Drogendealer, Terroristen, Kinderschänder, Vergewaltiger, Diebe, Lügner, Ehebrecher, die Zyniker und Frivolen, die Tagediebe und Ausbeuter und alle, die gegen den Dekalog handeln".

Müller forderte auch die Anerkennung der Religionsfreiheit, die niemals nur individuell ausgelegt werden dürfe und eine soziale Komponente habe. Zu den unveräußerlichen Menschenrechten gehöre auch die Freiheit, sich mit einem gemeinsamen Bekenntnis zu einer Gemeinschaft zusammenzufügen und einen öffentlichen Kult zu pflegen. Den religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaften dürfe die gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen Leben nicht verwehrt werden. Müller äußerte sich beim "Rhein-Meeting", einer dreitägigen Tagung der Gemeinschaft "Communio e Liberazione" zu gesellschaftspolitischen und religiösen Themen.

Linktipp: "Keine Abstriche von der kirchlichen Lehre"

Er ist der oberste Glaubenswächter der römisch-katholischen Kirche: Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Im Interview mit katholisch.de spricht der Präfekt der Glaubenskongregation über einige "heiße Eisen" innerhalb der Kirche.

Anlässlich seines Aufenthalts in Köln sprach sich Müller am Samstag gegen ein Lehramt der Theologen auf der gleichen Ebene des Lehramts der Bischöfe aus. "Das Lehramt der Bischöfe und des Papstes ist unmittelbar von Christus eingesetzt", sagte er dem Kölner "domradio". Er reagierte damit auf einen Streit zwischen Theologieprofessoren und den Bischöfen Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Stefan Oster (Passau).

Müller: Menschliche Vernunft nicht auf einer Ebene mit Wort Gottes

In der akademischen Theologie, erklärte Müller, sei die menschliche Vernunft Urheberin einer Lehre. Dies könne man nicht auf die gleiche Ebene stellen wie das Wort Gottes, das von der menschlichen Vernunft ergründet werden wolle. Die erste Verantwortung für die theologische Lehre und die Lehranstalten liege beim Ortsbischof, so der frühere Dogmatiker und Regensburger Bischof. Die Glaubenskongregation ist nach den Worten Müllers keine Zentrale, die in die Kirchenprovinzen eingreife. Sie vertrete vielmehr gemäß dem Subsidiaritätsprinzip das weltweite Päpstliche Lehramt.

Der Passauer Bischof Oster hatte Anfang Februar in einem Facebook-Eintrag die Auffassung einiger Professoren zurückgewiesen, die der wissenschaftlichen Theologie ein "unverzichtbares Lehramt in der Kirche" neben dem Lehramt der Bischöfe zuschreiben wollen. Einer solchen Position mangele es an Selbstkritik; Theologen widersprächen sich oft dramatisch und seien nicht besonders konsensfähig, so Oster. Er stellte sich damit an die Seite des Regensburger Bischofs Voderholzer, der zuvor eine stärkere Unterordnung der Theologie unter das Lehramt der Bischöfe gefordert hatte. Damit hatte er den Widerspruch der Freiburger Professoren Eberhard Schockenhoff und Magnus Striet hervorgerufen, die ein eigenes Wächteramt der Theologie in der Kirche reklamierten, das helfen könne, Irrtümer - auch aufseiten des Lehramts - zu korrigieren. (KNA)

27.02., 15:50 Uhr: Ergänzt um Müllers Aussagen im Interview vom Samstag

Linktipp: "Bischöfe sind kein Rechtgläubigkeits-TÜV"

Bischof Franz-Josef Overbeck versteht sein kirchliches Leitungsamt nicht als "Rechtgläubigkeits-TÜV". Er äußerte sich zu einer Debatte, die durch Wortmeldungen der Bischöfe Rudolf Voderholzer und Stefan Oster angestoßen worden war.