"Bei der Arbeit vergessen wir die Religion"
Zwei- bis dreimal im Jahr reist sie nach Deutschland. Um zu informieren, für Spenden zu werben - und um ihre Söhne zu besuchen, die in Freiburg studieren. "Manchmal ist Deutschland für mich näher als Jerusalem", sagt die 53-Jährige. Am Wochenende berichtete sie bei einem Treffen des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande und der Kinderhilfe Bethlehem in Freiburg von ihrer Arbeit. Das Krankenhaus wird vor allem durch Spenden aus Deutschland und weiteren europäischen Ländern getragen.
Im Bethlehemer Alltag sei die Angst immer gegenwärtig, so Marzouqua. Umso mehr, seit palästinensische Attentäter mit Messern auf offener Straße israelische Soldaten und Passanten angreifen. "Die Soldaten werden wegen jeder Bewegung nervös. Wenn ich einen Kugelschreiber aus der Handtasche hole, denken sie sofort an einen Messerangriff."
Kinder von der Geburt bis zum Jugendalter versorgt
Die Bethlehemer Klinik versorgt Kinder von der Geburt bis zum Jugendalter. "Armutskrankheiten und Inzucht sind die größten Probleme hier", sagt die Chefärztin. Und die Armut nehme immer weiter zu: Die Israelis schränkten die Bewegungsfreiheit der Palästinenser nach den Messer-Attentaten noch weiter ein. Bei Arbeitserlaubnissen seien sie noch strenger, so dass immer weniger Menschen im Westjordanland genug Geld zum Leben hätten. "Es gibt immer mehr Tagelöhner und die gut ausgebildeten jungen Leute kommen aus dem Ausland gar nicht mehr zurück", sagt Marzouqua, die in Würzburg studiert und dort als junge Ärztin gearbeitet hat.
Noch funktioniere die Lieferung von Medikamenten aus Israel, so die Medizinerin. Schwierig sei hingegen wegen der Grenzkontrollen Weiterbehandlungen oder Operationen von schwerkranken Kindern in Spezialkliniken in Jerusalem. "Wir arbeiten neuerdings stärker mit Kliniken in Jordanien und Ägypten zusammen", so Marzouqua. Dabei liegt Bethlehem nur etwa 20 Kilometer von der israelischen Hauptstadt entfernt.
Die Religionszugehörigkeit spiele im Caritas-Babyhospital keine Rolle, sagt die Medizinerin. Unter den Mitarbeitern seien etwa die Hälfte Christen, die Patienten dagegen fast immer Muslime: "Bei der Arbeit vergessen wir die Religion und freuen uns einfach alle zusammen, wenn ein krankes Kind Fortschritte macht."
Die Spirale der Gewalt drehe sich immer weiter
Die Hoffnung in den Friedensprozess hat sie allerdings aufgegeben. Zeitungen und Nachrichtensendungen interessieren sie nicht mehr, weil sie nicht glaubt, dass sich etwas ändert. Die jungen Palästinenser hätten keine Perspektive mehr, so Marzouqua. Sie kenne Jugendliche, die planten, Attentäter zu werden, um nicht weiter in Armut leben zu müssen.
Die Spirale der Gewalt drehe sich immer weiter, berichtet auch der Generalsekretär des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande, Heinz Thiel: "Einer der Attentäter der vergangenen Wochen war ein Bruder eines Krankenpflegers unseres Hauses in Emmaus-Qubeibe. Jetzt wird das Haus der Familie zerstört werden und die Brüder verlieren ihre Arbeitserlaubnis." Auch die Arbeit in den christlichen Einrichtungen des Heiligland-Vereins werde schwieriger, berichtete Thiel.
Nach dem Brandanschlag durch jüdische Extremisten auf das Benediktinerkloster und die Brotvermehrungskirche Tabgha am See Genezareth hätten die Mönche dort allerdings viel Solidarität erfahren: "Die Finanzierung für den Wiederaufbau ist durch 400.000 Euro Spenden mittlerweile gesichert", so Thiel.
Für das Babyhospital in Bethlehem seien die Spenden in den vergangenen zwei Jahren jedoch zurückgegangen, berichtet Marzouqua. Der Grund liegt für sie nicht in der Sperrmauer zwischen Bethlehem und Jerusalem: "Seit der großen Flüchtlingswelle kommen bei uns nicht mehr so viele Spenden aus Europa an", hat Marzouqua beobachtet.