Geständnis im zweiten Vatileaks-Prozess
Er habe dem ebenfalls angeklagten Gianluigi Nuzzi eine fünfseitige Liste mit 87 Passwörtern für die Unterlagen der päpstlichen Untersuchungskommission COSEA gegeben, so der ranghohe vatikanische Mitarbeiter in der mehr als dreistündigen Sitzung vor Gericht. Er habe jedoch den Eindruck gehabt, das Nuzzi diese Passwörter ohnehin schon besessen habe.
Vallejo Balda war bis zu seiner Festnahme durch die vatikanische Gendarmerie Anfang November Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls. Nach mehrwöchiger Haft im Vatikan steht er dort seit Weihnachten unter Hausarrest. Als vatikanischem Staatsbürger droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
Nach dreimonatiger Unterbrechung war der Prozess am Samstag zunächst hinter verschlossenen Türen fortgesetzt worden. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht die Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen über wirtschaftliche Missstände im Vatikan in zwei Enthüllungsbüchern. Die vatikanische Staatsanwaltschaft beschuldigt die italienischen Journalisten Nuzzi und Emiliano Fittipaldi, sich illegal die Akten der von Papst Franziskus neu eingerichteten Kommission für die Neustrukturierung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikans (COSEA) beschafft zu haben.
Chaouqui bittet um Entbindung von Verschwiegenheitspflicht
Weitere Angeklagte ist eine italienische PR-Beraterin. Francesca Chaouqui soll Vallejo Balda unter Druck gesetzt haben, um an die internen Unterlagen zu gelangen. Sie gehörte ebenfalls der COSEA-Kommission an. Laut italienischen Medienberichten soll Chaouqui am Samstag um eine Entbindung von ihrer Verschwiegenheitspflicht, dem sogenannten Päpstlichen Geheimnis, gebeten haben. So könne sie sich wirksamer verteidigen.
Kurz vor Prozessbeginn war Chaouqui zu Fuß an einem Nebeneingang des Vatikan erschienen, ganz in Schwarz gekleidet und begleitet von vier Männern und einer Frau. Sie habe einen erschöpften Eindruck gemacht, berichteten italienische Beobachter. Sie führten dies auf ihre Schwangerschaft zurück. Zuvor war auch Fittipaldi vor dem Gerichtspalast eingetroffen. Von Journalisten auf die illegale Veröffentlichung angesprochen sagte er, er habe kein Verbrechen begangen, sondern nur seine Arbeit als Journalist getan.
Der am 24. November eröffnete Prozess war Anfang Dezember auf unbestimmte Zeit vertagt worden, um die Auswertung des Mail- und SMS-Verkehrs sowie der Whatsapp-Nachrichten zwischen Chaouqui und Vallejo abzuwarten. Italienische Parlamentarier und Journalisten hatten Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Prozesses geäußert. Sie sehen die Pressefreiheit gefährdet. Der Vatikan wies solche Vorwürfe zurück. Es ist das erste Mal, dass sich italienische Journalisten wegen eines derartigen Delikts vor einem Vatikan-Gericht verantworten müssen. (jml/KNA)