Die Kirchen in Europa tun sich schwer mit Rechtspopulisten

Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Veröffentlicht am 17.03.2016 um 12:25 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Europa

Bonn/Brüssel ‐ Der Erfolg der AfD bei den Landtagswahlen war absehbar - und hat doch aufgeschreckt: wie ein Toast, auf den man wartet und der dann doch so plötzlich aus dem Röster springt. Reden ist geboten, auch für die Kirchen. Aber mit oder über die AfD?

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In Frankreich ist die über Jahrzehnte geschlossene Front der Bischöfe gegen den rechtsextremen Front National (FN) inzwischen aufgebrochen. Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier von Marseille, räumte in einem Interview ein, dass die Bischöfe nicht mehr mit einer Stimme sprächen. Früher habe der FN nur eine kleine Gruppe Militanter repräsentiert und sei dementsprechend einhellig abgelehnt worden. Heute aber stehe eine wachsende Menge "enttäuschter Franzosen" hinter der Partei. Daher suchten auch Bischöfe den Dialog mit jenen vielen Menschen, die nicht notwendig "die Ideologien von vor 20, 30 Jahren" teilten, so Pontier.

Einen wichtigen Grund nennt er dabei nicht. Mit der Enkelin des Parteigründers, Marion Marechal-Le Pen, hat der FN inzwischen eine attraktive Galionsfigur, die nicht stumpfen Antiklerikalismus oder religiöse Indifferenz, sondern das rechte katholische Wertespektrum
bedient: das "gute alte Frankreich".

Auffälliges Schweigen der Kirche in Ungarn und Polen

Auffällig ist auch das Schweigen der ungarischen und der polnischen Kirche zu ihren rechtspopulistischen Regierungen, die mit ihrem autokratischen Agieren Teile der eigenen Bevölkerung auf die Straße treiben und die Verfassungshüter der EU auf den Plan rufen. Sei es, dass der Episkopat in dieser Frage selbst gespalten ist oder dass sich die Kirchenleitung von einer konservativen Führung einen insgesamt kirchenfreundlicheren Kurs versprechen als von einer liberalen: Eine kritische Stimme in Europa sind sie derzeit nicht.

Linktipp: Mitteleuropas Kirche in der Zwickmühle

Mitteleuropa riegelt sich ab: "Bloß keine Flüchtlinge!", lautet die Parole in Ungarn, Tschechien oder Polen. Für die katholische Kirche ist diese Haltung problematisch - spätestens seit dem Appell von Papst Franziskus zur Flüchtlingsaufnahme.

Augenfällig wurde das vor einigen Wochen, als erst die Polnische und dann die Ungarische Bischofskonferenz das in Brüssel erscheinende katholische EU-Magazin "EuropeInfos" aufforderten, kritische Artikel über die "neue Rechte" in ihren Ländern zurückzuziehen. In beiden Fällen hätten sie keine konkreten Fehler benannt, so die Chefredaktion des Magazins.

So verlief dann auch die jüngste Vollversammlung der EU-Bischofskommission COMECE in Brüssel äußerst unauffällig - eigentlich verwunderlich bei einem profilierten Präsidenten wie dem Münchner Kardinal und Papstberater Reinhard Marx. Auch im Kreis der Vertreter der nationalen Bischofskonferenzen dürfte es an einem Konsens in den zentralen Fragen Rechtsstaatlichkeit und Flüchtlingskrise gefehlt haben.

Überhaupt ist von der katholischen Kirche in Südosteuropa sehr wenig zu hören über jenes Thema, das den Kontinent seit Monaten in Atem hält. Die größte Ausnahme ist der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, selbst Flüchtlingskind. Wie die deutschen Bischöfe beschwört er immer wieder die Stärke der europäischen Werte und die moralische Verpflichtung des Kontinents.

Kardinal Christoph Schönborn.
Bild: ©KNA

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, selbst Flüchtlingskind, beschwört immer wieder die Stärke der europäischen Werte und die moralische Verpflichtung des Kontinents.

Ein Blick in die Geschichte mag helfen, das sonstige Schweigen aus der Region - oder die strenge Haltung gegenüber den Flüchtlingen - zu verstehen. Die "Katastrophe von Mohac" 1526, der "Türke vor Wien" 1529/1683 - das sind mehr als nur historische Schlagwörter; sie sind Teil des kollektiven Bewusstseins in der riesigen einstigen Donaumonarchie. "Die Muslime", das sind in Szeged, Temesvar oder Novi Sad nicht in erster Linie türkische Gastarbeiter, sondern jahrhundertelange Besatzer.

"Mitgefühl führt in die Hölle"

Der Prager Kardinal Dominik Duka verwunderte zuletzt mit einem Interview, in dem er sagte, "Mitgefühl und Emotion ohne vernünftiges Verhalten" führten "in die Hölle". Weder alle noch niemanden aufzunehmen sei richtig; man müsse einen kühlen Kopf bewahren und "rational vorgehen". In dieser "Flüchtlingswelle ohne jede Kontrolle", in der die Staaten "völlig versagt" hätten, müsse sorgfältig geprüft werden, "wer tatsächlich hilfsbedürftig und wessen Leben bedroht ist". Es gebe auch "bestimmte Pläne und Programme der Dschihadisten", orakelte der böhmische Primas.

Gewiss: Die deutschen Bischöfe schlagen bei weitem andere Töne an - und distanzieren sich inhaltlich weit von der AfD. Doch bald werden auch sie sich entscheiden müssen: Dialog oder Ausgrenzung.

Themenseite: Auf der Flucht

Ob Naturkatastrophen, Armut oder Terror: Täglich verlassen Menschen ihre Heimat, um anderswo ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. Die Flüchtlinge kommen auch nach Deutschland. Das bedeutet eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Kirche.
Von Alexander Brüggemann (KNA)